Materialien 1987

Korea-Olympia-Kampagne Seoul ‘88

Polizei und Schlägertrupps schlagen Arbeiterinnen zusammen. Ist das das Demokratie-Verständ-
nis der Regierung Süd-Koreas ein Jahr vor den Olympischen Spielen in Seoul? Ist das das soziale Arbeitsklima, das die Fa. Adler propagiert?

WIR FORDERN VON DER FIRMA ADLER:

– Wiedereinstellung der entlassenen Arbeiterinnen

– gerechte Löhne und pünktliche Auszahlung

– Entlassung des Chef-Managers Ziemlich in Iri/Süd-Korea

Zum Hintergrund:

Die Firma Adler wurde 1959 als „Adler Mäntel KC“ in Engen im Kreis Konstanz gegründet. Sie um-
fasst gegenwärtig sechs Produktionsbetriebe in Europa sowie zwei Tochterfirmen im außereuropäi-
schen Ausland, die 1978 in Südkorea und 1983 in Sri Lanka errichtet wurden. Die vor acht Jahren in der südkoreanischen Stadt Iri gegründete „Flair Fashion Co.“ war somit die erste Produktions-
stätte der Adler KG im außereuropäischen Ausland. 1.300 meist weibliche Arbeiter im Alter von 18 bis 25 Jahren produzierten dort etwa 1,6 Millionen Mäntel, Kleider, Blusen. Anzüge, Hosen und Röcke im Jahr für die Adler-Modezentralen.

Wie viele andere Firmen profitiert auch die deutsche Adler KG in Korea von einem seit 1970 exi-
stierenden, vorteilhaften Sondergesetz für ausländisches lnvestitionskapital, das koreanische Mäd-
chen zum Spielzeug fremder Industrieller herabwürdigt. Die Vergewaltigungen weiblicher Arbeiter in der Masan-Freihandelszone in den 70er Jahren sind noch in unrühmlicher Erinnerung.

Da die Flair Fashion ein hundertprozentig von Ausländern geleitetes Unternehmen ist, sind im Vergleich zu anderen Firmen derselben Branche die Löhne etwas höher. Aber dennoch liegen sie weit unter 170.000 Won (ca. 450 DM), die als Mindestlohn vom regierungstreuen Bund der korea-
nischen Gewerkschaften gefordert werden,

Außerdem werden täglich im Durchschnitt ein bis zwei Überstunden erzwungen. Die Raffinessen der von den deutschen Managern betriebenen Ausbeutung belegen eine reihe unmenschlicher Maßnahmen, denen größtenteils Koreanerinnen unterliegen. So erhalten Praktikanten in den er-
sten drei Monaten ihrer Beschäftigung nur 60.000 Won monatlich ausgezahlt. Nach dieser drei-
monatigen Probezeit finden Intelligenz- und Eignungsprüfungen statt, deren Nichtbestehen bei den Beschäftigten oft große Minderwertigkeitskomplexe zur Folge hat.

Am Arbeitsplatz wird außerdem eine kontinuierliche Zeitmessung praktiziert, um unter Ausnut-
zung der Konzentrationsfähigkeit bis zur völligen physischen und psychischen Erschöpfung die Produktionsquote rücksichtslos zu steigern. Jeder Abteilung des Betriebes ist ein deutscher Leiter zugeteilt, der bei der kleinsten Widersetzung ein Disziplinarverfahren einleitet. Äußerst fatal ist, dass die Verantwortung für die Unfälle in der Regel auf einzelne koreanische Arbeiter abgewälzt wird. Insbesondere in der Anzugsherstellung herrscht wegen der komplizierten und guten Auf-
tragslage ein Dauerstress, der bis zum erzwungenen Verzicht auf die Mittagspause gehen kann. Zum Feierabend müssen sich die Beschäftigten zudem peinlich genauen Leibesvisitationen unter-
werfen.

Die deutschen Leiter reden in herablassender und verletzender Weise mit ihren Untergebenen. Gesetzlich zustehende freie Tage werden unter Vorwänden immer wieder vorenthalten. Es ist nichts Neues, dass sich die deutschen Leiter bei Flair Fashion koreanische Nebenfrauen auf Zeit halten. Wenn ihnen eine Arbeiterin besonders gefällt, muss sie die Wünsche des deutschen Leiters erfüllen. Wenn nicht, muss sie mit der Versetzung auf einen schlechten Arbeitsplatz oder gar der Entlassung rechnen. Vorarbeiterin oder Schichtleiterin können die Frauen nur über besondere sexuelle Beziehungen zu den deutschen Abteilungsleitern werden.

Um sich besser gegen die empörenden Machenschaften des deutschen Managements wehren zu können, ließen sich im Februar bewusste Arbeiterinnen als Kandidatinnen für die Gewerkschafts-
wahlen aufstellen. Die Hoffnungen auf ein besseres Funktionieren der Gewerkschaft und eine we-
sentliche Verbesserung der Arbeitsbedingungen wurden jedoch enttäuscht. Das Unternehmen wollte nur eine der Firma hörige Gewerkschaft akzeptieren und verschob eine Belegschaftsvoll-
versammlung sowie Neuwahlen auf unbestimmte Zeit.

Durch die Veröffentlichung dieser Fakten über die koreanische Tochterfirma der deutschen Adler KG, Flair Fashion, in der Bundesrepublik Deutschland hoffen die Arbeiterinnen aus der Stadt Iri auf unsere „schwesterliche Hilfe“. Wer ihnen seine Solidarität erweisen will, wende sich an

V.i.S.d.P.: B. Inderst, Treffauerstr. 42, München 70, E.i.S.


Flugblattsammlung, Archiv der Münchner Arbeiterbewegung

Überraschung

Jahr: 1987
Bereich: Internationales