Flusslandschaft 2018

Seniorinnen und Senioren

Jedes Jahr lassen sich in Deutschland 800 Menschen von einem Zug überrollen, springen Hunder-
te von Hochhäusern oder Autobahnbrücken, vergiften sich qualvoll, erschießen sich mehr oder weniger erfolgreich oder nehmen eine gehörige Portion Schlaftabletten mit dem Ergebnis, dass ihnen der Magen ausgepumpt wird. Wer Geld hat, reist in die Schweiz oder nach Holland. Manche versterben auf der Reise. Selbstbestimmt Sterben in Würde, in Deutschland unmöglich! – „Horst Lanz hat bei dem Amt inzwischen auch einen Antrag gestellt. ,Sehr geehrte Damen und Herren‘, schrieb er am 22. Juni des letzten Jahres, ,ich beantrage die Erlaubnis zum Erwerb von 15 Gramm Natrium-Pentobarbital.‘ Er schilderte und dokumentierte seine Krankheitsgeschichte, beschrieb das Grauen, das er während des zehnjährigen Siechtums seiner bettlägerigen Großmutter einst erlebt hat, berichtete vom Suizid seiner Ehefrau, die wie er an Krebs erkrankt war: ,Diesen Weg will ich ebenfalls gehen.‘ … Horst Lanz und die anderen, sie stecken derzeit in einer Art bürokra-
tischer Lebendfalle. Alle Wege, die für sie infrage kämen, sind verbaut. Vor einigen Monaten hatte Herr Lanz einen Rückfall, er nahm Schmerzmittel, hatte Halluzinationen, sah Doppelbilder. Er ist seitdem nicht weniger fest entschlossen, die Endphase seiner Krankheit nicht miterleben zu wol-
len. ,Aber im Moment bliebe mir nur der Sprung vom Hochhaus oder vor einen Zug.‘ Das will er seinen Mitmenschen nicht antun. Herr Lanz wird wohl noch eine Weile leben müssen.“1


1 Süddeutsche Zeitung vom 13. Januar 2018. Siehe auch www.dghs.de.