Materialien 2014

Die Achse des Blöden

Trakat über die Notwendigkeit eines Aufruhrs

Wenn das  Bundesverfassungsgericht demnächst über einen von einer Gruppe gottloser Geister aus dem Süden der Republik organisierten »Zwischenfall« aus dem Jahre 2007 höchstdeutsches Recht spricht, wird dieses Anliegen wahrscheinlich hinter aktuellen Themen wie Schwarzer, Krätz und Hoeness zurückfallen.

Aus unserer Sicht ist das zu erwartende Urteil aber deutlich interessanter und  lehrreicher, als wenn es irgendein größenwahnsinnig gewordener Fußballmanager kleinbürgerlicher Herkunft bei Finanzspekulationen im benachbarten Ausland am deutschen Fiskus vorbei so richtig krachen lässt. 

Also, es geht auf den ersten Blick für viele Zeitgeister nicht wirklich um was Besonderes. Im auch heute noch oft als christlich bezeichneten Abendland darf man halt an Orten mit Schankanlagen an sogenannten »Stillen Tagen» keine Musik hören, weil dies dem »Ernst des Tages« nicht gerecht werden würde. Nun gut, werden sich so einige denken, es gibt schon ein paar Stille Tage, aber mei, so viele sind das auch nicht, und wir müssen ja nicht immer und überall Party machen können … Oder?

Oder was? Nee, wir müssen nicht immer Party machen, aber wir wollen immer und überall Party machen können! Freie Musik und freie Schankanlagen für freie Bürger?
 
Es war einmal zu Jahresanfang 2007 in Oberbayern – es gilt das Bayrische Feiertagsgesetz. Weil sich die Christen für ihre leidensschwere, unlustige Weltanschauung (von der man sich nicht vorstellen kann, dass sich ein denkender Mensch so was freiwillig ans Bein bindet) sogenannte »Stille Tage« für alle ausgedacht haben und diese zur Unterstützung ihrer Mission mit Hilfe der Staatsmacht gesetzlich festschreiben lassen. So sind Menschen anderer Weltanschauung bzw. gerade Menschen ohne eine solche an einer überschaubaren Anzahl von Terminen im Jahr vor-
sorglich an durch Musik unterlegten, sich deutlich zu erkennen gebenden Frohsinnsbekundungen gehindert. Weil nicht sein kann, was nicht sein darf! Das ist uns vom Bund für Geistesfreiheit München (bfg mÜnchen) schon lange ein Dorn im Auge.

Aber hallo, wenn die Jungs und Mädels der Freunde Jesu aus Gründen, die man gar nicht erst nachzuvollziehen sich bemühen sollte, öffentlich Trübsal blasen wollen, dann sollen sie das doch machen, schließlich leben wir in so was wie einem freien Rechtsstaat. Aber so harmlos, wie das aufs erste klingt, ist das gar nicht. Man stelle sich nur vor, da kommen noch weitere Religions-
vertreter dazu, die sich auf diese Besonderheit deutschen Rechts (jawohl deutschen Rechts, nicht nur bayrischen) berufen können, und ihre jeweiligen Gedenktage zu Leisetret- und Bettagen für alle in der Republik gesetzlich festschreiben lassen wollen.

Also gar nicht angehen kann, dass wir Anderen – wurschd welchen Bekenntnisses – uns an solchen Terminen zurückhalten und musiklos bleiben müssen. Und so kam, was letztlich kommen musste. Mit »Dadn Sie eventuell mit mir vögeln?«, einem der großen Momente im Rosenmüller Film »Wer früher stirbt ist länger tot«, schien ein gutes Motto für einer Freigeisterfilm-Nacht am Karfreitag mit anschließendem Schoko-Buffet gefunden zu sein. Die Aufgabenstellung war schon klar: Nie-
mand kommt durch dieses Staatskirchenrecht-Geflecht mit dem Argument, dass man als Gaststät-
ten- oder Disco-Betreiber kommerzielle Einbußen hat. Nö, nur aus sogenannt weltanschaulichen Gründen kann man hier einen Hebel ansetzen und den Marsch durch die juristischen Institutionen angehen. 

Der bfg mÜnchen hat also ganz gezielt nach einer Möglichkeit Ausschau gehalten, im Münchner Party-Einerlei aufzufallen. Weil auch wir wussten, dass es den Christen in der Regel ausreicht, zu verbieten und jederzeit eingreifen zu können, aber dieses Verbot nicht unbedingt durchsetzen zu müssen bei allen ca. 400 musikunterlegten Partys in München an einem solchen hohen Leidens-Feiertag ihres Glaubensbekenntnisses, die ja jedes Jahr an Karfreitag angekündigt sind. Denkbar wäre noch, dass die Christen an solchen Tage gerne auch mal Nicht-Christ sind und fröhlich mit-
singen und –tanzen … wäre jetzt auch nix Neues.

Unsere »Heidenspass-Party« (statt Höllenqualen) mit dem Vögel-Motto wurde mit Nachdruck in den Wahrnehmungsradius des damaligen Pressesprechers des Erzbischöflichen Ordinariats von München und Freising gehoben. Drei Journalisten halfen uns, das Augenmerk des Berufskatho-
liken Wilfried Röhmel, damaliger Pressereferent des Bistums, just auf unsere lustigen Umtriebe zu lenken, in dem sie ihn anriefen, damit er doch auch wirklich in Kenntnis war und was er denn da-
von halte. Röhmel sprang über den Stock, der ihm von der Abendzeitung, dem humanistischen Pressedienst und Radio LoRa München 92,4 auf unsere Anregung hingehalten wurde und schäum-
te öffentlich gegen »die Aufforderung zum Rammeln« an Karfreitag, zunächst erst mal eine ganze Zeitungsseite lang. Und ab da nahm diese Geschichte den von der Vorsitzenden des bfg mÜnchen beabsichtigten weiteren Lauf.

»Jeder muss wissen, wenn er nach Bayern kommt, dass er es mit Bayern zu tun hat.« So der ehe-
malige Ministerpräsident Max Streibl.

Noch ist Röhmels Gott hienieden auf Erden nicht die höchstrichterliche Instanz, die er und viele seiner Weltanschauungsfreunde gerne hätten, dass er wäre. Also wird solch eine schnöde Einrich-
tung wie das Münchner Kreisverwaltungsreferat auf den Plan gerufen. Und der Amtsschimmel lässt sich nicht zwei mal bitten. Umgehend ergeht ein Bescheid an den bfg mÜnchen, dessen Er-
stellung alleine mit 300,00 Euro veranschlagt wird. Und in dem den bfg-lern angedroht wird für den Fall, dass sie am Karfreitag 2007 auch nur eine einzige CD abzuspielen planen an einem Ort mit Schankanlage, sie den höchstmöglichen Strafsatz zu entlohnen hätten, nämlich 10.000,00 Euro.

Mein lieber Schwan … Das alleine hat den Kreisverwaltern nicht gereicht; nachdem man wusste, dass das Spektakel im Oberangertheater in München geplant war, hat man vorsorglich den Be-
treiber direkt persönlich kontaktiert, dass er – solle er tatenlos zusehen, wie auch nur ein einziger Gitarrenverstärker an jenem Tag in sein Theater getragen würde – er seiner Konzession verlustig gehen würde …

Nun, es war von Anfang an klar, dass es dem bfg mÜnchen weniger auf die eine Party ankam, sondern darauf, Betroffenheitsstatus zu erlangen, um auf dem Klageweg gegen das Bayrische Feiertagsgesetz einschreiten zu können. Betroffen von den Auswirkungen eines unsinnigen Ge-
setzes waren wir jetzt schon. Also haben wir am Karfreitag des Jahres 2007 im Oberangerthea-
ter den Rosenmüller-Film »Wer früher stirbt ist länger tot« gezeigt, unser Schoko-Buffet aufgebaut und vor Augen und Ohren ziviler Polizisten (die es sich nicht nehmen lassen durften, vor Ort zu prüfen, ob wir gegen die Auflagen verstoßen) a capella »We shall overcome« gesungen. Zusammen mit dem gut aufgelegten Publikum im komplett ausverkauften Oberangertheater.

Seither wandert unsere Klage gegen dieses Feiertagsgesetz mithilfe der Rechtsanwaltskanzlei Wächtler und Kollegen/RA Heinhold durch alle Instanzen. Klar war, dass wir zunächst in Bayern und sicherlich auch in Leipzig juristisch unterliegen würden. Ziel war Karlsruhe, das Bundesver-
fassungsgericht. Doch noch ist in der Geschichte dieser Republik niemand weiter gekommen, wenn es gilt, die unselige Allianz von Kirche und Staat in Sachen Feiertage – im 21. Jahrhundert – ein wenig ins Wanken zu bringen.

Leute, hört die Signale …

Kurz vor dem diesjährigen Karfreitag, also 7 Jahre danach – ist die Klage des bfg mÜnchen gelistet auf Listenplatz 14 der zu behandelnden Fälle des höchsten deutschen Gerichts, einzusehen auf deren homepage. Ziemlich sicher wird es – laut Auskunft unseres Rechtsanwaltes – noch in diesem Jahr ein Urteil geben. Genauso sicher aber erst nach Karfreitag. Sollten wir eine juristische Nieder-
lage erleiden, geht der Weg weiter zum Europäischen Gerichtshof.

Leider erschließt sich die Notwendigkeit dieses Aufruhrs nicht jedermann. Eigentlich ist alles ganz klar, dass es überhaupt nicht angehen kann, die gesamte Bevölkerung zu zwingen, aus Rücksicht auf ein religiöses Bekenntnis Tage einzurichten, an denen alle Bürger einen »Ernst des Tages« be-
achten müssen, die diesen Ernst gar nicht teilen wollen. Das führt sogar so weit, dass ich als Betrei-
berin einer Kleinkunstbühne in sozusagen meiner eigenen Kneipe an Karfreitag kein Rockkonzert machen darf, auch wenn ich gerne Rock-Musik höre, nicht gläubig bin und niemand zum Betreten des Lokals gezwungen wird (gesetzliche Auflagen selbstverständlich eingehalten). Das ist doch die Höhe! Helft alle mit, dass Bayern lustiger und bunter und freier wird und unterstützt die Verbrei-
tung unseres Anliegens. Sobald sich Entscheidendes tut, erfahrt Ihr es hier.

»Das appeasementhafte Gerede vom Respekt vor religiösen Gefühlen hat nichts mit Toleranz zu tun; es ist Teil der religiösen Propaganda oder schlicht Ausdruck einer Feigheit, die sprichwörtlich geworden ist: Der Klügere gibt nach. Das hat der Dummheit noch immer zum Sieg verholfen.« So Wiglaf Droste in der taz auf dem Höhepunkt des Karikaturenstreits.
 
In diesem Sinne »Heidenspass statt Höllenqualen« an hoffentlich fröhlichen freien, aber nicht un-
bedingt Stillen Tagen!
 
Assunta Tammelleo
18. April 2014


zugeschickt am 23. April 2014

Überraschung

Jahr: 2014
Bereich: Religion