Materialien 1976

Ehrengerichtsverfahren

Rechtsanwalt Wolfgang BENDLER, München

Am 13.7.1976 wurde Rechtsanwalt Wolfgang Bendler von der 4. Kammer des Ehrengerichts München von dem Vorwurf, seine anwaltlichen Pflichten verletzt zu haben, freigesprochen.

Die Staatsanwaltschaft hatte Bendler vorgeworfen, er habe in einer „Routhier-Sache“ dem zu-
ständigen Richter gesagt, ein Parallelverfahren und ähnlich gelagerte Fälle seien bereits nach § 154 e Abs. 2 StPO eingestellt worden. Damit habe er durch die Aufstellung falscher Behauptungen die Einstellung des Verfahrens gegen seinen Mandanten erreichen wollen.

Zeuge gegen Rechtsanwalt Bendler war der Richter, von dem Rechtsanwalt Bendler angeblich eine ungerechtfertigte Einstellung für seinen Mandanten erreichen wollte. Der Richter machte über den Inhalt und den Zeitpunkt eines Telefonats, um den es in dieser Verhandlung ging, die widersprüch-
lichsten Angaben. Außerdem stellte das Ehrengericht fest, dass eine Aktennotiz, die den Inhalt des Telefongesprächs wiedergeben sollte, auf Veranlassung der Staatsanwaltschaft vom Richter nach-
träglich angefertigt worden war und zwar zu dem Zweck, die Grundlage für ein strafrechtliches und ehrengerichtliches Verfahren gegen Rechtsanwalt Bendler zu schaffen.

Trotz des lächerlichen Vorwurfs und der zwielichtigen Rolle, die sowohl der Zeuge als auch die Staatsanwaltschaft in diesem Verfahren offenbar spielten, fühlte sich das Ehrengericht zu folgen-
den Ermahnungen veranlasst:

„Der Betroffene möge sich allerdings vor Augen halten, dass seine Hinweise auf eine angebliche Verfügung des Generalstaatsanwalts und die Terminsabsetzung im Verfahren E. Anlass zu Miss-
verständnissen und zu der Annahme waren, er habe für einen Mandanten seines Kollegen auf unredliche Weise Vorteile erlangen wollen … Der Betroffene wird sich vor ähnlichen Missver-
ständnissen hüten müssen,wenn er sich nicht erneut dem Vorwurf ausgesetzt sehen will, für von ihm vertretene Personen in unlauterer Weise Vorteile erringen zu wollen.“

Von dem Vorwurf, sich standeswidrig verhalten zu haben, wurde Bendler jedoch freigesprochen.

Auf die Berufung der Staatsanwaltschaft wurde das Urteil wegen eines Formfehlers aufgehoben. Vom Bayerischen Ehrengerichtshof wurde RA Bendler am 27. Januar 1977 erneut freigesprochen.


Werner Baufeldt et al. (Hg.), Informationen über Ehrengerichts- und Strafverfahren gegen Verteidiger in politischen Strafsachen. Die Verteidigung auf der Anklagebank. Dokumentation Hamburger Rechtsanwälte, Hamburg März 1977, 10 f.

Überraschung

Jahr: 1976
Bereich: Prozesse