Flusslandschaft 2018
Behinderte
Unter dem Motto „Inklusion von Anfang an“ wird auch dieses Jahr wieder auf den Münchner Marienplatz zum europaweiten Protesttag für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderung eingeladen. Das „Aktionsbündnis 5. Mai“, ein Zusammenschluss von bayerischen Behinderten-
selbsthilfeverbänden, Selbsthilfeorganisationen und Selbsthilfegruppen aus dem Großraum Mün-
chen protestiert am Samstag, den 5. Mai, von 13 Uhr bis 17 Uhr auf dem Marienplatz gegen die alltäglichen Diskriminierungen und massiv erschwerten Lebensumstände von Menschen mit Behinderungen: Keine ärztliche Behandlung, weil die meisten Praxen nicht mit dem Rollstuhl erreichbar sind. Kein erfolgreicher Schulbesuch, weil die Schulbegleitung nicht genehmigt wird. Nach der Ausbildung direkt in die Frührente, weil die Behinderung mehr zählt als die Qualifika-
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Resümee:
Das „Aktionsbündnis 5. Mai“ veranstaltete unter Federführung der LAG SELBSTHILFE Bayern e.V. eine Kundgebung auf dem Marienplatz. Das Ziel war, gegen die alltäglichen Diskriminierun-
gen zu protestieren, welche Menschen mit Behinderung tagtäglich erleben. Das Motto war: Inklu-
sion von Anfang an! Auf dem Marienplatz inszenierte das Aktionsbündnis beispielhaft Barriere-
freiheit, Bildung und Arbeit und Medizinische Versorgung als drei „Tatorte“, an denen Diskrimi-
nierung stattfindet. Nach ihren Gesprächen mit Betroffenen auf einem Rundgang nahmen die Politiker von bayerischen Landtagsfraktionen bzw. vom Bezirkstag Oberbayern auf der Bühne Stellung zu den Forderungen des Aktionsbündnisses.
In Bezug auf den „Tatort“ Medizinische Versorgung lautet die Hauptforderung, dass für Menschen mit Behinderung eine bedarfsgerechte Versorgung gewährleistet sein muss. Alle Fraktionsvertreter sprachen sich für das Ziel aus, dass die derzeitigen Abrechnungsmodelle im Krankenhausbereich verändert werden müssen.
Zum Thema Bildung und Arbeit betont die Forderung „Behinderte sind Leistungsträger!“, dass Gesellschaft, Politik und Wirtschaft für Teilhabe von Menschen mit Behinderung an Bildung und am Arbeitsmarkt sorgen müssen.
Alle Politiker bekannten sich auf dem Podium zum Ziel der bedarfsgerechten Unterstützungsleis-
tungen. Insbesondere zwei landesrechtliche Instrumente werden als Chance bewertet:
Menschen mit Behinderung haben Anspruch auf ein Budget für Arbeit neben Beschäftigungs-
möglichkeiten in Werkstätten für Menschen mit Behinderung.
Parallel zur Beschäftigung in Werkstätten für Menschen mit Behinderung gibt es alternative Angebote.
Die Kernforderung zum Tatort Barrierefreiheit ist „Teilhabe für alle durch Barrierefreiheit!“. Im Hintergrund steht, dass die bayerische Staatsregierung zugesagt hat, Bayern bis 2023 barrierefrei zu machen. Angesichts dessen, was tatsächlich bisher erreicht wurde, erscheint dieses Ziel als unrealistisch. Nun ist das Vertrauen der Menschen mit Behinderung stark erschüttert.
Die Diskussion rückte vor allem die aktuelle Reform des Bayerischen Behindertengleichstellungs-
gesetzes ins Zentrum. Die Politiker sprachen sich dafür aus, dass der private Sektor stärker als bisher zur Barrierefreiheit verpflichtet wird.
Thomas Bannasch, Geschäftsführer der LAG SELBSTHILFE Bayern, verlieh den Interessen der Betroffenen auf dem Podium eine starke Stimme und unterstrich in seiner Eröffnung: „Bayern hat gleichwertige Lebensverhältnisse im ganzen Land zum Ziel seiner Verfassung gemacht. Wir wer-
den genau darauf achten, dass die bayerische Staatsregierung ihr Verfassungsziel klar im Auge behält, wenn sie z.B. das neue Teilhabegesetz umsetzt.“ Durch das Programm des gesamten Tages, welches zahlreiche Besucher anlockte, führte die Moderatorin Zuhal Mössinger-Soyhan. Zwei namhafte Künstlerinnen, die selbst von Behinderung betroffen sind, gestalteten das musikalische und tänzerische Bühnenprogramm, Patty Turner sowie Kassandra Wedel, die gemeinsam mit der Nikita Dance Crew auftrat. Für das „Aktionsbündnis 5. Mai“ steht fest, dass Protest immer noch dringend nötig ist. Denn das Ziel der tatsächlichen Gleichstellung von Menschen mit Behinderung in der Gesellschaft ist in Deutschland und in Europa noch lange nicht erreicht.
Grußworte:
Irmgard Badura, Beauftragte der Bayerischen Staatsregierung für die Belange von Menschen mit Behinderung
Oswald Utz, in Vertretung des Münchener Oberbürgermeisters Dieter Reiter
Cornelia von Pappenheim, stellvertretende Vorsitzende des Behindertenbeirates der Landes-
hauptstadt München.
Der Protesttag wurde finanziell gefördert von der Aktion Mensch.
Die Arbeitslosenquote bei Behinderten liegt 2018 bei 11,2 Prozent, die vergleichbare allgemeine Arbeitslosenquote bei 6,5 Prozent.
1 Siehe www.lag-selbsthilfe-bayern.de.