Flusslandschaft 1975

Alternative Ökonomie

Einige, die Anfang der siebziger Jahre studierten, zogen aus ihrer Beschäftigung mit politischer Theorie den notwendigen Schluss, „in die Betriebe zu gehen“. Manche erlebten entfremdete Lohnarbeit so unmittelbar, dass sie nach einiger Zeit der „Drecksmaloche“ den Rücken kehrten und kündigten. Einer stellt sich nach dem Ausstieg aus der „Welt der Arbeit“ einer Diskussion.1 — Jerry Rubin meinte, „die Linke fordert Arbeitsplätze für alle — wir fordern Arbeitslosigkeit für alle“. — Die Wirtschaftskrise von 1973 wurde auch zur Krise der Linken. Die Arbeitslosigkeit nimmt zu, Automatisierung vernichtet Arbeitsplätze, politische Forderungen stoßen ins Leere. — Ab Ende des Jahres repariert das Kollektiv Sponton in der Breisacherstraße 5 in Haidhausen alles, was mit Elektrotechnik zusammenhängt. Die Leute wollen ohne Chef und Hierarchie, selbstbestimmt und ohne Konkurrenzdruck und Leistungsdruck arbeiten. Geplant ist auch ein Kundenreparaturplatz, an dem jeder mit Hilfe der Sponton leute selbst reparieren kann.2 Das Projekt ist auch Ergebnis einer Diskussion, die versucht, den Strukturwandel in der Arbeitswelt zu verstehen und Konsequenzen daraus zu ziehen.3 — Fast zehn Jahre später fasst André Gorz zusammen: „Jede Politik, auf welche Ideologie sie sich sonst auch berufen mag, ist verlogen, wenn sie die Tatsache nicht anerkennt, dass es keine Vollbeschäftigung für alle mehr geben kann und dass die Lohnarbeit nicht länger der Schwerpunkt des Lebens, ja nicht einmal die hauptsächlichste Tätigkeit eines jeden bleiben kann."4


1 Siehe „Wer verändert die Weltveränderer?“.

2 Heute (2011) ermöglicht dies das Haus der Eigenarbeit (HEI) in der Wörthstraße 42 in Haidhausen.

3 Siehe „Editorial“.

4 André Gorz, Wege ins Paradies, Berlin 1984, 56.