Flusslandschaft 2006
Nazis
Alte Nazs und Kriegsverbrecher leben immer noch unbehelligt in bundesdeutschen Gefilden. Da-
rauf angesprochen meinen nicht wenige MitbürgerInnen: „Ach, lasst doch endlich Gras darüber wachsen. Was wollt Ihr denn? Alte Männer hinter Schloss und Riegel setzen?“
Um ihrer Empörung über die Einstellung des Verfahrens gegen den ehemaligen Wehrmachtsoffi-
zier Ottmar Mühlhauser Ausdruck zu verleihen, ist am Samstag, 1. Dezember, eine große Delegati-
on von AktivistInnen und Angehörigen der Ermordeten, Rechtsanwälten und Senatoren aus Italien zur Pressekonferenz und einer Kundgebung vor dem Landgericht München angereist. Der heute 83-jährige Mühlhauser hat 1943 auf der griechischen Insel Kephalonia die Erschießung von mehr als 5.000 kriegsgefangenen italienischen Soldaten und Offizieren befehligt. Jetzt stellt das Münch-
ner Oberlandesgericht das Verfahren ein. Das Gericht übernimmt damit die Haltung der Staatsan-
waltschaft München, die schon im Juli 2006 ein Ermittlungsverfahren gegen den ehemaligen Leut-
nant der Gebirgsjäger-Einheit eingestellt hat.
Ulrich Sander von der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA), Landesvereinigung Nordrhein-Westfalen, sagt dazu: „Jetzt soll also eines der größten Kriegsverbrechen ungesühnt bleiben. Vorbereitet hat die Anklage Herr Oberstaatsanwalt Maaß von der Zentralstelle für die Bearbeitung von NS-Massenverbrechen in Dortmund. Der hat gegen hunderte Kriegsverbrecher ermittelt, und immer, wenn er damit fertig war und die Unterlagen zuständigkeitshalber an die Staatsanwaltschaft abgab, in deren Bereich der oder die Angeschuldigten lebten – das ist zumeist Bayern – , stellte die Bayerische Justiz die Sache ein. Die Dortmunder Zentralstelle hat sich nicht nur mit Ruhm bedeckt, wenn man an den Fall Priebke denkt. Aber was die CSU-Justiz da macht, das ist unerhört.“
Am 8. Dezember veranstalten Angehörige und AktivistInnen eine Kundgebung auf dem Stiglmair-
platz. Im Anschluss findet eine Demonstration zum nahegelegenen Justizgebäude in der Nym-
phenburger Straße statt. Dort wird die Gruppe mit Partisanenliedern von einigen AntifaschistIn-
nen empfangen. Das Fernsehteam des italienischen Fernsehsenders RAI und die Sprachbarriere, die für die KundgebungsteilnehmerInnen wegen zwei fitten DolmetscherInnen kein Problem ist, lassen die Polizei sehr zurückhaltend werden.