Materialien 2020

Ein Gruß direkt aus der Klinik

Liebe Kolleginnen und Kollegen, 
liebe Freunde,
 
nachdem ich eine Zeit untergetaucht bin, möchte ich mich bei Euch melden und kurz erzählen.

Bei uns herrscht der Ausnahmezustand, wie Ihr Euch sicher vorstellen könnt. Wir Betriebsräte haben uns zum Teil in unsere Klinik-Abteilungen zurückgemeldet und versuchen nun, unsere Dienste zu kombinieren mit der Betriebsratsarbeit. Und auch dort herrscht Ausnahmezustand, es wird sich seitens der Klinikleitung so gut wie an kein Gesetz mehr gehalten.

Nun werden wir ja als die Held*innen der Nation gefeiert und von den Balkonen beklatscht, das ist falsch.
 
Wir sind eigentlich zu Superheld*innen aufgestiegen, denn nur so lässt es sich erklären, dass wir ohne ausreichende Schutzkleidung die Patient*innen betreuen können. Wir sind Superheld*innen, weil wir uns zweiteilen können, nur so lässt es sich erklären, wie demnächst all die vielen Beat-
mungsgeräte bedient werden und vor allem die beatmeten Patient*innen versorgt werden können mit dem wenigen Personal, das am Start ist.

Es wird von uns automatisch erwartet, dass wir jetzt einfach da sind und zu allem bereit sind. Auf Zuruf auf anderen Stationen, in anderen Häusern zu arbeiten – egal ob wir uns da auskennen oder nicht, 12-Stundenschichten fahren (und das unter den erschwerten Bedingungen mit Maske und Schutzanzügen), den Urlaub sperren lassen, nach Hause gehen, wenn gerade mal weniger zu tun ist, aber auf Abruf sofort zu Hause alles liegen und stehen lassen und in die Klinik zu eilen.

Als Wertschätzung für diese Arbeit bekommen wir ab Mittwoch: Das Kantinenessen umsonst. Na danke schön!

Wir haben unseren Humor nicht verloren, es wird weiter viel gelacht und je schlimmer es wird, umso mehr lachen wir. Das ist so und das hält uns.

Aber auch wir machen uns Sorgen – um unsere Gesundheit, unsere Angehörigen, denen wir viel-
leicht die Krankheit nach Hause bringen. Sorgen darum, wie es sein wird, wenn unsere Kliniken volllaufen und wir die Versorgung gar nicht mehr hinbekommen, Ja, und wir haben unendlich Angst vor einer Situation, wie sie in anderen Ländern schon da ist, nämlich dass entschieden wer-
den muss, wer an die Maschine darf und wer mit Opiaten beim Sterben begleitet wird. All das be-
schäftigt uns und quält uns.

Aber wir können und wollen nicht dabei stehen bleiben.

Deswegen wenden wir uns an Euch, sagt es Allen:

Hört endlich auf zu klatschen, sondern hängt Transparente und Schilder für unsere Forderungen aus Euren Fenstern und Balkonen!

Wir fordern:

Erschwerniszulagen für alle Beschäftigten in den Krankenhäusern von mindestens 500 Euro!

Rücknahme aller Privatisierungen im Gesundheitswesen!

Privatisierung ist Raub und Mord!
 
Verbreitet diese Aufforderung und lasst uns München schmücken! Fotografiert Eure Balkone und schickt die Fotos – wir verbreiten Sie unter den Kolleg*innen. Das ist besser als jeder Kuchen, jede Pizza.
 
Mit den besten Grüßen 
Ingrid Greif


zugeschickt am 1. April 2020