Materialien 2019
Mehr Schule Schwänzen zum Selbstzweck!
Medien, Lehrer, Schulleiter, Eltern, Politiker … alle diskutieren sie wegen den FridaysForFuture-Demos darüber, ob „diese Kinder und Jugendlichen, die ja gute Gründe zum Demonstrieren ha-
ben“, denn auch berechtigt sind, das während der Schulzeit zu machen.
Die einen sagen ja, es zeigt doch, wie verzweifelt sie über die Zukunft des Planeten und somit ihre eigene sein müssen, wenn sie dafür sogar ihre eigene Bildung und somit Zukunft gefährden. Die anderen sagen nein, die Gründe sind zwar gut, aber sie können ja auch in ihrer Freizeit statt am Freitag Vormittag für die Zukunft demonstrieren, wenn ihnen die so wichtig ist, schließlich verder-
ben sie sich damit ansonsten ihre eigene Bildung und somit Zukunft.
Und wieder andere verdächtigen zumindest einen Teil der demonstrierenden Schüler_innen, ein-
fach nur eine Ausrede zu suchen, um nicht in die Schule zu gehen. Ganz schlimm, dumm und un-
verantwortlich, denn damit verderben sie ja ihre eigene Bildung und Zukunft.
Nicht wahr?
Ehrlich gesagt: ich kann keine der drei Positionen noch ihre Vertreter ausstehen!
Wer sagt eigentlich, dass wir das, was irgendwelche anderen Leute irgendwann in einen Lehrplan geschrieben haben, überhaupt lernen wollen, oder dass es wichtig für uns und „unsere Zukunft“ wäre? Klar ist es praktisch, lesen, schreiben und einpaar wenige von den anderen Sachen zu kön-
nen, die man in der Schule lernt. Manches findet die eine oder der andere vielleicht auch einfach interessant. Aber erstens könnten wir das auch anders lernen (ich persönlich hätte es dann auch lieber lernen wollen), als von (meist) selbstgerechten und autoritären Lehrern, die selber auch nicht frei entscheiden, was zu vermitteln sie wichtig finden, sondern nur die Vorschriften des Bil-
dungsministeriums erfüllen. und zweitens habe zumindest ich das meiste aus den späteren Jahr-
gangsstufen sowieso nach der nächsten Prüfung vergessen und auch nie wieder für was anderes als für die Schule gebraucht.
Das Hauptfach, in dem wir dort alle unterrichtet werden sollen, ist sowieso die Unterwerfung und der Gehorsam gegenüber anderen und die Lektion, dass wir unsere Bedürfnisse nicht oder zumin-
dest nur mit Sondererlaubnis erfüllen dürfen (was schon bei so grundlegenden und banalen Din-
gen wie Pinkeln-gehen anfängt!). Das mögen zwar wichtige Lehren sein für das spätere Leben in dieser Welt, für Zukunft, die sie für uns vorsehen …
Aber auf diese Lehren kann ich gut und gerne an ganz vielen Tagen aus „guten“ oder weniger guten Gründen verzichten. Denn die Grundfrage, die uns niemand gestellt hat, ist doch: Wollen wir diese für uns vorgesehene Zukunft überhaupt? Wollen wir eine Zukunft, die nur daraus besteht, Anwei-
sungen zu empfangen und zu erhalten und in der unsere einzige Hoffnung, für die wir uns abra-
ckern, die ist, in der Befehlskette möglichst weit oben zu stehen?
Was für mich gute Gründe sind, um dem Ort der Vorbereitung auf diese traurige Zukunft fern zu bleiben, hat nebenbei eigentlich auch niemand anderes zu entscheiden als ich selbst. Und jede Minute, die ich nicht im Klassenzimmer verbringe, bringt mir die Möglichkeit, Erfahrungen zu machen, die mir sehr viel mehr geben und „lehren“ können, als der Unterricht, während dem ich sowieso immer nur auf den Gong gewartet habe.
Aus diesen und noch tausend weiteren guten Gründen bin ich für viel mehr Schwänzen zum Selbstzweck. Und dafür, öfter mal darauf zu scheißen, was diejenigen dazu zu sagen haben, die meinen bestimmen zu können, was und welche Zukunft gut für uns ist.
Tormenta. Gegen die Herrschaft über Mensch und Natur Nr. 1, 2f.