Materialien 1978

CSU im Abseits

Der Skandal an der Bundeswehr-Hochschule München vom letzten Februar – Jungoffiziere veran-
stalteten eine symbolische „Judenverbrennung“ ist noch gut in Erinnerung. Dies war wohl der Hauptgrund, eine Woche lang, vom 23. bis 30. Juni, die ABV-Ausstellung „Widerstand und Verfol-
gung in Bayern 1933 – 1945“ auf dem Gelände dieser umstrittenen Wissenschaftseinrichtung zu zeigen. Ein sehr nobel gestalteter Gebäudekomplex übrigens, mit üppigen Grünanlagen dazwi-
schen, bezahlt mit unseren Steuergeldern. Von der Überflüssigkeit eigener Bundeswehr-„Elite“- Hochschulen – wie gut könnten die großzügig angelegten Räumlichkeiten für den normalen stets überfüllten Universitätsbetrieb genutzt werden – soll in diesem Zusammenhang nicht die Rede sein.

Vielmehr von den Reaktionen der Hochschulangehörigen auf die Ausstellung und die abschließen-
de Podiumsdiskussion, an der neben Xaver Senft (DGB), Doris Maase (Lagergemeinschaft Ravens-
brück) und Carola Karg für die ABV Vertreter der drei Landtagsparteien, der Israelitischen Kultus-
gemeinde, des Instituts für Zeitgeschichte, der „Forschungsgemeinschaft 20. Juli“ der Bundes-
wehrhochschule sowie der bayerische Altministerpräsident Professor Wilhelm Hoegner teilnah-
men.

Bei der Ausstellung erwies sich, dass auch bei den Bundeswehrstudenten so gut wie jede Kenntnis über das NS-Reich und über Widerstand und Verfolgung fehlt. Positiv muss jedoch hervorgehoben werden, dass viele der Studenten gewillt sind, hier etwas dazuzulernen. Das beweisen die Eintra-
gungen im Gästebuch der Ausstellung und der Literaturverkauf. Dennoch scheinen diese Studen-
ten prozentual in der Minderheit zu sein. Zur abendlichen Podiumsdiskussion erschienen von rund 8oo Studierenden knappe 30. Diese allerdings, auch das sei gesagt, zeigten in ihren Diskussions-
beiträgen und Beifallskundgebungen eine ausgeprägt demokratische Gesinnung. Ob das aber auch die Gesinnung der Mehrheit ihrer Kommilitonen ist, blieb leider ungeklärt.

Für Peinlichkeiten bei der Diskussion jedenfalls sorgten nicht die Studenten, sondern die CSU-Vertreter Dr. Richard Hundhammer und Hans Stützle. Empörung gab es auf dem Podium und im Saal, als Hundhammer den bayerischen Neubürger Otto von Habsburg verteidigte, der erst kürz-
lich offen die Errichtung einer Diktatur gefordert hatte. Hundhammer: „Sie werden doch Otto von Habsburg nicht abstreiten können, dass er Demokrat ist.“

Die CSU-Vertreter benutzten das ihnen zur Verfügung gestellte Forum, um gegen fortschrittliche Kräfte zu hetzen, die Berufsverbote zu verteidigen und die Gefahren des Rechtsradikalismus he-
runterzuspielen.

Mit solchen Ausführungen – Hundhammer schreckte nicht einmal davor zurück, den Landesvor-
sitzenden der VVN, Alfred Haag, persönlich zu beleidigen – stellten sich die Vertreter der Strauß-Partei jedoch selbst ins Abseits, wie die Missfallensäußerungen der Zuhörer bewiesen. Insgesamt bleibt festzuhalten: Es war, auch wenn die Parteienvertreter manchmal mehr Wahlwerbung betrie-
ben als inhaltlich zu argumentieren, eine fundierte Diskussion, bei der antifaschistische Alternati-
ven aufgezeigt wurden. Bleibt zu hoffen, dass solchen Informationen in Zukunft verstärkt jungen Bundeswehroffizieren zugänglich gemacht werden.

Ernst Antoni


VVNBund der Antifaschisten. München – Antifaschistische Information vom Juli 1978, 5 f.

Überraschung

Jahr: 1978
Bereich: Bundeswehr