Flusslandschaft 1974

StudentInnen

20. Februar: Sit-in von Mitgliedern des Kommunistischen Studenten-Verbandes (KSV) im Zei-
tungswissenschaftlichen Institut
der Uni.1

1.500 Studentinnen und Studenten protestieren am 21. Februar gegen die Schließung der Mensa der TU.2

„Rollkommandos an der Uni – Die Aktionswoche an der Ludwig-Maximilians-Universität anläss-
lich der Entlassung des Soziologieprofessors Horst Holzer durch das Kultusministerium hat unter den Studenten nicht nur harte Auseinandersetzungen über das Berufsverbot ermöglicht, sondern auch zu einer deutlichen Polarisierung geführt. Der AStA war der Weisung des Rektors gefolgt und hatte nicht zum totalen Vorlesungsboykott aufgerufen. Er hat öffentlich darauf hingewiesen, dass er Gewaltanwendung zur Durchsetzung des Boykotts nicht billigen kann. Seitens des Rektorats wurde hingegen alles versucht, den Konflikt zu eskalieren: Durch die Weisung des Rektors an die Dozenten, um jeden Preis die Fassade eines normalen Vorlesungsbetriebes aufrechtzuerhalten, durch den massiven Einsatz der politischen Polizei, durch die Strategie der Kriminalisierung an-
geblicher Störer, durch das Auftreten vom RCDS organisierter Schlägertrupps, die vom Rektorat tatkräftig unterstützt wurden. – Zu einem gravierenden Zwischenfall kam es im Audimax in einer juristischen Vorlesung: der lokale RCDS-Führer Fritz Kurz war mit einem Schlägertrupp, beste-
hend aus ca. 20 RCDSlern und Burschenschaftlern anwesend und dirigierte mit einem Megaphon in der Hand den Einsatz seines Rollkommandos. Mit unglaublicher Brutalität gingen sie gegen jeden vor, hinter dem sie einen Störer vermuteten. Im Zusammenspiel von Uni-Rektor Lobkowicz, RCDS und zahlreichen anwesenden Beamten der Politischen Polizei soll ein Klima des Terrors und der Einschüchterung an der LMU erzeugt werden. Der AStA hat die Studentenschaft aufgefordert, sich vom Aktionismus einer kleinen reaktionären Minderheit nicht provozieren zu lassen.“3

„GEGENDARSTELLUNG: RCDS gegen Rollkommandos an der Uni: Im 24.Blatt wird auf der Seite drei folgendes behauptet: Anlässlich der Holzer-Aktionswoche seien ‚vom RCDS organisierte Schlägertrupps‘ aufgetreten. In einer jur. Vorlesung sei Fritz Kurz (RCDS) ‚mit einem Schläger-
trupp, bestehend aus 20 RCDS‘lern und Burschenschaftlern’ anwesend gewesen und habe ‚den Einsatz seines Rollkommandos dirigiert‘. Dabei sei man mit ‚unglaublicher Brutalität vorgegan-
gen‘. Diese Behauptungen sind unwahr. 1. Der RCDS hat gegen die Aktionswoche keinen Schläger-
trupp organisiert. Es fand überhaupt keine Verabredung statt. Wenn es zu Schlägereien kam, so war dies überall spontane Gegenwehr der Studenten. 2. In besagte juristische Vorlesung kam ich lediglich mit einem einzigem RCDS-Mitglied – und nicht mit einem von mir dirigierten ‚Rollkom-
mando‘. Da vor und nach der Vorlesung (auf einem Teach in) über Holzer diskutiert werden konn-
te, führte ich zwei Abstimmungen durch: In der ersten beschlossen die Hörer (zu 90 %) sich aus prinzipiellen Gründen keine Diskussion mit Gewalt aufnötigen zu lassen. Als die Linken trotz dieser demokratischen Abstimmung mit Sprechchören, Stinkbomben und Eiern gegen die ca. 400 Hörer vorgingen, rief ich mehrfach die Studenten auf keine Schlägerei zu beginnen. Auf Antrag eines Studenten (kein RCDS’ler) stimmten die Hörer nach einer Stunde Psychoterror schließlich dafür, die Stinkbombentruppe ohne Anwendung von Gewalt aus dem Saal zu drängen. Dies ge-
schah angesichts der Hörerzahl ohne ‚unglaubliche Brutalität‘; die Störer räumten den Saal fast freiwillig. Alle Studenten konnten sich hierbei auf ihr Notwehrrecht berufen. Gez. Fritz Kurz (RCDS) – Aufgrund des bayrischen Pressegesetzes sind wir gezwungen, diese Gegendarstellung abzudrucken. Auf die objektive Wahrheit (der Gegendarstellung, d.Red.) kommt es nicht an! Über Gegendarstellungsforderungen wird ohne Beweisaufnahme über den Wahrheitsgehalt entschieden. Dabei ist es unerheblich, ob die ‚tatsächlichen Angaben’ des Betroffenen objektiv wahr sind. d. Red.“4

Am 1. Oktober sollen die Organe der Verfassten Studentenschaft aufgelöst werden. AStA und Fachschaften werden abgeschafft. Solange diese noch in den 60er Jahren vom RCDS dominiert waren, war ihre politische Tätigkeit hochwillkommen. Jetzt dominieren hier die Linken; ihr po-
litisches Engagement ist ein Ärgernis. Am 27. Juni beschließt die Studentenvollversammlung, eine Urabstimmung zum Erhalt der Verfassten Studentenschaft ab dem 3. Juli durchzuführen.

Das von der Bundesregierung geplante Hochschulrahmengesetz schreibt Regelstudienzeiten von drei bis vier Jahren vor. Am Ende des vierten Semesters endet der Kurzzeitstudiengang. Erst ein bestandenes Vorexamen erlaubt den Eintritt ins Langzeitstudium. Ein neues Ordnungsrecht soll kritische Studierende in ihre Schranken weisen.

Dreihundert MedizinstudentInnen demonstrierten am 5. November vor dem Kultusministerium.5

11. November: Dreihundert MedizinstudenInnen demonstrieren für klinische Studienplätze.6

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(zuletzt geändert am 22.8.2021)


1 Vgl. Süddeutsche Zeitung 44/1974.

2 Vgl. Süddeutsche Zeitung 25/1974.

3 Blatt. Stadtzeitung für München 24 vom 31. Mai 1974, 3.

4 Blatt. Stadtzeitung für München 26 vom 28. Juni 1974, 3.

5 Vgl. Süddeutsche Zeitung 256/1974.

6 Vgl. Süddeutsche Zeitung 261/1974.

7 Fachbereichszeitung Rote Zelle Geschichte 1 vom Dezember 1974, 22.