Materialien 1981
Knastmuttertage
Samstag, 4. April 81:
Ich wusste, dass eine Demo gegen Wohnungsnot ist und gegen Spekulantentum. Ich wusste auch, dass T. und A. hingehen. Zu T. sagte ich noch, bevor er ging: »A. soll mich anrufen.«
16.00 Telefon: A., ein Freund von T., ruft an:
»T. ist verhaftet, ich war die ganze Zeit mit ihm auf der Demo zusammen. Ich weiß auch nicht, warum er verhaftet worden ist. Ich sah ihn über die Straße laufen, dabei wurde er festgenommen.«
Sehr erschrocken bin ich. Aber ich dachte, er wird in ein Paar Stunden wieder draußen sein. Unru-
hig war ich, hab weitergearbeitet, das kann einfach nichts Schlimmes werden.
Eine Stunde später ruft mich Anwalt F. von der Kanzlei N. an. Sie sind von der Verhaftung T.s un-
terrichtet, ich solle hinkommen, um eine Vollmacht zur Verteidigung Ts zu erteilen. Sofort fahre ich hin, werde ins Büro geführt und mit den Worten empfangen: »Wir sind eine Kanzlei mit meh-
reren Anwälten und verlangen DM 100.– pro Stunde!« Ich war etwas verblüfft (was hatte das mit der Verhaftung meines Sohnes zu tun?), naja, und sagte: »Ich bin Keramikerin und verdiene DM 5.– die Stunde.« Herr N. war mir immerhin dankbar für meine Offenheit. Also, Herr N. wollte am nächsten Tag in Urlaub fahren, versprach mir aber, für eine Vertretung zu sorgen. Darauf fuhr ich wieder nach Hause.
Gegen 18.00 Uhr kommen zwei Polizisten in Uniform. Sie wollten mir mitteilen, dass mein Sohn verhaftet sei. Ich sagte ihnen, dass ich schon informiert bin und gerade vom Anwalt komme. Kurze Zeit später ruft RA N. an und teilt mir mit, dass auch meine Tochter A. verhaftet ist. Ich frage mich, was ist da abgelaufen? Warum beide verhaftet? Ich spüre ein dumpfes Gefühl, beunruhigt und em-
pört. Ich kann mir auf einmal nicht mehr vorstellen, dass sie morgen wieder frei sind. Spät am Abend ruft mich RA N. nochmal an und sagt mir, dass Sonntag früh um 9.00 Uhr die Vorfüh-
rung beim Ermittlungsrichter in der Ettstraße sein wird . Haftbefehlseröffnung???
Sonntag; 5. April:
Bin um 9.00 Uhr in die Ettstraße gefahren. Ich hinterlasse meine Telefonnummer und bestehe mit Nachdruck darauf, dass ich angerufen werde, sobald der Ermittlungsrichter zu ermitteln anfängt, weil ich dabei sein will. Ich fahre wieder nach Hause, da ruft mich RA W. an und sagt mir, dass er A. verteidigen wird. Er wartet auch auf den Anruf aus der Ettstraße. Wir vereinbaren, dass wir uns dort treffen. Der Anruf kommt um 13.15 Uhr. Ich fahre sofort los. Ich treffe dort RA W., und wir reden über das Vorgefallene.
Die Atmosphäre empfinde ich als sehr bedrückend. Man läuft auf dem Gang hin und her und weiß nicht, was sich hinter all den Türen abspielt, was die Herren Richter sich ausdenken. Wo sind die Zellen? Wo sind die beiden eingesperrt? Inzwischen sind mehrere Anwälte eingetroffen. Die Vor-
führungen beginnen. Für mich ist es unfassbar, die jungen Leute, warum sind sie verhaftet? Ich meine, was haben sie wirklich getan? Nicht das, was jetzt auf dem Haftbefehl steht. Jetzt wird A. vorgeführt. Sie ist unter den ersten. Ich würde gern wissen, wie es ihr geht nach dieser Nacht, aber es gibt keine Möglichkeit für ein Gespräch. Wir gehen zusammen mit dem Anwalt zum Ermitt-
lungsrichter.
Sie wird beschuldigt, an einer Gefangenenbefreiung beteiligt gewesen zu sein. Es gäbe zwei Zeugen, die sie hinterher wiedererkannt hätten. Zeugengegenüberstellung – nein, so was gibt’s doch nicht. Was ich für eine Vorstellung habe. Der Haftbefehl, der wohl schon vorbereitet war, wird fertigge-
macht, und A. bleibt in Haft. Mein Einwand, dass sie noch zur Schute geht und eine wichtige Prü-
fung morgen hat, interessiert den Richter nicht. (Ob er wohl auch Kinder hat?)
Die Haftbegründung erscheint mir eigenartig und grotesk. Verdunklungsgefahr, Fluchtgefahr und vor allem nicht ausreichende soziale Bindung. Ich frage mich, wie ein Richter so etwas sagen kann, er kennt doch unsere soziale Bindung überhaupt nicht. Oder ist es vielleicht schon klar: Wenn man demonstrieren geht, hat man einfach keine soziale Bindung?
Auf ihre Jugendlichkeit, ihre 16 Jahre, wird nicht eingegangen. Ich kann ihr gerade noch ein paar Mark zustecken, dann wird sie abgeführt. Ich dachte natürlich, sie käme raus. Ich fühle mich total schlecht. Traurigkeit, Ohnmacht und vor allem eine Wut. Warum ist so etwas möglich? Nun kann ich nichts anderes machen, als zu warten, bis T. vorgeführt wird. Die Hoffnung, dass er frei kommt, habe ich nicht mehr. Ich höre zu und beobachte, was sich auf dem Gang so abspielt. Die Jugendli-
chen werden in Handschellen vorgeführt, wirklich wie Schwerverbrecher. Einer, der gerade seinen Ersatzdienst leistet, wird freigelassen. Sein Anwalt meint, dass er ja dem Staat diene und keine Fluchtgefahr besteht, denn das wäre dann Fahnenflucht, und er wäre zweimal Flüchtling. Ich habe das Gefühl, dass die Anspannung hier am Gang immer größer wird. Es kommen immer wieder verschiedene Angehörige der Verhafteten dazu. Es sind auch Leute von den »embryos« da. Einer aus ihrer Gruppe ist auch verhaftet. Sie hoffen auf seine Freilassung, da sie einen Auftritt haben. Aber auch ihre Hoffnung ist umsonst. Immer wieder wird darüber geredet, was auf der Demo ab-
gelaufen ist. Inzwischen ist es 17.15 Uhr. Jetzt, als einer der letzten, wird T. vorgeführt. Er wirkt ziemlich kaputt. Kein Wunder nach diesen 36 Stunden. Da kein Anwalt mehr frei ist, haben wir einen Referendar aus der Kanzlei N. Wir gehen also zum Ermittlungsrichter. Als erstes wird der Referendar rausgeschmissen, da er seine Referendarzeit noch nicht abgeschlossen hat. Jetzt bin ich mit T. alleine. Die Geschichte läuft genauso ab wie bei A.: Gefangenenbefreiung, Widerstand gegen die Staatsgewalt, Fluchtgefahr, Verdunklungsgefahr und wieder nicht ausreichende soziale Bin-
dung. Das sind die Gründe, warum er in Haft bleibt. Es erinnert mich stark an Nürnberg. Wieder wird auf meinen Einwand, dass er Morgen einen Vorstellungstermin in einer Schreinerei hat, nicht reagiert. Handschellen zu, er wird abgeführt, ich bin am Ende.
Ich gehe raus aus diesem Gebäude. Draußen vor der Ettstraße warten viele Leute. Ich gehe zu ihnen hin, sie wollen wissen, was los war, wer in Haft bleibt, ob jemand frei ist. Ich sage ihnen, was ich erlebt und erfahren habe. Sie bieten mir Kaffee an; es ist gut, ich fühle mich doch ziemlich fer-
tig. Diese Solidarität, gleich geht’s mir besser.
Montag, 6. April:
Gleich in der Früh rufe ich in der Ettstraße an und frage, wo meine Kinder sind. »So, Kinder? Sind es gleich mehrere?« antwortet der Beamte. »Ja, allerdings«, sage ich ihm, »es sind zwei, und zwar sechzehnjährige!« Höre, dass T. in Stadelheim ist und A. in Neudeck. Ich werde jetzt versuchen zu erfahren, wann ich sie besuchen kann und was ich mitbringen darf.
Gegen Mittag gehe ich nach Neudeck, um für A. Kleider abzugeben. Ich stehe vor dem Gebäude, schau mir die Gitter an. Es ist sehr deprimierend. Ob sie allein ist? Ich weiß ja gar nicht, was da abläuft, bekommt man wenigstens was zu lesen? Wie werden sie behandelt?
Wenn ich nur rein könnte!
Zurück in die Werkstatt, um zu arbeiten. Schon läutet das Telefon: »Grüß Gott, hier Stadelheim. Sie wissen wahrscheinli scho, dass Ihr Bua do is. Hauptsach, er kummt net wieder, sonst is aus mit eam. Er muss ja amol sei Geid verdiena, gei? Aba Sie müssen net denga, dass er mit Schwerverbre-
cher zam is, nana, mit Jugendliche, die as erste Mol da san. Aba a paar Spezen hot er scho droffa. Hod er ebba draußen a koan guaden Umgang ghabt? Mei, hoffentlich kapiert ers. Mir verstehn ja die Buam, warn mir doch selber a amol jung. Oiso, die Besuchszeidn sin vo 1 – 3 Uhr, und hoff ma, dass er boid raus kummt. Für Sie a alles Gute. Auf Wiederhören.«
Ich bin total verblüffi und überrascht, dass ein Beamter aus so einer Institution mich anruft und mit mir eigentlich ganz privat redet. Jetzt rufe ich im Justizgebäude an, in der Nymphenburger Straße, und erkundige mich, wie es mit den Besuchen läuft. Ich erfahre, dass ich Besuchserlaubnis erst beantragen muss beim zuständigen Jugendrichter, auch Bücher, die ich mitnehmen will, müs-
sen erst genehmigt werden. So ist das also. Gleich über Mittag fahre ich in die Nymphenburger Straße. Ich bekomme die Besuchserlaubnis mit der Bemerkung: Die müssen Sie dann alle l4 Tage neu beantragen oder, wenn es lange dauert, gibt es eine Dauerbesuchserlaubnis. Es kommt mir vor wie etwa eine Sommersaisonbadekarte. Ich sage, ich hoffe nicht, dass ich eine zweite brauche. Die Antwort: Wir wissen eben noch gar nichts. Sie wissen gar nichts, ich weiß auch nichts, wer weiß denn überhaupt etwas?
Gegen 18.00 Uhr ruft RA W. an. Er war bei A., es geht ihr den Umständen entsprechend schon gut. Er sagt mir, auch ich soll Morgen um 11.00 Uhr in die Kanzlei kommen wegen einer Pressekonfe-
renz. Nach getaner oder nicht getaner Arbeit (wer kann schon kreativ sein, wenn der Kopf voll mit anderen Sachen ist), gehe ich zu Leuten, die ein Flugblatt machen wollen; es sind Freunde von Verhafteten. Wir diskutieren die Möglichkeit, eine Mutter-, Frauen-, Kinddemo zu machen; mir geht es darum: unsere Kinder gehören uns, wir und nicht der Staat sollen sie erziehen. Jetzt gehe ich nach Hause, laufend klingelt das Telefon, Freunde von T. und A. Ich spreche noch mit dem Frauenzentrum wegen Unterstützung zu der geplanten Demo, aber da kommt nichts. Sie steigen nicht ein. Ist das die Solidarität mit Frauen oder Müttern?
Mittwoch, 8. April:
Schlecht geschlafen, bin k.o. Um 10 Uhr kommt ein Freund; wir wollen einen Leserbrief schreiben an die Süddeutsche. 10.30 Uhr gehe ich los in die Kanzlei zur Pressekonferenz. Es werden dort verschiedene Aussagen von Zeugen vorgelesen. Anschließend fahre ich nach Neudeck. Es ist Mitt-
woch und Besuchstag. Bin gespannt, wie so ein Besuch abläuft. Es ist jetzt 1 Uhr. Ich biege um die Ecke, da kommt mir irgendwas entgegen, mit einer blauen Mülltüte über der Schulter. Es ist A. Sie ist frei!
Ich freue mich total. Natürlich nehmen wir an, dass T. auch frei ist. Wir stürzen sofort ins Taxi, nach Stadelheim, um ihn abzuholen. Aber er ist nicht frei. Ich versteh nicht, warum A. frei ist und er nicht. Dann will ich ihn wenigstens besuchen, wenn er schon nicht mitkommen kann. Es ist eine langwierige Sache, bis man durchkommt. Unten warten, oben warten, am Schalter warten, dann im Warteraum sitzen, bis man aufgerufen wird. Während ich warte, werde ich herausgerufen. Es ist der Jugendabteilungsleiter, wohl der gleiche, der mich angerufen hat. Er möchte mit mir spre-
chen. Er sagt, »er ist doch so a netter Junge, er darf nicht nochmal hierherkommen« (das denke ich auch), »und jetzt tut er’s Essen verweigern. Hungerstreik, reden’S doch bitte mit ihm, er muss doch essen.« Wieder erstaunt mich, dass jemand etwas außer der Reihe macht da drin. Endlich ist es soweit, ich sitze im Besucherzimmer und warte. Ich hab auch gleich kapiert, dass man schnell sein muss, um den besten Platz zu bekommen, am weitesten weg vom Wachtel, damit man unge-
störter reden kann. T. kommt, erzählt auch vom Hungerstreik, obwohl Essen die einzige Ablen-
kung ist im Tagesablauf. Ich sage ihm, dass A. frei ist und es bei ihm auch nicht mehr lange dauern kann. Ich erzähle ihm noch, was draußen so läuft in dieser Sache, was ich alles an Solidarität erle-
be.
Der Wärter ist absolut ekelhaft. Er behandelt die Leute wie Tiere. Ich will T. die Ankündigung des Konzerts für die Verhafteten zeigen (ich hab ja keine Ahnung, was man darf und was nicht), gleich brüllt er los: »Da wird nichts gegeben …« Zwei Stühle weiter, beim M., schreit er dessen Tante und Mutter an, weil sie ihm drei Mark für Zigaretten gegeben haben (sie haben wahrscheinlich auch keine Knasterfahrung). Die Mutter sagt, aber wir kommen doch von so weit her und können ihn nur einmal besuchen. Der Wärter: »Mir scheißegal, und wenn sie von Honolulu kommen, er be-
kommt nur eine Schachtel, und wenn’s Ihnen nicht passt, bekommt er gar keine.«
Zu schnell ist die halbe Stunde vorbei, die Besucher müssen gehen. Wie T. durch die andere Tür geht, schreit der Kerl schon wieder: »Und Du bleibst mal da!« Was hat er vor mit ihm? Es ist schlimm, wenn man gehen muss und den anderen da hocken lässt.
Donnerstag, 9. April:
Es geht weiter, ich gehe in die Werkstatt. um 11.00 Uhr ruft A. an, sie ist früh losgefahren in die Nymphenburger Straße zum Jugendrichter. Sie wollte eine Besuchserlaubnis für T. Sie hat keine bekommen. Ich verstehe das nicht, warum kann sie ihren Bruder nicht besuchen?
Nachmittags meldet sich RA R. Er hat den Termin zur mündlichen Haftprüfung für T. Er ist am Montag, den 13.4. um 11.00 Uhr. Der RA sagt noch, dass er T. Morgen, Freitag, besucht. Heute Abend ist die Kundgebung in Stadelheim für die Verhafteten. Ich fahre hin und bin entsetzt, sprachlos. Schon ganz weit vorn stehen überall Polizisten, so viele, in Reihen aufgestellt. Es kommt mir vor wie Krieg. Notstand.
Die »Embryos« spielen, jemand ruft die Namen der verhafteten durchs Mikro. Plötzlich geht eine Unruhe durch die Menge. Man erfährt, dass es irgendeinen Zusammenstoß zwischen Punks und Polizisten gegeben hätte. Frage mich, war das schon wieder Provokation? Die Kundgebung wird aufgelöst. Sie geben noch Ratschläge durchs Mikro: »Geht nur in Gruppen von hier weg. So seid Ihr sicher vor Verhaftungen, bleibt zusammen.« Ich bekomme tatsächlich Angstzustände wie als kleines Kind im Krieg. Das ist alles schwer zu verstehen. Es ist doch gut, wenn die Verhafteten erleben, dass draußen Leute da sind, dass sie nicht im Stich gelassen werden. Aber dafür dieses Polizeiaufgebot. Wir fahren weg nach Haidhausen in ein Café. Alles ist total angespannt, ich muss gehen, halte es einfach nicht mehr aus. Gehe in ein griechisches Lokal zum Abschalten, aber geht nicht. Ich treffe R., und der Dialog geht weiter. R.s Schwester ist 15 Jahre und auch in der Szene. Eine Mutter, eine Schwester. Wir reden über die Jugendlichen, über die Verhältnisse. Wir sind der Meinung, dass die Jugendlichen, die noch Mut haben sich zu rühren, in Ordnung sind. Sie sind noch nicht kaputt und angepasst. Ich gehe heim und möchte gerne schlafen. Es geht nicht – Scheiße!
Freitag, 10. April:
Heute geht es früh los; um 7 Uhr schon kommen zwei Polizisten lautstark und geben ein Schreiben ab für T.s Haftprüfung. Muss das sein?
Etwas später kommt vom gleichen Revier noch ein Anruf wegen dem Termin. Ich frage den Polizi-
sten, ob es unbedingt nötig ist, dass früh um sieben zwei Beamte vor der Tür stehen? Der Anruf hätte doch auch genügt. Gehe in die Werkstatt, A. ruft an. Sie ist nochmal zum Jugendrichter ge-
fahren, sie hat ein Buch genehmigen lassen. Dabei hat sie es nochmal wegen einer Besuchserlaub-
nis versucht und letztendlich auch bekommen. Ich hoffe nur, dass sie sie nicht mehr braucht. T. muss doch einfach auch frei kommen. Mir fällt auf, dass ich überhaupt nicht mehr lachen kann. Auch meine Liebesfähigkeit ist eingefroren, an Arbeit nicht zu denken. Wie soll ich mit den Hän-
den etwas Schönes formen, wenn die Gedanken ganz woanders sind!
Später ruft RA R. an. Er war inzwischen bei T. Er sagt, er hätte den Eindruck, dass er jetzt nicht mehr so munter sei wie am Anfang. Das kann ich mir gut vorstellen. Er sagt mir noch, sie werden versuchen, T. als Schläger hinzustellen, da er noch eine Sache wegen einer Rauferei laufen hat. Ich weiß, T. ist kein Schläger, aber das würde ihnen einfach ins Konzept passen. Wie wird das noch alles enden? Abends treffe ich im Biergarten Herrn H., Anwalt von A. Er sagt, dass A. Frei ist. Ich freue mich sehr, wieder einer draußen. Gehe heim, versuche wenigstens zu schlafen.
Es gibt noch ein paar Anrufe. Auch vom Blatt wegen einem Artikel usw.
Montag, 13. april:
Haftprüfungstermin. Es ist inzwischen 11 Uhr, wir können reingehen. RA R., Herr Jäger (Jugend-
gerichtshilfe), A. und ich. Der Richter sagt als erstes zu A.: »Sie warten draußen.« A. ist sauer und sagt irgendwar dann geht sie. Endlich wird T. gebracht, wieder Handschellen, es geht los. Er wird gefragt, ob er aussagen will, und er erzählt dann, was sich abgespielt hat. Der Staatsanwalt stellt Zwischenfragen, es geht hin und her. Der RA sagt etwas, ich auch. Und dann beantragt der Staatsanwalt Haftverlängerung! Ich denk, ich hör nicht recht. Das darf doch einfach nicht wahr sein!
Schließlich sagt der Richter, »die Sache wird vertagt.« Um 15.15 Uhr neuer Termin. T. wird wieder abgeführt. Wir gehen raus. Ich habe wieder ein ganz ungutes Gefühl. A. ist entsetzt: Was soll nun das schon wieder? Wieso ist er noch nicht frei? Ich sage ihr, dass der Termin verschoben ist bis Mittag.
Wir gehen Richtung Ausgang. A. fragt den Pförtner, wo T. jetzt hinkommt. Er deutet nach unten, also in den Keller?
Ich fahre in den Laden und hoffe, dass es bald 15.15 Uhr ist. Es ist 15.15 Uhr, 15.30 Uhr, 15.45 Uhr. Mir wird heiß und kalt. Höre ich bald etwas?
Telefon! Es ist RA R.: Wissen Sie es schon? Nein, ich warte. – Er ist frei! Er erzählt mir noch, was los war, in dem Moment kommt T. Zur Tür herein. Geschafft. Gott sei Dank!
Natürlich im Laufe des Nachmittags noch viele Anrufe: »Er ist frei!«
Börni, Annette, Ruth, Mathias, Hartmut (Wächtler), Christopher, Lilo, Billy und Andrea (Wolf) mit Beiträgen von Wolfi und Reinhard, Stark sein – stärker werden, München Januar 1984, 67 ff.