Materialien 2006
Ein Hauch von Faschismus ...
TRANSPORTDIENST-Arbeitsgemeinschaft Augsburg/München, Kontakt: info@transportdienst.de sucht die Öffentlichkeit
Es hatte sich schon lange angedeutet … die Observierung unseres Münchner Lagers während der Aktionen gegen die Sicherheitskonferenz 2006, das Abfangen aller Lautsprecherwägen kurz nach der Ausfahrt vom Lager, die mehr oder weniger offene Observierung von einigen von uns, die oft bemerkbare Überwachung unserer Telefone und Handys.
Am 28.11.2006 war es dann endlich soweit, zeitgleich um 6.30 Uhr bei zahlreichen Menschen in Augsburg und München sowie in unseren Büros/Lagern in München und Augsburg.
Mit der Waffe in der Hand kam erst das schwarzuniformierte USK, eingesetzt wurde ferner Be-
reitschaftspolizei sowie die betreffenden Dezernate der Kriminalpolizei. In einigen Fällen war auch BKA/LKA involviert. An jeder Durchsuchung waren in den meisten Fällen mindestens 30 Polizi-
sten beteiligt.
Die Durchsuchungsbeschlüsse waren zwischen den 8.11. und 10.11. datiert, hier ein Auszug:
„Aufgrund der bisherigen Ermittlungen besteht der Verdacht, dass die Beschuldigten die durch Verfügung des Bundesministers des Inneren vom 6. August 1998 verbotene Nachfolgeorganisation der Devrimci Sol „Devrimci Halk Kurtulus Partisi – Cephesi“ (DHKP-C) zumindest seit Januar 2006 unterstützen und für diese Organisation nicht nur im Bereich Augsburg, sondern teilweise sogar im gesamten süddeutschen Raum tätig sind …
Es ist sicher kein Zufall, dass dann am 8.12. in der Türkei eine großangelegte Aktion gegen die DHKP-C stattfand …, dass die Türkei wie schon oft von der BRD verlangt hat, gegen revolutionär gesinnte Menschen vorzugehen. Die hiesigen Staatsschützer nahmen dann die Gelegenheit beim Schopf z.B. unsere Betriebe endlich durchsuchen zu können, um einzuschüchtern, um abzuschrek-
ken …
Das Vorgehen bei den Durchsuchungen war unterschiedlich, teilweise korrektes Verhalten, teilwei-
se war es nicht möglich Anwälte einzuschalten oder bei der Durchsuchung der Räume anwesend zu sein so wie es in der Strafprozessordnung eigentlich festgelegt ist.
Vor allem in unseren Münchner Lager durchsuchten an die 50 Polizisten mehrere Stellen gleichzei-
tig, wodurch es nicht möglich war Schäden sofort zu dokumentieren.
Bis auf einen Bürobereich und einer Küche sowie einen Aufenthaltsraum haben eine Reihe von Kunden Lagerplätze gemietet. Obwohl diese gekennzeichnet waren, wurde mit der Durchwühlung zahlreicher Lagerungen begonnen. Das \ Verhalten der Polizei war nicht einheitlich, im Augsbur-
ger Lager wurde von der Durchsuchuns der Lagerungen abgesehen.
Was wurde gefunden? Eigentlich nichts … Mitgenommen wurden alle unsere Computer und Han-
dys. In wenigen Fällen wurden Einzelexemplare von türkischen Zeitschriften gefunden, für die es keine Beschlagnahmebeschlüsse gibt, die aber mitgenommen wurden. Auch alle Druckerzeugnisse, die sich mit dem kurdischen Befreiungskampf in der Türkei befassen, wurden mitgenommen, ein Beweis mehr, dass es nicht nur um die DHKP-C ging.
Die Aktion in Augsburg und München war eingebettet in eine bundesweite Aktion … Vier Men-
schen befinden sich noch in Haft.
Um unsere Handys und Computer zu untersuchen, benötigt die Augsburger Kriminalpolizei nach eigenen Angaben vier Monate. In unseren Lagern wurde z.T. nicht unerheblicher Schaden ange-
richtet, geschweige denn von den Aufräumarbeiten. Daten für Buchhaltung, Krankenkassen, Be-
rufsgenossenschaft, Steuererklärung sind erst mal nicht mehr verfügbar. Tourpläne müssen neu ausgearbeitet werden. Die Lahmlegung ist beseitigt, aber unsere Betriebe in Augsburg und Mün-
chen sind immer noch behindert.
Abzuwarten bleibt, wie sich die Justizverhalten wird, werden die Ermittlungen eingestellt, wird Schadenersatz geleistet?
Werden revolutionär gesinnte Menschen wegen ihrer Gesinnung verurteilt?
Oder wird sich die Justiz an objektive Tatsachen halten? Die erkennungsdienstliche Behandlung bei allen von den Durchsuchungen Betroffenen lässt nichts Gutes erwarten …
In Vorwegnahme der Ermittlungsergebnisse brachte z.B. eine Augsburger Zeitung einen Artikel mit der Überschrift „Terrorzentrale Neusäß“, dort wurde eine Privatwohnung durchsucht.
Einige von uns verstehen sich seit Jahrzehnten als Revolutionär/in.
Trotzdem gehen wir in diesem System unserer Arbeit nach. Strafrechtlich kann uns nichts vor-
geworfen werden, aber wir sagen ja, wenn wir gefragt werden, ob wir ein anderes Gesellschafts-
system wollen.
Wir stellen allen linken Strömungen unsere Transportlogistik zur Verfügung, beteiligen uns an sozialen Kämpfen. Soweit wir organisiert sind, beteiligen wir uns auch an Veranstaltungen, z.B. war die Durchführung einer Infoveranstaltung zum immer noch anhalten Todesfasten politischer Gefangener in der Türkei gewiss ein weiterer Anlass, wenn auch nicht die Ursache der Angriffe auf unsere Strukturen.
Was Mut macht, ist die Solidarität, die zu spüren ist, z.B. die Erklärung der Münchner Montags-
demo …, für die wir uns bedanken. Wir unterstützen die Montagsdemos vor allem 2004 mit unseren Fahrzeugen und beteiligten uns selbst immer wieder daran.
Es ist kein Verbrechen, eine andere Gesellschaftsordnung zu wollen und sich dafür einzusetzen.
In der Geschichte hat kein System ewig bestanden. Die Mehrheit der Menschen auf diesem Plane-
ten ist mit den HERRschenden Verhältnissen unzufrieden, an uns liegt es Alternativen aufzuzei-
gen. Alternativen sind nicht nur möglich, sondern nötig. (chl)
Münchner Lokalberichte 26 vom 21. Dezember 2006, 8 f.