Materialien 1979
Berufsverbote. Bedrohung für Gewerkschaften
Eine Dokumentation der Münchner Bürgerinitiative gegen Berufsverbote
Oberstaatsanwalt zur Rechtfertigung eines abweisenden Urteils in Berufsverbotsprozess: „Das gewerkschaftliche Umfeld warnen“
Sieben Jahre Berufsverbot in der Bundesrepublik Deutschland – das sind sieben Jahre Verstoß gegen Grundgesetz und Menschenrechte. Über 4.000 Bürger wurden in dieser Zeit wegen ihrer politischen Gesinnung, Mitgliedschaft in einer legalen Organisation oder wegen ihres aktiven Ein-
satzes für die Grundrechte daran gehindert,ihren Beruf auszuüben oder ihre Berufsausbildung ab-
zuschließen. Über zwei Millionen Bürger wurden vom Verfassungsschutz überprüft. Beamte und Angestellte im öffentlichen Dienst, wie Lehrer, Sozialarbeiter, Postbedienstete und Eisenbahner, die ihre demokratischen Rechte wahrnehmen, werden als „verfassungsfeindlich“ diffamiert. Ähn-
lich geht es Studenten, die sich für ihr politisches Mandat an den Hochschulen einsetzen.
Sieben Jahre Berufsverbot sind auch sieben Jahre Kampf gegen die Berufsverbote, sieben Jahre demokratischer Aktivität, die in hohem Maße auch vom Ausland mitgetragen wird.
In der Bundesrepublik Deutschland hat sich die Initiative „Weg mit den Berufsverboten“ gebildet, deren praktisch-politische Arbeit in den einzelnen Städten und Gemeinden von mehr als 300 Bür-
gerinitiativen getragen wird.
Auch in München wurde bald nach Verabschiedung des „Radikalenerlasses“ eine Bürgerinitiative gegen die Berufsverbote gegründet. Sie setzt sich aus Betroffenen, Vertretern verschiedener Orga-
nisationen und Parteien sowie parteilosen Bürgern zusammen und bemüht sich, einerseits den vom Berufsverbot Betroffenen oder Bedrohten juristische, politische und moralische Unterstüt-
zung zukommen zu lassen, andererseits die Öffentlichkeit im besonderen in München durch geeig-
nete Aktivitäten, wie Solidaritätsveranstaltungen und Demonstrationen, auf das Unrecht der Be-
rufsverbote aufmerksam zu machen. Dabei sind sich die Gegner der Berufsverbote in der Bundes-
republik einig: Ihr Einsatz für die verfassungsmäßig garantierten Rechte der Bürger wird letztlich nur dann erfolgreich sein können, wenn alle demokratischen Kräfte in diesem Land gemeinsam vorgehen, um den „Radikalenerlass“ endgültig zu Fall zu bringen und die vollständige Rehabili-
tierung der vom Berufsverbot Betroffenen durchzusetzen.
Anfang dieses Jahres ist nun von der Bundesregierung für den Bund und als Empfehlung für die Länder der Beschluss gefasst worden, bei der Einstellung von Beschäftigten in den öffentlichen Dienst in Zukunft auf die Regelanfrage beim „Verfassungsschutz“ und auf die Berücksichtigung von „Jugendsünden“ zu verzichten. Dieser Beschluss ist zweifellos auf das Engagement der Bür-
gerinitiativen gegen die Berufsverbote und die solidarische Unterstützung von entsprechenden Komitees in allen westeuropäischen Ländern, sowie verschiedene gewerkschaftliche Aktivitäten zurückzuführen; er hat jedoch nur „kosmetischen“ Charakter und ändert grundsätzlich nichts an der Berufsverbotspraxis. Weiterhin wird die Praxis der Überprüfung der politischen Gesinnung beibehalten, nur wird sie stärker in das Belieben der Behörden gestellt, die nun von sich aus ent-
scheiden können, ob der Bewerber für den öffentlichen Dienst vom „Verfassungsschutz“ überprüft werden soll. Der Regierungsbeschluss unterbindet also die Tätigkeit des „Verfassungsschutzes“ gegen die vom Grundgesetz garantierten Rechte auf politische Willensbildung und freie Meinungs-
äußerung in keiner Weise; demokratische politische Überzeugung wird weiterhin verfolgt. Nach wie vor muss es oberstes Ziel bleiben, dass mit der Politik der Berufsverbote Schluss gemacht wird.
Diesem Ziel soll auch die vorliegende Dokumentation der Münchner Bürgerinitiative gegen Berufs-
verbote dienen. Sie wendet sich in der Hauptsache an die Mitglieder der Gewerkschaften, im be-
sonderen in Bayern.
Mit der Dokumentation soll gezeigt werden, dass in den Ablehnungsbescheiden vielfach Aussagen angegriffen werden, die gerade von gewerkschaftlicher Seite immer wieder als Grundpositionen vertreten und verteidigt werden. In dieser Weise werden nicht nur die politischen Gesinnungen und Aktivitäten der unmittelbaren Berufsverbotsopfer, sondern auch gewerkschaftliche Positionen als „verfassungsfeindlich“ hingestellt.
Noch ein Wort zu der oft merkwürdigen und überraschenden „Beweisführung“ der Gerichte in den Ablehnungsbegründungen: Sie zitieren aus Programmpunkten von Organisationen, denen die Be-
troffenen angehören, oder beziehen sich unmittelbar auf deren persönliche Äußerungen, die die Betroffenen zur Begründung ihrer demokratischen Position gemacht haben. Da nun die „Verfas-
sungsfeindlichkeit“ der DKP ohne weiteres als selbstverständlich unterstellt wird, versuchen die Berufsverbieter, die Positionen auch der Mitglieder anderer Organisationen mit programmatischen Sätzen der DKP in einen Zusammenhang zu bringen. Mit diesem zwielichtigen Verfahren versu-
chen die Behörden und Gerichte die Notwendigkeit zu umgehen, ihre gegen die Grundrechte ver-
stoßenden Behauptungen und Maßnahmen rechtfertigen zu müssen.
Aus der Fülle der Berufsverbotsfälle sind hier einige, zum großen Teil in Bayern angesiedelte Bei-
spiele ausgewählt worden, an denen sich aus der jeweiligen Begründung durch die Behörden die Angriffe der Berufsverbieter auch auf gewerkschaftliche Positionen verdeutlichen lassen.
Bei den von uns ausgewählten Fällen handelt es sich im einzelnen um:
( a ) Ingelore Priesing-Devendran, München, Volksschullehrerin, GEW-Mitglied, 1973 wegen DKP-Mitgliedschaft nicht zum Vorbereitungsdienst zugelassen.
( b ) Inge Bierlein-Graichen, München, 1973 wegen DKP-Mitgliedschaft nicht zum Vorbereitungs-
dienst zugelassen.
( c ) Horst Holzer, München, Wissenschaftlicher Rat und Professor an der Universität München, GEW-Mitglied, 1974 wegen DKP-Mitgliedschaft nicht in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit aufgenommen, in Bremen und in Marburg ab Ordinarius abgelehnt.
( d ) Charlotte Niess-Mache, München, Juristin, SPD-Mitglied, ÖTV-Mitglied, 1975 wurde die Be-
werbung als Richterin wegen Mitgliedschaft in der Vereinigung demokratischer Juristen (VDJ) ab-
gelehnt.
( e ) Gerhard Bitterwolf, Nürnberg, Volksschullehrer, GEW-Mitglied, 1975 erst auf gerichtliche Verfügung zum Vorbereitungsdienst zugelassen, 1978 nach Ausbildungsende wegen SHB- und DFU-Mitgliedschaft noch keine Einstellung als Lehrer.
( f ) Kurt Faller, Emmendingen (Baden-Württemberg), Sonderschullehrer, GEW-Mitglied, 1976 wegen DKP-Mitgliedschaft entlassen.
( g ) Walter Erich Weißmann, Regensburg, Volksschullehrer, GEW-Mitglied, 1977 wegen Mit-
gliedschaft im MSB Spartakus nicht zum Vorbereitungsdienst zugelassen.
( h ) Christian Planer, Bottrop (Nordrheinwestfalen), Gymnasiallehrer, GEW-Mitglied, 1978 wegen DKP- und MSB-Mitgliedschaft nach dem Vorbereitungsdienst nicht als Lehrer zugelassen.
( i ) Peter Schallmoser, München, Volksschullehrer, SPD-Mitglied, GEW-Mitglied, 1978 wegen SHB-Mitgliedschaft nicht zum Vorbereitungsdienst zugelassen.
Lohnerhöhungen und Lohnherabsetzungen „müssten gleichberechtigt sein“
Zur Ablehnungsbegründung der Behörden werden dem Inhalt nach eine Vielzahl von gesellschaft-
lichen Bereichen herangezogen, die sich, gegliedert nach der Bedeutung für die gewerkschaftliche Arbeit, drei Problemfeldern zuordnen lassen:
(1) Zentrale gewerkschaftliche Aktivitäten, z.B. der Kampf um höhere Löhne und um Mitbestim-
mung;
(2) Fragen, die die ökonomische Struktur unserer Gesellschaft und die Bildungspolitik betreffen;
(3) Fragen des Grundgesetzes, die unverzichtbare Positionen des demokratischen Selbstverständ-
nisses beinhalten, wie z.B. die Verteidigung der Grundrechte und das Eintreten für Frieden und Völkerventändigung.
Einer der Kernpunkte der gewerkschaftlichen Arbeit wird angegriffen, wenn das Land Nordrhein-
westfalen in der Berufungsbegründung gegen das Urteil zugunsten des Lehrers Christian Planer schreibt:
„Planer stilisiert … Tarifstreitigkeiten (Streik und Aussperrung in der Druck- und der Metallindu-
strie) zu Streitigkeiten zwischen verschiedenen sozialen Klassen oder Schichten hoch, so dass für ihn Lohnverhandlungen keine Frage des Rechenstiftes mehr sind, für den sowohl Lohnerhöhungen als auch Lohnherabsetzungen gleichberechtigt sein müssten, sondern eine Sache des scheinsozia-
len Engagements für die Klasse der Werktätigen. Es ist kein Abstand mehr zu einer Haltung er-
kennbar, die von einem Lohndiktat der Unternehmer spricht, für die von einem erpresserischen Verhalten der Arbeitnehmerorganisationen jedoch niemals die Rede sein könnte …“
Selbst die Forderung nach Mitbestimmung wird von Behörden und Gerichten in die Nähe der „Verfassungsfeindlichkeit“ gerückt. So zitiert der bayerische Verwaltungsgerichtshof als Begrün-
dung der Ablehnung des VDJ-Mitglieds Charlotte Niess als Richterin u.a. folgende Äußerung ihres Verbands-Kollegen Mertens:
„Hier zeigen sich aber auch Ansatzpunkte und Wegrichtung eines demokratischen Abwehrkampfes gegen die Pläne zur Zerstörung der demokratischen und freiheitlichen Grundprinzipien des Grund-
gesetzes: Das Ringen der Arbeiterbewegung, der Gewerkschaften um Mitbestimmung und demo-
kratische Kontrolle in der Wirtschaft muss zum Siege geführt werden, um der Formierung der Ge-
sellschaft im Dienste der Monopolmacht entgegenzuwirken und bessere Bedingungen für ihre Überwindung überhaupt zu schaffen. Die arbeitende Bevölkerung, die Gewerkschaften, alle Demo-
kraten sollten in diesem Kampf um Mitbestimmung und Kontrolle den Kampf gegen die verfas-
sungswidrigen Pläne weiterer Grundgesetzänderungen einschließen. Sie haben dabei das demokra-
tische Recht auf ihrer Seite …“ (VGH Urteil Seite 31)
Schulstunde auf den Marienplatz. Die Lehrerin Ingelore Priesing-Devendran (mit Mikrofon), vom Berufsverbot betroffen u.a. weil sie „für die Mitbestimmung als Nahziel“ eintritt …, unterrichtet eine Gruppe von Kindern, um der Bevölkerung einen Eindruck von ihrer Eignung als Lehrerin zu geben. Thema der Unterrichtsstunde: Artikel 3 des Grundgesetzes („Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.“)
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Auch im Falle der Lehrerin Ingelore Priesing werden Kerngedanken der Gewerkschaftsbewegung zur Ablehnungsbegründung herangezogen. So hält ihr der bayerische Verwaltungsgerichtshof folgendes vor:
Als Sozialistin trete sie für die Sozialisierung der strukturbestimmenden Produktionsmittel als Fernziel und für die Mitbestimmung als Nahziel ein; diese Ziele möchte sie mit den Mitteln er-
reichen, die unsere Verfassung vorsehe. (VGH-Urteil, Seite 14)
Wie stark die Auffassungen der Gerichte und Behörden den gewerkschaftlichen Positionen widersprechen, zeigen die folgenden Zitate aus dem Grundsatzprogramm des DGB. Sie können, wenn man der Logik der Gerichte folgt, alle als „verfassungsfeindlich“ betrachtet werden.
„Die wirtschaftliche Mitbestimmung der Arbeitnehmer ist eine der Grundlagen einer freiheitlichen und sozialen Gesellschaftsordnung. Sie entspricht dem Wesen des demokratischen und sozialen Rechtsstaates.“
„Das Gemeineigentum in seinen verschiedenen Formen hat in der modernen Industriegesellschaft entscheidende Bedeutung, besonders auch als Lenkungs- und Steuerungsmittel der Wirtschaft. Die Gewerkschaften fordern die Erhaltung und Ausweitung des öffentlichen Besitzes an wirtschaftli-
chen Unternehmen und seine Weiterentwicklung zu einem sinnvollen System öffentlicher und öf-
fentlich gebundener Unternehmen.“
Verdächtig: „Er betätigte sich gewerkschaftlich“
Die Praxis zeigt also, dass gewerkschaftliches Engagement bereits als Angriff auf die Verfassung betrachtet wird. Die Gerichte scheuen sich nicht, offen auszusprechen, dass gewerkschaftlich enga-
gierte Bewerber „verdächtig“ erscheinen. So hält die Regierung von Schwaben dem SPD- und SHB-Mitglied Peter Schallmoser im Ablehnungsbescheid vor:
„Er begann sich im Jahre 1973 studentenpolitisch aktiv zu betätigen, indem er an den Konvents-
wahlen an der Universität München als Kandidat teilnahm; schon damals war er Mitglied des SHB und betätigte sich gewerkschaftlich.“
Oberstaatsanwalt: „Das gewerkschaftliche Umfeld warnen“
So äußerte Herr Oberlandesanwalt Ruland während des Prozesses Erich Weißmann gegen Frei-
staat Bayern in seinem Plädoyer, es müsse durch ein abweisendes Urteil „gerade auch das gewerk-
schaftliche Sympathisantenumfeld gewarnt“ werden. Dieser Vorfall ist durch Zeugenaussagen be-
legt, denen bislang nicht widersprochen wurde.
Über die wirtschaftlichen Forderungen hinaus wurden in den Gewerkschaften auch Vorstellungen über eine bessere gesellschaftliche Ordnung entwickelt. Kritik an der bestehenden Ordnung, die Forderung, gesellschaftliche Mißstände zu beseitigen oder gar Versuche, gesellschaftliche Verände-
rungen einzuleiten, betrachten Gerichte und Behörden als mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. So hält der Bayerische Verwaltungsgerichtshof dem Lehrer Gerhard Schmid vor, er habe „Kritik an der bestehenden Ordnung und entsprechendes Handeln gefordert“. (VHG-Urteil Nr. 175 III 72, Seite 17)
Wer der Ansicht ist, dass es in unserem Staat soziale Gruppen oder Klassen mit entgegengesetzten Interessen gibt, kann nach Meinung des Bayerischen Kultusministeriums nicht Beamter werden. So schrieb das Bayerische Kultusministerium in seinem Ablehnungsbescheid an die Lehrerin Inge Bierlein:
„Sie sind überzeugt, dass eine nach ihrer Meinung ‚echte‘ demokratische Bildungsreform ‚keine über den Klasseninteressen schwebende Gemeinschaftsaufgabe aller gesellschaftlichen Kräfte, kein gemeinsames Anliegen von Arbeiterklasse und Großkapital’ sein kann; der Kampf um die Demo-
kratisierung des Bildungswesens ist nach Ihrer Auffassung vielmehr ‚Klassenkampf‘ und als sol-
cher Sache aller arbeitenden Menschen, insbesondere der Lehrer … Gesetzestreue und Unpartei-
lichkeit können von einem Beamten, der sich im Klassenkampf wähnt, nicht erwartet werden.“
Heinz-Oskar Vetter – als Beamter ungeeignet?
Folgt man der Logik des Kultusministeriums, wäre auch der DGB-Vorsitzende Heinz-Oskar Vetter als Beamter ungeeignet. Auf dem DGB-Kongress 1971 führte er aus:
„… Das oft strapazierte Wort von der pluralistischen Gesellschaft der Bundesrepublik kann nicht über die nach wie vor bestehenden Klassenunterschiede – und gegensätze hinwegtäuschen. Diese ergeben sich vorwiegend aus der privatkapitalistischen Organisation des Produktionsprozesses, die wiederum die Struktur der Gesellschaft bedingt … Aufgabe der Gewerkschaften ist es, die Lage der abhängig Beschäftigten zu verändern. Der Katalog der Ziele erstreckt sich vom Schutz vor Ausbeu-
tung über die Durchsetzung höherer Löhne und Gehälter sowie verbesserter sozialer Sicherheit zur Erringung betrieblicher Gegenmachtpositionen bis zur Demokratisierung von Wirtschaft und Ge-
sellschaft.“ (Protokoll, Seite 253 ff.)
Dem entspricht auch das Programm der Deutschen Postgewerkschaft aus dem Jahre 1974, in dem es heißt:
„Den gesellschafts- und berufspolitischen Forderungen der Arbeitnehmer in der privaten Wirt-
schaft sowie im öffentlichen Dienst steht das Interesse der Unternehmer an größtmöglichem Ge-
winn, Kapitalvermehrung und politischer Macht entgegen.“
Auch die bildungspolitischen Positionen des DGB könnte ein Lehrer, der vom Bayer. Kultusmi-
nisterium angestellt werden will, nicht vertreten: Denn dass Bildungsfragen Klassenfragen sind, davon gehen sowohl führende Gewerkschafter als auch DGB-Beschlüsse aus.
Maria Weber, CDU, stellvertretende Bundesvorsitzende des DGB, auf der Bildungspolitischen Kon-
ferenz des DGB am2.4.1976 in Essen (zit. nach dem offiziellen Manuskript). Frau Weber stellte fest,
„dass Bildungspolitik nie nur ein Tagungsthema für die Arbeiterbewegung war. Sie war und ist zentraler Bestandteil des gewerkschaftlichen Kampfes zur Verbesserung der Lage der Arbeitneh-
mer. Deshalb war sie immer auch eine Frage der Klassenauseinandersetzung oder – wem dies besser gefällt – eine Frage der Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Kräften.“ (S. 2)
Zur Berufsausbildung:
„Hier haben die Unternehmer und ihre Kammern in den entscheidenden Phasen immer wieder ihre Machtposition in der beruflichen Bildung ausgespielt, um jede Reform zu verhindern. Jeder von uns kennt ihr erpresserisches Spiel mit den Ausbildungsplätzen und damit ihren Klassen-
kampf von oben. Hier zeigen sich ganz real und hautnah die Grundzüge eines Unternehmerstaates und nicht die eines Gewerkschaftsstaates.“
Das GEW-Mitglied Klaus von Dohnanyi, damals noch Bundesminister für Bildung und Wissen-
schaft, sagte auf der Bildungskonferenz des DGB im November 1973 u.a.:
„Bildungsfragen sind also Machtfragen, Interessenfragen, Klassenfragen … Der Bundesminister für Bildung und Wissenschaft weiß, dass es bei der Auseinandersetzung um die Demokratisierung un-
seres Bildungswesens um Klasseninteressen geht.,“
In den jugendpolitischen Forderungen des DGB, beschlossen vom 9. ordentlichen Bundeskongress (25. – 30. Juni 1972), heißt es u.a.:
„Die Bildungseinrichtungen verstärken trotz vieler positiver Reformansätze der letzten Jahre die Klassenstruktur der Gesellschaft, indem sie gerade für die meisten Lohnabhängigen nahezu un-
überwindliche Schranken aufrichten … Dem DGB goht es bei der Reform des Bildungswesens nicht darum, die Voraussetzungen für das Funktionieren der kapitalistischen Wirtschaft und damit des Prinzips der Profitmaximierung zu verbessern, sondern um eine Bildungsreform, die den Klassen-
charakter des Bildungssystems aufhebt.“ (Antrag A 295, Protokoll, Seite 236 f.)
Wer den Zusammenhang wirtschaftlicher und politischer Macht, den Einfluss der großen Unter-
nehmen auf die politischen Entscheidungen in der Bundesrepublik deutlich macht und angreift, gibt nach Ansicht von Behörden und Gerichten zu Zweifeln an seiner „Verfassungstreue“ Anlass. So zitiert der Bayer. Verwaltungsgerichtshof in der Begründung für die Ablehnung von Charlotte Niess aus der VDJ-Satzung von 1975:
„Deshalb wendet sie (die VDJ) sich gegen demokratisch nicht kontrollierte Konzentration und Ausübung wirtschaftlicher und politischer Macht …“ (VGH-Urteil, Seite 18)
Ähnlich hält der Verwaltungsgerichtshof Ingelore Priesing folgende Sätze aus dem Programm der DKP vor:
„Alle wesentlichen politischen Entscheidungen und Gesetze werden von den Vertretern der Unter-
nehmerverbände mit den Spitzen der Ministerialbürokratie, der Regierungen und Parlamentsfrak-
tionen im Vorfeld des Parlaments ausgehandelt. Das Großkapital kauft und korrumpiert Politiker, entsendet seine Vertreter in Regierungsämter, finanziert Parteien … Der Staat mit seinen Organen – Verwaltungsbürokratie, Justiz, Polizei, Armee, ‚Verfassungsschutz‘ und andere Geheimdienste – wirkt für die Durchsetzung großkapitalistischer Interessen.“
DGB-Grundsatzprogramm „verfassungsfeindlich“?
Genauso könnte man einem Gewerkschaftsmitglied vorwerfen, dass es sich auf das Grundsatzpro-
gramm des DGB beruft, in dem es u.a. heißt:
4. Verhinderung des Missbrauchs wirtschaftlicher Macht. Eines der charakteristischen Merkmale der modernen Industriegesellschaft ist der fortschreitende Konzentrationsprozess in der Wirt-
schaft, der in den Großunternehmen und Unternehmensgruppen zu einer Machtzusammenballung ungewöhnlichen Ausmaßes führt. Damit wächst die Gefahr des Missbrauchs wirtschaftlicher Macht – zu wirtschaftlichen, aber auch zu politischen Zwecken – ständig. Der demokratische Staat hat die Pflicht, diesen Missbrauch zu verhindern.“
„Verfassungsfeindliches“ äußerte demnach auch der frühere IG Metall-Vorsitzende Otto Brenner, wenn er in dem Zeitschriften-Artikel „Die Arbeitnehmer und die Sozialisierung“ darauf hinweist, dass die Gewerkschaften bei ihrer Forderung nach Überführung bestimmter Industrien in Gemein-
eigentum betonen, „dass in verschiedenen Bereichen der modernen Wirtschaft die Zusammenbal-
lung von Großunternehmen zur Entstehung von Machtgebilden geführt hat, die in der Lage sind, die gesamte Wirtschaft ihren Interessen unterzuordnen und Parteien, Parlamente und Regierun-
gen unter ihren Einfluss zu bringen“. (Otto Brenner: Aus Reden und Aufsätzen, Frankfurt/M. 1972, Seite 37)
Verdächtig: „Gegen demokratisch nicht kontrollierte Konzentration“
Wer dafür eintritt, dass die Arbeitnehmer und ihre Organisationen mehr Einfluss auf die wirt-
schaftlichen und politischen Entscheidungen in unserem Land bekommen, verstößt in den Augen von Behörden und Gerichten gegen den Geist des Grundgesetzes – wie Charlotte Niess, weil sie sich zur Zielsetzung der VDJ bekennt:
„Deshalb wendet sie (die VDJ) sich gegen demokratisch nicht kontrollierte Konzentration und Ausübung wirtschaftlicher und politischer Macht, tritt ein für die gleichberechtigte Mitwirkung aller Bürger bei der Gestaltung von Staat und Gesellschaft und unterstützt die arbeitende Bevölke-
rung und ihre Organisationen in ihrem Bestreben, im wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Le-
ben im Wege demokratischer Willensbildung Kontrolle und Entscheidungsgewalt zu erringen.“ (VGH-Urteil Seite 18 ff.)
Wenn diese Absichtserklärung der VDJ dem Grundgesetz widerspräche, dann wären auch folgende DGB-Positionen mit unserer Verfassung nicht zu vereinbaren:
„Die Gewerkschaften kämpfen um die Ausweitung der Mitbestimmung der Arbeitnehmer. Damit wollen sie eine Umgestaltung von Wirtschaft und Gesellschaft einleiten, die darauf abzielt, alle Bürger an der wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Willensbildung gleichberechtigt teil-
nehmen zu lassen.“
„Der Deutsche Gewerkschaftsbund ruft alle noch abseits stehenden Arbeitnehmer auf, durch ihre Mitarbeit in den Gewerkschaften an der sozialen Ausgestaltung und Festigung der Demokratie und an dem Aufbau einer gerechten Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung mitzuwirken.“
Das kommunalpolitische Programm des DGB, Kreis München, 1977, formuliert denselben Grund-
gedanken:
„Im Entscheidungsbereich der Gemeinden und Städte fallen Beschlüsse, die die Lage der Arbeit-
nehmer wesentlich beeinflussen. In diesem Bereich lassen sich konkrete Voraussetzungen schaf-
fen, Teile unserer Vorstellungen zur Reform der gegenwärtigen Gesellschaftsordnung zu verwirkli-
chen. Indem wir dies tun, müssen wir notgedrungen anderen gesellschaftlichen Gruppen ihre un-
gerechtfertigt bestehenden Vorrechte und Privilegien abbauen.“ (Seite 4)
„Kampf gegen undemokratische Zustände“ – Ablehnungsbegründung
Wer davon ausgeht, dass der gegenwärtige Zustand der Bundesrepublik, die bestehenden gesell-
schaftlichen und politischen Verhältnisse, noch nicht den Anforderungen des Grundgesetzes ent-
sprechen, wird von Behörden und Gerichten der „Verfassungsfeindlichkeit“ verdächtigt. Als Beleg für das „mit dem Grundgesetz unvereinbare Verfassungsverständnis“ Kurt Fallers führt der Ver-
waltungsgerichtshof Baden-Württembergs an, er sähe
„im Grundgesetz den Auftrag, unter Beseitigung der ihm angeblich widersprechenden ,herrschen-
den Machtverhältnisse‘ die soziale Demokratie in die Wirklichkeit umzusetzen.“
Aus der Entlassungsbegründung des Bayerischen Kultusministeriums für Dr. Horst Holzer: Dr. Holzer gab der Progress-Presse-Agentur – PPA-Wochendienst – in der Nr. 28 vom 18.8.1972 ein Interview, in dem er u.a. erklärte:
„Ich gehe davon aus, dass die Prinzipien des Grundgesetzes (vor allen Dingen die Artikel 1 bis 19 und 20 gehören selbstverständlich dazu) den Rahmen abgeben, innerhalb dessen man einen kon-
sequenten Kampf gegen die undemokratischen Zustände innerhalb der Bundesrepublik führen kann. Ich orientiere mich an den demokratischen Prinzipien des Grundgesetzes, weil es nach mei-
ner Ansicht die Prinzipien sind, die den Horizont abgeben, in dem man in der Bundesrepublik versuchen kann, Demokratie herzustellen, die es für mich gegenwärtig hier nicht gibt.“ Der Inter-
viewer fragte sodann: „Und die wir erst einmal verwirklichen müssen?“ Dr. Holzer antwortete: „Genau.“
Dem VDJ-Mitglied Charlotte Niess wird vorgehalten, dass die VDJ den antifaschistischen Gehalt des Grundgesetzes betont (Zitat aus einer Veröffentlichung der VDJ):
„Dabei geht die VDJ davon aus, dass das Grundgesetz und die Landesverfassungen antifaschisti-
sche, antimilitaristische und antimonopolistische Wertentscheidungen enthalten, die der Politik des deutschen Großkapitals entgegengesetzt sind.“ (VGH-Urteil Seite 35)
Aus vielen Gerichtsentscheidungen geht hervor, dass Richter und Behörden die gesellschaftliche Wirklichkeit der Bundesrepublik mit dem Grundgesetz gleichsetzen. Folgende Formulierung im Urteil des VGH im Fall Ingelore Priesing findet sich des öfteren:
„Für die DKP ist die freiheitliche demokratische, rechts- und sozialstaatliche Grundordnung nicht das Gefüge feststehender politischer Prinzipien und elementarer Verfassungsgrundsätze, mithin dem Grundsatz nach Ausdruck der sozialen und politischen Gedankenwelt, die dem gegenwärtig erreichten kulturellen Zustand des deutschen Volkes entspricht. Sie sieht darin vielmehr eine dis-
ponible Basis zur Entwicklung einer neuen Staatsordnung von eigenem Gepräge und Wesensge-
halt.“
Verfassungsfeind, wer sich mit dem „gegenwärtig Erreichten“ nicht abfinden will
Damit stehen diese Berufsverbotsentscheidungen in völligem Gegensatz zum Verfassungsver-
ständnis der Gewerkschaften und anderer demokratischer Organisationen. Heinz-Oskar Vetter auf dem 11. Bundeskongress des DGB 1978:
„(Wir werden) allen Versuchen der Unternehmerverbände und ihrer politischen Verbündeten entgegentreten, das Grundgesetz zu ihrer persönlichen Hausordnung zu degradieren und ihre ordnungspolitischen Vorstellungen als Grundgesetzauftrag hinzustellen … Halten wir fest: Unser Grundgesetz garantiert Menschen- und Grundrechte und schafft einen Rahmen für die demokra-
tische Willensbildung in unserem Staat. Es legt keine verbindliche Wirtschaftsordnung fest … Unser Grundgesetz schützt doch nicht nur das Eigentum. Es erlaubt ausdrücklich die Vergesell-
schaftung des Eigentums.“
Franz Woschech, Mitglied des Geschäftsführenden Bundesvorstandes des DGB, auf dem 10. Ge-
werkschaftsjugendtag der IG Bergbau und Energie am 18./19. September 1970 in Saarbrücken:
„Wenn wir mehr Demokratie wagen wollen, dann sollten wir zunächst feststellen, dass der gesell-
schaftliche Zustand in unserer Bundesrepublik mit Demokratie noch wenig zu tun hat: Wenn eine kleine Minderheit über die Beherrschung der Produktionsmittel praktisch mehr politische Macht ausübt als 80% der Bevölkerung, nämlich die Lohnabhängigen und ihre Familien, dann ist das undemokratisch.“
Heinz-Oskar Vetter auf der DGB-Funktionärskonferenz in Paderborn, 18. – 20.3.1977 (Süddeut-
sche Zeitung, 21.3.77):
„Die Arbeitslosigkeit in der Bundesrepublik verstößt gegen das im Grundgesetz verankerte Prinzip der Sozialstaatlichkeit. In der Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen ist dieses Prinzip sogar durch Artikel 24 Absatz 1 konkretisiert. Die Landesverfassung garantiert jedermann das Recht auf Arbeit. Hier liegt ein eklatanter Widerspruch zwischen Verfassungsrecht und Verfassungswirklich-
keit.“
Richter, denen es bereits gefährlich erscheint, wenn jemand daran zweifelt, dass die Bundesrepu-
blik heute schon die Anforderungen des Grundgesetzes erfüllt, misstrauen erst recht der Forderung nach Verteidigung der demokratischen Rechte. Das VGH-Urteil im Fall Charlotte Niess zitiert aus der VDJ-Satzung:
„Die Vereinigung setzt sich für die Verwirklichung demokratischer, sozial- und rechtsstaatlicher Prinzipien ein. Sie tritt für die Verteidigung und Erweiterung der demokratischen Rechte und Freiheiten ein. Dabei handelt sie aufgrund des historischen Auftrags der Verfassung, den Faschis-
mus zu verhindern und in der Erkenntnis, dass Freiheit nur durch soziale Gerechtigkeit zu ver-
wirklichen ist." (VHG-Urteil, Seite 18)
„Für die Sicherung des Friedens“ – Ablehnungsbegründung
In diesem Zusammenhang wird auch das Engagement gegen Berufsverbote als „verfassungsfeind-
lich“ gewertet.
Ist also der Kampf der Gewerkschaften für die Verwirklichung und Verteidigung des Grundgeset-
zes ein Indiz für die „Verfassungsfeindlichkeit“ des DGB? IG-Metall-Satzung § 2:
„Die IG Metall wehrt und verteidigt die freiheitlich-demokratische Grundordnung sowie die de-
mokratischen Grundrechte. Die Verteidigung dieser Rechte und der Unabhängigkeit sowie Exi-
stenz der Gewerkschaften erfolgt notfalls durch Aufforderung des Vorstandes an die Mitglieder, zu diesem Zweck die Arbeit niederzulegen (Widerstandsrecht gemäß Artikel 20 Absatz 4 GG).“
Aufgaben und Ziele der IG Metall sind insbesondere:
…
3. Demokratisierung der Wirtschaft unter Fernhaltung von neofaschistischen, militaristischen und reaktionären Elementen;
4. Erringung und Sicherung des Mitbestimmungsrechts der Arbeitnehmer im Betrieb und Unter-
nehmen und im gesamtwirtschaftlichen Bereich durch Errichtung von Wirtschafts- und Sozialrä-
ten; Überführung von Schlüsselindustrien und anderen markt- und wirtschaftsbeherrschenden Unternehmungen in Gemeineigentum;
…
Aus § 4 der Satzung der IG Druck und Papier vom 1.1.1978:
„Zweck der Gewerkschaft: Demokratisierung und Sicherung der Demokratie. Bekämpfung von fa-
schistischen, militaristischen und reaktionären Einflüssen und aller sonstiger antidemokratischer Bestrebungen.“
In seinem Grundsatzprogramm erklärt der DGB die Erlangung des Friedens zu einem seiner Ziele:
„Grundlage für den sozialen und kulturellen Fortschritt und die soziale Sicherheit in allen Teilen der Welt ist die Erhaltung des Friedens. Die Bereitstellung von Mitteln für soziale und kulturelle Zwecke darf nicht durch Rüstungsausgaben beeinträchtigt werden. Die Gewerkschaften fordern die Ächtung und das Verbot aller Atomwaffen und aller sonstigen Massenvernichtungsmittel sowie die allgemeine und kontrollierte Abrüstung. Die Beseitigung von Hunger, Armut, Analphabetentum und Unterdrückung in allen Teilen der Welt ist eine wichtige Bedingung für eine stabile Friedens-
ordnung.“
Dem entspricht folgende Passage der VDJ-Satzung:
„Die Vereinigung unterstützt zur Sicherung des Friedens in der Welt die Bestrebungen für eine friedliche Koexistenz zwischen Staaten mit unterschiedlichen gesellschaftlichen Systemen. Sie tritt ein für internationale Verständigung auf der Grundlage nationaler Unabhängigkeit, Selbstbestim-
mung und Gleichberechtigung." (VGH-Urteil Seite 17)
Diese Worte aber erschienen den Richtern des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes gegen unsere Verfassung zu verstoßen. Warum hätten sie sonst diese Passage als Begründung für die Ablehnung von Charlotte Niess herangezogen?
Schlußfolgerungen
In den sieben Jahren der Berufsverbotspraxis sind – wie die vorliegende Dokumentation belegt – in immer stärkerem Maße demokratische Überzeugungen, Errungenschaften und Forderungen, die auch vom DGB und seinen Einzelgewerkschaften vertreten werden, in den Bannstrahl bun-
desdeutscher Behörden geraten. Damit erweist sich die Tätigkeit der Berufsverbieter als ein Angriff auf politische und soziale Rechte der Bürger, letztlich als ein Angriff auf die Verfassung, der sich historisch einordnen lässt in die lange und bittere deutsche Tradition, die vermeintlichen Gefahren von links an die Wand zu malen und so der äußersten Rechten den Weg an die Macht zu ebnen.
Der Angriff auf gewerkschaftliche Positionen ist unübersehbar, nicht nur im Zusammenhang mit den Berufsverboten. Die Unternehmerverbände versuchten mit ihrer Klage vor dem Bundesver-
fassungsgericht die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Betrieben für verfassungswidrig er-
klären zu lassen; die CSU zetert gegen die Einheitsgewerkschaft. Wohin wird die Kampagne von rechts noch führen?
Indessen ist schon lange auch in den Gewerkschaften diese Entwicklung erkannt worden. So haben sowohl der DGB auf dem letzten Bundeskongress als auch verschiedene Einzelgewerkschaften auf ihren Gewerkschaftstagen die Auswirkungen des „Radikalenerlasses“ ausgiebig erörtert, die Atmo-
sphäre der Gesinnungsschnüffelei verurteilt und alle Mitglieder dazu aufgefordert, dem Abbau de-
mokratischer Rechte wirksam entgegenzutreten.
Auf der zentralen Demonstration gegen die Berufsverbote am 31. März 1979 in Bonn, an der sich 35.000 Demonstranten, darunter auch Abordnungen von Komitees aus Frankreich, Belgien, Lu-
xemburg, den Niederlanden, Dänemark und Großbritannien beteiligten, drückte der Nationalsek-
retär der französischen Gewerkschaft CGT und Mitglied der Sozialistischen Partei Frankreichs, Gerard Gaume, die Sorgen der Demokraten Westeuropas über die Entwicklung in der Bundes-
republik aus, indem er ausführte: „Entweder wir gehen in Richtung von immer mehr Demokratie und Freiheit, oder aber die konservativen Kräfte können weiter die Berufsverbote ausüben auf all jene, die nicht ihre Meinung teilen, sowie die gewerkschaftlichen und demokratischen Freiheiten je nach Belieben einschränken.“
Es kommt heute in unserem Land mehr denn je darauf an, dass die demokratischen Kräfte ge-
meinsam der Berufsverbotspraxis und damit der verfassungswidrigen Tätigkeit der Reaktion Einhalt gebieten.
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Herausgeber: Münchner Bürgerinitiative gegen Berufsverbote. Sprecherin: Claudia Eisinger-Schmidt (verantwortlich), Hardenbergstraße 24 , 8000 München 50. Eigendruck im Selbstverlag. Spenden erbeten auf Postscheckkonto München 33550/803 H.-E. Schmitt-Lermann, Sonderkonto: Solidarität gegen Berufsverbote.
Flugblattsammlung, Archiv der Münchner Arbeiterbewegung