Materialien 2018

Kapitalverbrechen

Zur Erinnerung an das Ende des Ersten Weltkriegs vor hundert Jahren im November 1918

Das größte der Verbrechen,
zu dem der Mensch bereit,
ist Schießen, Hauen, Stechen.
So war’s die längste Zeit.

Aus Axt wird Hellebarde,
aus Pfeil und Bogen: Speer,
aus Landsknechthaufen, Garden,
entwickelt sich das Heer.

Die nationalen Staaten
betreiben notfalls Krieg,
benötigen Soldaten
zur Außenpolitik.

Dem Fortschritt macht das Morden
im Großen keine Not.
Die Technik schickt die Horden
in massenhaften Tod.

Wofür sich’s gilt zu schlagen
– für Kaiser oder Staat –,
es bleibt die Last zu tragen
dem Proletariat.

Die Arbeiter bedienen
die Kriegsmaschinerie,
die anderen verdienen
am Krieg der Bourgeoisie.

Es lohnt zu investieren.
Profite wachsen schnell.
Granaten expandieren
den Krieg industriell.

Die Generäle brüllten
ihr donnerndes Hurrah.
Die Mannschaftsgrade füllten
den Opferbluts-Etat.

Die Deutschen ha’m begonnen
und wurden kurzgeschor’n;
die andern ha’m gewonnen
und ebenfalls verlor’n.

Millionen toter Krieger –
soviele wie noch nie!
Der einzig wahre Sieger:
Die Rüstungsindustrie!

In jedem Land dasselbe:
Die Kurse stiegen an
am Rhein und an der Schelde
mit jedem toten Mann.

Von Krupp die Großkanonen,
die England hat bestellt,
soll’n Deutsche nicht verschonen:
Es geht um’s große Geld!

Ein Plätzchen an der Sonne
versprach der Heeres-Stab.
Das reichte an der Somme
mit Glück zum Massengrab.

Den Kaisern war’s gelungen,
ihr Weltreich zu zerstör’n.
„Im Felde unbezwungen“
sollt’s Heer auf Rache schwör’n.

Auch wollt’ sich revanchieren
die Admiralität.
Matrosen revoltieren; –
da war’s erst mal zu spät.

Doch deren Traum vom Frieden
voll hoffnungsroter Glut
war allzu kurz beschieden,
ward bald erstickt in Blut.

Die Volksherrschaft – verraten
von Leuten ohne Mut,
Sozialen Demokraten
im Pakt mit brauner Brut!

Mit Freicorps-Bürgerwehren
gewohnt im alten Ton
samt Mörsern und Gewehren
stand auf die Reaktion.

So halfen Alt-“Genossen“
der Bourgeoisie zum Sieg:
Die Reichswehr-Trupps zerschossen
die Räterepublik.

Nach fünfzehn harten Jahren
verstarb die Republik. –
Die Nazis offenbaren
den Drang zum nächsten Krieg.

Im Kriege der Moderne
ist Tapferkeit nur Hohn.
Dort glühen keine Sterne,
da blüht nur roter Mohn.

Da gibt es nicht mal Kisten;
man schaufelt einfach zu.
Dort finden Zivilisten
im Schutt die letzte Ruh’.

Erst viele Jahre später
entdeckt man sie vielleicht
– zu spät für Sanitäter –,
die Knochen ausgebleicht.

Dann werden sie gebettet
in endlos langen Reih’n,
begraben und geplättet
von einem kühlen Stein.

Drauf eingekerbt die Namen
mit Datum noch dazu,
doch nicht woher sie kamen,
warum, wofür, wozu:

Zum Straucheln, Fallen, Sterben
in Schützengraben-Pflicht, –
bald abgehakt als Kerben
im Massenmord-Bericht.

Als Futter der Kanonen
stirbt auch der Zivilist.
Wo soll er denn noch wohnen,
wenn Bombenhagel ist?

Das Neueste sind Drohnen
zum hohen Einzelpreis,
die niemanden verschonen
auch ohne Schuldbeweis.

Wenn mahnend wir gedenken,
ergibt das wohl nur Sinn,
gedanklich umzuschwenken:
Nie wieder Kriegsgewinn!

Die Rüstung zu beenden
ist sicher nicht verfrüht,
um Kriege abzuwenden,
wo nicht mal Mohn mehr blüht!


Wolfgang Blaschka im September 2018

Überraschung

Jahr: 2018
Bereich: Gedenken