Materialien 2019

Nein zum Nationalismus – Nein zum Europa-Nationalismus

Liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter gegen Nationalismus – in einem Europa für Alle!

Wir vom Münchner Bündnis gegen Krieg und Rassismus haben mit Befremden zur Kenntnis ge-
nommen, dass in dem Aufruf zu der großen Demonstration heute nichts steht zum derzeit gefähr-
lichsten Projekt der Europäischen Union, nämlich zur Militarisierung.

Kein Wort zur geplanten EU-Armee, kein Wort zu der seit langem konzipierten Schnellen Eingreif-
truppe mit immerhin 60.000 Soldat*innen, die binnen 48 Stunden an mindestens zwei verschiede-
nen Orten in der Welt militärisch intervenieren können soll. Kein Wort von der bevorstehenden Stationierung neuer Mittelstreckenraketen in Europa, die das Risiko eines Nuklearkrieges gefähr-
lich erhöhen würde. Und kein Wort zu der verhängnisvollen Aufrüstung gegen – na gegen wen wohl: Natürlich gegen Russland. Das alte Feindbild vom bedrohlichen Osten!

80 Jahre nach dem Beginn des Zweiten Weltkrieges besteht es immer noch fort – und wird wieder sorgsam gepflegt. Dabei hatte die EU sich gegründet mit dem hehren Vorsatz und heiligen Verspre-
chen, dass nie wieder Krieg wüten solle in Europa. Ringsum ja, aber bitte nicht innerhalb Europas. So tönte es in den Sonntagsreden: Nie wieder Krieg in Europa!

Seit dem völkerrechtswidrigen NATO-Krieg gegen Jugoslawien 1999 scheint das vergessen. Plötz-
lich waren’s wieder die Serben, die sterben sollten. Mit der Ost-Erweiterung der NATO und ver-
schärft seit dem faschistischen Maidan-Putsch vom Februar 2014 in Kiew herrscht wieder Kalter Krieg in Europa. Die EU wollte die Ukraine mit Nachdruck und Erpressung assoziieren – mit Europa. Gehört da Russland etwa nicht dazu? Putin hin oder her –, Frieden in Europa geht nicht ohne, und schon gar nicht gegen, sondern nur mit Russland.

Liebe Freunde von Europa: Euer Opa wird das vielleicht noch wissen und in den Knochen stecken haben. Die EU muss aufhören mit der Frontstellung gegen Russland, will sie nicht Gefahr laufen, dass Teile Europas bei einer Zuspitzung des Konflikts zum atomaren Schlachtfeld werden.

Darum: Abrüstung statt Aufrüstung! Europa – atomwaffenfrei!

Stattdessen wird auf der sogenannten Sicherheitskonferenz jedes Jahr das glatte Gegenteil propa-
giert: Rüstung bis zum Anschlag. Wolfgang Ischinger, der Konferenzleiter, vertritt ganz offen eine „Diplomatie mit vorgehaltener Pistole“, eher dem Gebaren einer Räuberbande vergleichbar, die eine Tankstelle überfällt und den armen Tankwart vor die Wahl stellt: „Rücken Sie den Zaster frei-
willig raus oder sollen wir die Kasse aufbrechen?“ – und „Ach ja, die Videoaufzeichnungen hätten wir auch gern gelöscht; würden Sie das eventuell für uns vornehmen oder sollen wir die ganze An-
lage zerstören?“ und „Wir könnten auch die ganze Tankstelle in die Luft sprengen, falls Sie an die-
sem Ort des Grauens künftig nicht mehr arbeiten wollen. Dann wäre es für Sie ein Versicherungs-
fall und kostet Sie quasi gar nichts. Ist das ein Angebot?“ So ungefähr läuft seine Dialogführung aus der Position der Stärke. Früher nannte man das „Kanonenbootpolitik“: Erpressung, Drohung, Einschüchterung! Wie weiland Außenminister Joseph Fischer in Rambouillet gegen Jugoslawien – Knarz! Wie damals Finanzminister Schäuble gegen Griechenland – „Isch over“! Wie kürzlich Außenminister Heiko Maas gegen Venezuela – Rrrmms! „Binnen acht Tagen Neuwahlen!“ Alle-
samt Einmischung in die Inneren Angelegenheiten anderer Länder – absolut völkerrechtswidrig!

Bei all den richtigen und wichtigen Themen und Forderungen in diesem Demonstrations-Aufruf: Das wurde „vergessen“. Es ist aber essenziell. Denn eine waffenstarrende EU als euronationali-
stisches Großmachtprojekt würde alle Hoffnungen auf ein ziviles, solidarisches, demokratisches Europa zunichte machen; schon finanziell, weil dann das Geld für Soziales und Umweltschutz, Gesundheit und Bildung fehlt, aber auch politisch: Man sieht es an PESCO, dem Rüstungsprojekt der „Permanenten Strukturierten Zusammenarbeit“, welches praktisch außerhalb des Parlaments herläuft zur Bildung eines integrativen europäischen Rüstungs-Trusts, der die Produktion des Tötungsinstrumentariums straffen soll. Ein glatter Verstoß gegen die Rechtsstaatlichkeit, gegen die Gewaltenteilung, gegen Artikel 20 Grundgesetz!

Schon heute verfügt die EU über das zweitgrößte Rüstungsbudget der Welt. Das Stichwort hierzu: Ein „Europa der zwei Geschwindigkeiten“, ein „Kern-Europa“, letztlich dann auch ein Kernwaffen-Europa. Unter dem Label der EU-Armee möchte Deutschland am französischen Nuklear-Potenzial teilhaben, und ungehindert von hiesigen Rüstungsexportkontrollen noch mehr Waffen in alle Welt verkaufen. Frankreich gibt bereits mehr Geld für Rüstung aus als Russland.

Daher auch die offizielle Europa-Begeisterung selbst bei der CSU, die vor fünf Jahren noch ausge-
rechnet den korpulenten Posselt lediglich „für ein schlankes Europa“ werben ließ, um die Euro-Skepsis ihrer engherzig beschränkten Wählerschaft zu kitzeln. Heute wirbt sie stramm für ein „starkes Europa“.

Genau das dürfen wir nicht wollen. Supranationale Europa-Begeisterung ist kein taugliches Mittel gegen Nationalismus – und keine erfolgreiche Strategie gegen Rassismus, Antisemitismus und rechtspopulistische Islamhetze. Eine „starke“ neoliberale Union der europäischen Banken und Konzerne, wie wir sie heute haben, bedeutet nur die Fortsetzung der Nationalstaatlichkeit auf höherem Niveau mit noch mehr ökonomischen und militärischen Mitteln. Diese Mittel dienen vornehmlich den dominierenden Volkswirtschaften, vor allem der deutschen – in konkurrierender Kooperation mit dem französischen Kapital.

Was die Menschheit jedoch keinesfalls braucht, ist ein imperialistisches Konkurrenzprojekt zu den USA, welches die Welt das Fürchten lehrt und den Globus beherrschen will, um die Profitmaximie-
rung für transnationale Konzerne zu fördern.

Was wir wollen, was wir brauchen, und worum wir kämpfen und streiten müssen, ist ein solidari-
sches, ein demokratisches, ein soziales und vor allem ein friedliches Europa! Denn ohne Frieden ist alles nichts. Gewiss doch: Nationalismus ist keine Lösung. Aber Euronationalismus eben auch nicht.

(In diesem Sinne haben wir, das Münchner Bündnis gegen Krieg und Rassismus und das Münch-
ner Friedensbündnis
, ein Flugblatt vorbereitet. Wer uns beim Verteilen auf dem Odeonsplatz und während der großen Demo helfen möchte: Gerne! Meldet Euch bei uns – wir stehen hier links neben der Bühne. Danke!)

Wolfgang Blaschka


zugeschickt am 20. Mai 2019

Überraschung

Jahr: 2019
Bereich: Internationales