Materialien 2019

Hindenburg-SchutzVerein und Dietramszeller Galgenhumor

Gut, dass DIE ZEIT die Auseinandersetzungen um die Ehrung des furchtbaren Militaristen und Hitler-Verehrers Hindenburg aufgreift. Es geht dabei ja um wesentlich mehr als die Änderung von Straßennamen und Visitenkarten und den Umgang mit Denkmälern. Entsprechend der Kontroll-
ratsdirektive 30 der Alliierten mussten alle militaristischen und nazistischen Straßennamen und Denkmäler entfernt werden. Das geschah in vielen Städten – außer dort, wo der braune Sumpf be-
sonders tief war und bis heute nicht trocken gelegt ist.

So auch in Dietramszell, wo der Hitler-Steigbügelhalter und Dolchstoßlegendär Hindenburg mit seinem Militärkumpan Schilcher in dessen Wäldern herumballerte. Für seine Nazi-Kumpanei wur-de ehrenhalber ein überdimensionaler Hindenburg-Bronze-Schädel, gefertigt von dem Nazi-Bild-hauer Thorak, 1939 in einem großen NS-Spektakel an der Schlossmauer angebracht. Bezeichnend für den „verknöcherten“ Schilcher-Nachfahren und die Dietramszeller Hindenburg-Schützer ist die dumpfe Leugnung der Geschichte und ihr Bad im braunen „Glänzen“ des Thorak-Hindenburg-Bronzeschädels. Dass er dafür groß in der ZEIT abgebildet wird, ist ein wenig verwunderlich. Ebenso, dass die Beschimpfungen der Künstler, die Hand anlegten und den Schädel vom Podest herunterholten, wörtlich zitiert und – mit oder ohne Anführungszeichen – kolportiert werden.

Die Dietramszeller Hindenburgschützer fanden es sehr spaßig, bei ihrer Faschingsgaudi einen Gal-gen aufzurichten, um einen Aktionskünstler symbolisch aufzuhängen und eine Tafel mit der sehr lustigen Drohung „Aktionskünstler Obacht gem“ anzubringen. Da waren sie alle dabei, die Bürger-meisterin, der Trachtenverein, Gemeinderäte und andere Hindenburg-Freunderln. Vielleicht auch der Schilcher, der den Schädel (der ihm nicht gehört und den er als „Büste“ bezeichnet) wieder öf-fentlich aufstellen und einbetonieren will.

Natürlich hat in alter Tradition niemand was gesehen, gewusst oder getan. Und so konnte der Staatsanwalt sehr schnell den lustigen Henker nicht finden, in dem braun glänzenden Dorf Diet-ramszell. Wie schrieb Tucholsky? Reisende, meidet Bayern! Sollte das vielleicht besser heißen: Reisende meidet Dietramszell? Falsch, es gab auch ein paar wenige, die froh waren, dass der Hin-denburg demontiert wurde. Aber die trauten sich entweder nicht, das offen zu sagen, oder sie wur-den weggeekelt. Demokratie ist da noch sehr entwickelbar – im leidenden Hindenburgszell. Die Hindenburg-Schützer werden den Hindenburg nicht mehr an die Klosterwand bringen können, weil sein Kopf ihnen gar nicht gehört, sondern den Salesianerinnen, und die ihn auch nicht direkt als anbetungswürdig erkennen.

Also, ab damit ins Museum für bayerische Geschichte!

Paul Blauhorn


(vom Autor zugeschickt am 16. März)

Überraschung

Jahr: 2019
Bereich: Gedenken