Materialien 2019
Rettet das Protonentherapiezentrum
Haltung der Bayerischen Staatsregierung und der beiden Münchener Universitätsklinika zur Schließung des einzigen Protonentherapiezentrums im Herzen Bayerns
Zum Ende dieses Jahres schließt das erste vollklinische Protonen-Bestrahlungszentrum zur Be-
handlung von Krebspatienten in Europa – das Rinecker Proton Therapy Center (RPTC) an der Isar. Die Bayerische Staatsregierung «hat auf die Entscheidung im Insolvenzverfahren allerdings keinen Einfluss. Ebenso wenig ist der Freistaat selbst Träger von Plankrankenhäusern oder Ein-
richtungen zur Protonentherapie. Die beiden Münchener Universitätsklinika haben ihr Interesse an einer medizinischen Zusammenarbeit mit einem Investor bekundet, der die Protonentherapie am Standort München weiterbetreiben würde. Eine eigene Investition durch die Münchener Uni-
versitätsklinika kommt dagegen nicht in Betracht. Ebenso wenig sind andere Fördermöglichkeiten (etwa durch den Bund) ersichtlich».
Und «wie plant die Staatsregierung, in Anbetracht der Schließung des Rinecker Proton Therapy Center in München, Betroffenen in Bayern weiterhin die Möglichkeit zu gewährleisten, eine Pro-
tonentherapie in Anspruch nehmen zu können?»
Auf diese Frage der Abgeordneten Christina Haubrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) vom 11.11. 2019 zum Plenum am 12.11.2019 ist die Bayerische Staatsregierung in ihrer Antwort nicht einge-
gangen.
Stattdessen räumte sie ein «aus ihrer Sicht die Protonentherapie ein durchaus erfolgverspre-
chendes Verfahren zur Krebsbehandlung, weswegen ein Weiterbetrieb des RPTC grundsätzlich begrüßt würde».
Mittlerweile spitzt sich die Lage im RPTC zu, alle Mitarbeiter haben ihre Kündigung erhalten und auf Anordnung der Direktion werden keine neuen Patienten angenommen. Trotz unserer intensi-
ven Bemühungen konnte bis dato ein Direktkontakt mit der Bayerischen Staatsregierung nicht zustande kommen.
Wir, die Initiative zur Erhaltung eines Protonentherapiezentrums im Herzen Bayerns möchten die Öffentlichkeit für diese äußerst wichtige Therapie sensibilisieren.
Die Zahl der behandelten Patienten, spiegelt keinesfalls den tatsächlichen Versorgungsbedarf! Es sind mindestens 3.500 Patienten pro Jahr, die von einer Protonentherapie potentiell profitieren können, im Sinne einer besseren lokalen Tumorkontrolle/-heilung und/oder geringerer Toxizität und besserer Lebensqualität. Es wurden bedauerlicherweise in der Vergangenheit von PD Dr. Hans Rinecker und der damaligen Führungsriege in der Kommunikation und im kollegialen Umgang zur Einbettung des RPTC in die lokale und bayerische Klinikstruktur schwere, zum Teil kaum ent-
schuldbare Fehler begangen. Es war schlichtweg falsch, aus den physikalisch-technischen Strahl-
eigenschaften eine generelle Überlegenheit der Protonentherapie gegenüber der konventionellen Strahlentherapie zu postulieren, da die Protonentherapie sehr empfindlich auf strukturelle Ände-
rungen des durchstrahlten Gewebes reagiert, einen sehr hohen apparativen und planungstechni-
schen Aufwand erfordert und deutlich kostenintensiver ist. Selbst auf dem Gebiet der pädiatri-
schen Radioonkologie, wo die Protonentherapie zunehmend an Stellenwert gewinnt, lassen sich einige Krankheitsbilder auch in Zukunft deutlich effektiver und sicherer mit konventioneller Strahlentherapie behandeln. Es besteht aus unserer Sicht ein dringender Bedarf in Bayern an Versorgungseinrichtungen beider Strahlmodalitäten zur patientenorientierten und effektiven, aber auch gleichzeitig ökonomisch sinnvollen Versorgung. Hierzu existieren Behandlungsverträge unseres Zentrums mit einigen gesetzlichen und privaten Krankenversicherungen. Es besteht ein anerkannter Versorgungsbedarf für spezielle onkologische Krankheitsbilder, insbesondere auch in der Therapie von Kindern.
Ferner, so die aktualisierte DEGRO (Deutsche Gesellschaft für Radioonkologie)-Stellungnahme zur Strahlentherapie mit Protonen in Deutschland, Stand: Juni 2019, gültig bis Juni 2023), besteht «ein besonderes Interesse für den Einschluss in prospektive Studien zur Protonentherapie für fol-
gende Indikationen»:
o Intrakranielle Tumore
o Hirneigene Tumoren im Erwachsenenalter
o Gutartige Tumoren z.B. Meningiome, Hypophysenadenome, Neurinome, Kraniopharyngeome, arterio-venöse Malformationen
o Kopf-Hals-Tumore
o Lokal fortgeschrittene Tumore ohne Fernmetastasen
o Kraniofaziale und Schädelbasistumore (z.B. ACC, Sarkome) o Thorakale Tumore
o Bronchialkarzinome im Stadium I bis IIIB mit kurativem Ansatz
o Pleuramesotheliome
o Ösophaguskarzinome im kurativem Ansatz
o Mammakarzinome, in ausgewählten geometrisch komplexen Situationen
o Mediastinale Lymphome
o Seltene Tumore (z.B. Thymome, Sarkome) bei kurativem Ansatz
o Abdominelle Tumore o Leberzellkarzinome oder cholangiozelluläre Karzinome, bei kurativer Zielsetzung
o Pankreaskarzinom bei kurativem Ansatz
o Retroperitoneale und paraspinale Sarkome
o Beckentumore o Lokal begrenzte Prostatakarzinome (<T3) der intermediären oder Hochrisi-
kogruppe und lokal fortgeschrittene Prostatakarzinome (≥T3, cN0, cM0) im kurativen Ansatz
o Lokal fortgeschrittene gynäkologische Malignome
o Rektumkarzinome, Analkarzinome und Blasenkarzinome im organerhaltenden Konzept
o Tumore der Extremitäten
o Weichteilsarkomen der Extremitäten
o Hochdosierte Wiederbestrahlung unabhängig von der anatomischen Lokalisation
Wir fragen die Bayerische Staatsregierung, die beiden Münchener Universitätsklinika, den Baye-
rischen Landtag, den Münchner Stadtrat und die Krankenkassen:
- Reichen die Kapazitäten der 4 Protonentherapiezentren Deutschlands aus, um diese Patienten in prospektive Studien zu behandeln?
- Welche Alternativen gibt es für die Patienten, die an einer prospektiv-randomisierten Studie nicht teilnehmen möchten?
Es ist für uns schwer zu glauben, dass sich in einer prosperierenden Stadt wie München mit einer Vielzahl von hochangesehenen Wissenschafts- und Technologiestandorten bei nachgewiesenem Bedarf nach Protonenbestrahlungstherapie kein Betriebs- und Entwicklungskonzept hierfür finden lässt, wenn gleichzeitig vor allem im europäischen Ausland immer mehr klinische Protonenbe-
strahlungsanlagen als Investitionen in die Zukunft errichtet.
Wir meinen, dass bundesweit Tausenden von Krebspatienten – vor allem Kindern und Patienten mit kompliziert gelegenen Tumoren − die wirksame und schonende Protonentherapie vorenthalten wird. Der Zustand wird sich in den nächsten Jahren weiter verschärfen, da aufgrund der demogra-
fischen Entwicklung in Deutschland bis 2030 mit einem Anstieg der Krebsneuerkrankungen um mindestens 20% zu rechnen ist.
Wir, die Initiative zur Erhaltung eines Protonentherapiezentrums im Herzen Bayerns mit Erfah-
rung in der Behandlung von hochkomplexen Krebsfällen setzen uns für die Rechte dieser Patienten ein und versichern, dass wir alles tun werden, um den Patientenbetrieb aufrechtzuerhalten. Nicht zuletzt werden wir uns weiterhin dafür engagieren, dass die Protonentherapie in Deutschland die Stellung einnimmt, die ihr gebührt.
Initiative zur Erhaltung eines Protonentherapiezentrums im Herzen Bayerns
V.i.S.d.P. Dr. med. Thanasis Bagatzounis
Kontakt Tel: 0151 / 43264208; E-Mail: protonenbayern@gmail.com
zugeschickt am 28. Dezember 2019