Materialien 2019
Erklärung der Jüdisch-Palästinensischen Dialoggruppe
Am 17.03.2019 beabsichtigte die Jüdisch-Palästinensische Dialoggruppe München im EineWelt-Haus München den Film „Broken“ in Anwesenheit des palästinensischen Regisseurs Mohammed Alatar zu zeigen.
Der Film beleuchtet die Hintergründe der Entscheidung des internationalen Gerichtshofes in Den Haag, den Bau der Mauer zwischen Israel und den Palästinensergebieten für völkerrechtlich illegal zu erklären, und beleuchtet hierbei insbesondere den persönlichen Entscheidungsprozess der Richter, die diese Entscheidung trafen.
Besonderes Augenmerk gilt in dieser Darstellung der Person des Richters Thomas Buergenthal, dessen Biographie als Shoah-Überlebender in Alatars Film Teil der einfühlsamen Darstellung der moralischen Dilemmata des Entscheidungsprozesses wird.
Nun hat das Kulturreferat der Stadt München in Person von Herrn Dr. Küppers dem EineWelt-
Haus mit Verweis auf den Anti-BDS Beschluss des Münchner Stadtrates, wortwörtlich „untersagt“ die Veranstaltung durchzuführen.
Selbstverständlich ist BDS nicht Thema der Veranstaltung und der Regisseur Mohammed Alatar explizit kein Unterstützer der BDS-Kampagne. Vielmehr legt die von Herrn Dr. Küppers vorgelegte Argumentation exemplarisch dar, was wir selbst wieder und wieder zu diesem Beschluss gesagt haben: Der „BDS-Vorwurf“ fungiert hier lediglich als argumentativer Hebel, um jedwede unliebsa-
me politische Veranstaltung, faktisch „untersagen“ zu können. Alles was es hierzu braucht, ist – wenn nötig über drei Ecken – irgendeinen BDS-Zusammenhang herzustellen.
Beim Münchner Kulturreferat hört sich das so an: „Bei einer Gesamtschau der Veranstaltung ist davon auszugehen, dass bei lebensnaher Betrachtung die Diskussionsveranstaltung nicht ohne eine Befassung mit den Inhalten, Zielen und Themen der BDS-Kampagne auskommt, da insbesondere ein zentrales Ziel der BDS-Kampagne der Abriss der Mauer … ist“.
Der Beschluss des IGH zum Bau der Mauer hat explizit festgesetzt, dass: „Israel is under an Obliga-
tion … to cease forthwith construction of the wall and … to dismantle forthwith the structure there-
in situated.“ Dementsprechend muss letzteres, nämlich der „Abriss der Mauer“ qua juristischer Folgerichtigkeit auch „Ziel“ all derjenigen sein, die den völkerrechtlich verbindlichen Charakter der IGH-Entscheidung anerkennen. Also dem Internationalen Gerichtshof selbst, den Vereinten Natio-
nen, der EU, der BRD, sowie nahezu aller Staaten in der UNO. Wird deren Vertretern in München nun auch das öffentliche Auftreten untersagt? Bekommt Prof. Bruno Simma, der an der juristi-
schen Fakultät der LMU gelehrt hat und der den Beschluss des Internationalen Gerichtshofes mit-
verfasst hat, nun auch ein Auftrittsverbot in München? Schließlich teilt er sich ja die völkerrecht-
liche Einschätzung des Mauerbaus mit der BDS-Kampagne.
Die Argumentation muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Um eine Veranstaltung zu „untersagen“, reicht es zu argumentieren, es könne dort möglicherweise auch über BDS gespro-
chen werden. Das mit dieser Art Argumentation zivilgesellschaftliche Räume systematisch ge-
schlossen werden und sich letztlich nahezu jede beliebige politische Veranstaltung „untersagen“ lässt, sollte uns allen klar sein.
Wir werden uns gegen diese Zumutungen selbstverständlich mit allen juristischen Mitteln zur Wehr setzen und gehen in diesem Kontext, da bereits ein Vertrag zur Nutzung der Räumlichkeiten unterschrieben wurde, auch davon aus, den Film dort planmäßig zeigen zu können.
Die Jüdisch-Palästinensische Dialoggruppe München am 14. März 2019