Flusslandschaft 2020
Schwule/Lesben
Am Samstag, 11. Juli, machen zum CSD unter dem Motto „Gegen Hass. Bunt, gemeinsam, stark!“ kleine, dezentral auftretende Gruppen der LGBTI-Community die Innenstadt unsicher. Ihre vier-
zehn Forderungen lauten: „Gleiches Recht für alle! Wir wollen keine Sonderbehandlung, wir for-
dern gleiche Rechte und Akzeptanz. Lesben, Schwule, bisexuelle, trans* und inter* Menschen sind in ihrer Vielfalt eine Bereicherung für die Gesellschaft. Wir tragen als Community und Individuen unseren Teil zum Leben der anderen bei wie alle anderen auch. – Artikel 3 +! Wir fordern einen umfassenden Antidiskriminierungsschutz. Es gibt zwar das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, aber der Schutz vor Diskriminierung aufgrund von sexueller Orientierung und Geschlechtsidentität genießt keinen Verfassungsrang. Im Katalog der Diskriminierungsverbote in Artikel 3, Absatz 3 des Grundgesetzes finden beide Charakteristika keine Erwähnung. Das muss sich ändern. – Stoppt den Hass! Der Staat muss Hassverbrechen konsequent verfolgen. In den Ausführungen zur Hasskrimi-
nalität, die seit 2015 im Strafgesetzbuch stehen, sollten ausdrücklich auch LGBTI*-feindliche Moti-
ve benannt werden. Außer in den Stadtstaaten Berlin und Hamburg ignoriert die Polizei bundes-
weit bislang dezidiert homo-, bi-, trans*- und inter*-phobe Beweggründe. Hassverbrechen müssen als solche erfasst werden und in den Statistiken der Behörden aller Länder auftauchen. – Trans*-Rechte jetzt! Wir brauchen keine Reform des Transsexuellengesetzes, es gehört abgeschafft und durch ein neues Gesetz zur geschlechtlichen Selbstbestimmung ersetzt. Wer trans* ist, muss Na-
men und Personenstand selbstbestimmt ändern dürfen, wie das in vielen Ländern der Welt mög-
lich ist. Selbstbestimmung muss allen Menschen zugestanden werden. Unsere Vorstellung ist: Mensch stellt einen Antrag, geht zum Standesamt und trägt sein Geschlecht ein, das ist alles. Wir wollen dafür eine Regelung, die die Betroffenen unterstützt und schützt, eine Personenstandsän-
derung ohne Gutachten, ärztliche Atteste oder gar Gerichtsverfahren. Auch die medizinischen, ge-
schlechtsangleichenden Leistungen müssen verbessert werden. Bei der Ausbildung des Fachper-
sonals sollte dazu mehr vermittelt werden. Der Medizinische Dienst der Krankenkassen und die Krankenkassen selbst müssen darüber hinaus endlich die neuen S3-Behandlungs-Leitlinien ak-
zeptieren und umsetzen. Sie erleichtern trans* Menschen vieles. – Inter* entscheiden selbst! Wir kämpfen für Selbstbestimmung. Die Einführung des dritten Geschlechts war ein großer Erfolg. Auch hier aber sollten die Betroffenen selber entscheiden: Wir fordern die Anerkennung einer Inter*-Definition, die in Zusammenarbeit mit Selbstorganisationen entsteht und nicht von oben verordnet wird durch vermeintlich medizinische Normen. Die Pflicht, ein Gutachten einzuholen, bevor eine Änderung des Personenstands (“Divers”) möglich ist, lehnen wir ab. Und wir setzen uns dafür ein, dass Operationen verboten werden, die ohne Zustimmung der Betroffenen durchgeführt werden. – Schule machen! Akzeptanz und Respekt in der Bildung. Aufklärung über die Vielfalt an Orientierungen, Identitäten und Lebensweisen, die Geschichte von LGBTI*, ihr Beitrag zu unserer Gesellschaft müssen Bestandteil eines jeden Lehrauftrags sein. Wir wünschen uns, dass entspre-
chende Aktionspläne im Bildungswesen der Länder eine wichtige Rolle spielen. – Gleiche Rechte für Regenbogenfamilien! Wir fordern ein modernes Abstammungsrecht. Unsere Kinder brauchen die automatische, gemeinsame, rechtliche Elternschaft ab Geburt für verheiratete Mütter, außer-
dem die bereits vor Geburt mögliche Mutterschaftsanerkennung für unverheiratete Paare. Denn Regenbogenfamilien sind Ursprungsfamilien! Die Stiefkindadoption darf nicht länger der Weg zur Elternanerkennung für lesbische Paare sein. trans* Eltern darf die Erziehungsfähigkeit nicht mehr aberkannt werden. Bei Geburt eines Kindes muss der Personenstand und Name des Elternteils – nicht der des abgelegten Namens – in die Geburtsurkunde des Kindes eingetragen werden. Auch Familien mit mehr als zwei Elternteilen müssen rechtlich abgesichert werden. – Alter ist bunt! Alte LGBTI*-Menschen haben andere Bedürfnisse und Lust aufs Leben. Wir fordern erstens: Die Be-
sonderheit ihrer Biografie muss Berücksichtigung finden. So sind zum Beispiel konkrete Begeg-
nungsmöglichkeiten, adäquate Wohnformen, vom Staat finanzierte Wohnmöglichkeiten umzuset-
zen. Zweitens: Achtungsvolle Begleitung, Betreuung und Pflege in diskriminierungsfreier Umge-
bung. Und drittens: Aktives Einbinden inklusive Stimmbeteiligung in politischen Interessensver-
tretungen von älteren LGBTI* sind zu gewährleisten. – Erinnert Euch! Die Geschichte ist die Basis für das Heute und deshalb bedeutsam. Wir fordern Unterstützung für konkrete Maßnahmen, die den Dialog zwischen den Generationen, die Begegnung ermöglichen. Dazu gehört eine lebendige Erinnerungskultur mit Erinnerungsorten, Wegmarken und Denkmälern für die queere Community sowie LGBTI*-Archive inklusive Finanzierung. Hier in der Stadt: Wir wollen zum Beispiel ein Zeit-
zeug*innenprojekt angehen und die geplante Ausstellung zur Geschichte von LGBTI* umsetzen. Aber auch darüber hinaus: Wir wünschen uns, dass der Staat Gender-Studien und Forschung zu LGBTI* mit trägt und sich traditionelle Museen für Queering Memory öffnen. – Solidarität! Wir unterstützen uns gegenseitig, stehen füreinander ein. In Zeiten wachsender Anfeindungen von Rechts, von ultra-konservativen und religiös-motivierten Gruppen, ja aus der Mitte der Gesell-
schaft, muss die LGBTI*-Community zusammenhalten. Wir feiern die Vielfalt unserer Gemein-
schaft in all ihren Ausprägungen. Es geht um Lust am Anderssein und Ausdruck, ohne Stigma, ohne Scham! Gemeinsam können wir mehr bewegen. – Liebt grenzenlos! Wir plädieren für in-
ternationale Solidarität mit LGBTI* weltweit, denen Gefahr für Freiheit, Leib und Leben droht. München engagiert sich seit vielen Jahren für Menschen mit Migrationshintergrund und Geflüch-
tete, die sich der LGBTI*-Community angehörig fühlen. Auch pflegen wir freundschaftliche Be-
ziehungen mit unserer Partnerstadt Kyjiw. Das Meiste geschieht ehrenamtlich in den hiesigen LGBTI*-Organisationen, -Vereinen und -Gruppen. Helft mit, Menschenrechte für LGBTI* in aller Welt zu verbessern. – Bleiberecht für Geflüchtete! Verfolgte LGBTI* haben ein Recht auf Asyl. In 70 Ländern der Welt ist Homosexualität illegal und steht unter Strafe, in zwölf Ländern droht die Todesstrafe. Deutschland gewährt Asyl für Menschen, die in ihren Herkunftsländern aufgrund ihrer sexuellen Orientierung und/oder Geschlechtsidentität bedroht sind, in der Praxis wird den Betroffenen dieses Recht mit fadenscheinigen Argumenten aber nur allzu oft verwehrt. Damit muss Schluss sein! Darüber hinaus plädieren wir für einen sofortigen Stopp von Abschiebungen aller Geflüchteter. – Ankerzentren dicht machen! Wir fordern ein gerechtes und individuelles Asylverfahren. Denn Ankerzentren verhindern in ihrer Struktur genau das. Die Bedingungen zur Unterbringung von Geflüchteten sind menschenunwürdig. Ehrenamtlichen wird der Zugang ver-wehrt und es gibt so kaum Möglichkeiten, Betroffenen beizustehen. Diese Zustände schädigen alle Menschen dort, LGBTI*-Geflüchtete werden durch die Isolation und fehlende Unterstützung je-doch besonders getroffen. Wir fordern als ersten Schritt, alle ehrenamtlichen Helfer*innen in die Zentren zu lassen und den Geflüchteten die Hilfe zukommen zu lassen, die sie brauchen und ver-dienen. – Schließt euch an! LGBTI* müssen sichtbarer werden. Der CSD versteht sich als Platt-form für die Münchner und die Szene aus ganz Bayern, nicht nur während der Events im Juli. Wir bieten übers Jahr hinweg vielfältige Möglichkeiten, sich zu engagieren und zu zeigen. Macht mit! Denn Aktivismus schafft Sichtbarkeit und Sichtbarkeit von LGBTI* verändert die Haltung der Menschen: Sie akzeptieren, wie bunt die Gesellschaft um sie herum ist.“1
1 Siehe https://www.csdmuenchen.de/feiern.html?aid=2#demospots.