Materialien 2020
Aufstehen für Kultur
München kann doch buhen
Auf der Kundgebung am 24. Oktober auf dem Münchner Königsplatz ging es um nicht weniger als die pure Existenz, die Existenz von Künstler*innen und Freischaffenden in der Kreativwirtschaft. Im Gegensatz zu vielen anderen Branchen ist die Stimme der Lobby für diese Menschen sehr leise.
Die ansonsten sehr männerlastige Veranstaltung wurde von der Musikerin Veronika Stross initiiert und eröffnet. Moderator der Kundgebung „Aufstehen für Kultur“ war der lustige Musikant Roland Hefter. Die Berufsbezeichnungen für die Menschen in der Kulturbranche kannte er nur in der männlichen Form. Das Publikum auf dem Königsplatz wurde zu gutem Benehmen gegenüber den anwesenden Herren aus der Politik aufgefordert. Für die Polizei wurde ein Extra-Applaus eingefor-
dert.
Die Redebeiträge wurden immer wieder von kulturellen Darbietungen aufgelockert. Geredet haben u.a. der langjährige Kultusminister unter Franz-Josef Strauß Hans Maier, der frühere Bundeskul-
tur-Staatsminister Julian Nida-Rümelin sowie der alte und der neue bayerische Kunst-/Kultur-Mi-
nister Wolfgang Heubisch und Bernd Sibler.
Was erst eine Veranstaltung in apathischer und erschrockener Stimmung zu sein schien, bekam beim Auftritt von Bernd Sibler Schwung, aber voller Wut. Die Kundgebungsteilnehmer*innen klatschten nun nicht mehr nach jedem zweiten Satz. Sie buhten. Manche sogar mehrmals. Der Bayerische Staatsminister für Wissenschaft und Kunst Sibler beschimpfte das „Drecksvirus“ und erzählte den „sehr geehrten Damen und Herren“ wie sehr ihn die aktuellen Um- und Zustände schmerzten.
Aber auch Menschen aus der kulturellen Praxis kamen zu Wort. So forderte der Cellist Michael Rupprecht den Verkauf von Geistertickets für die leer zu lassenden Plätze in Musiksälen und Theatern. Der Staat solle sie kaufen.
Videobotschaften kamen von Gerhard Polt und Konstantin Wecker.
Die Ängste der Menschen in der Kultur- und Veranstaltungsbranche sitzen tief. Die Autobauer*in-
nen und die Luftfahrtindustrie werden unterstützt. Doch Artikel 3 der bayerischen Verfassung scheint außer Kraft gesetzt zu sein: Ist Bayern noch ein Kulturstaat? Der aus den USA stammende Schauspieler und Sänger Ron Williams berichtete in seinem Redebeitrag, dass sich der 33jährige Trompeter Steffen Mathes in seiner großen Verzweiflung das Leben genommen habe.
Minister Sibler zeigte sich wortreich verärgert über das Tempo und die Inhalte der aktuellen Kul-
turpolitik. Und in Richtung Markus Söders ging sein Wunsch, aus Bayern doch wieder einen Kulturstaat zu machen.
Veronika Stross, Bratschistin und Organisatorin der Demonstration „Aufstehen für Kultur“: https://www.br.de/mediathek/podcast/aktuelle-interviews/veronika-stross-bratschistin-und-organisatorin-der-demonstration-aufstehen-fuer-kultur/1808237
Videos zur Kundgebung „Aufstehen für Kultur“: https://www.youtube.com/results?search_query=%E2%80%9EAufstehen+f%C3%BCr+Kultur%E2%80%9C
Fotos und Text: Henriette Blümke