Materialien 1977

Oppodeldok

Selbstdarstellung

Seit 1972 gibt es in München das Kinder- und Jugendtheater Oppodeldok (Gleich zu Anfang möch-
te ich bemerken, dass wir weder Oppeldock noch Doppelbock oder sonstwie heißen, sondern schlicht und einfach Oppodeldok!).

Wir nennen uns eine „freie Gruppe“, d.h. wir stehen keiner Partei oder sonstigen dubiosen Verei-
nen nahe, und trotz vieler Bittschriften werden wir noch immer nicht von Moskau finanziell unter-
stützt, wohl aber seit Anfang 1977 von der Stadt München, und zwar mit 6.500,- und weiteren 5.000,- (?) in Aussicht für Jahresende. Das ist ein Tropfen auf den heißen Stein, wenn man be-
denkt, dass diese zwei Beträge ein „mtl. Einkommen“ von knapp DM 100,- ergeben, und das für eine Gruppe von früher 5 und jetzt 8 Leuten.

Das heißt, vom Theatermachen kann man nicht leben, bzw. nur in der Zeit, in der wir viele Auftrit-
te haben, nicht aber während der Proben für eine neue Produktion, da wird dann nebenbei noch gejobbt.

Oppo brachte seit seinem Bestehen jedes Jahr eine neue Produktion heraus. 1972 und ’73 Stücke vom Berliner Gripstheater: „Balle, Malle, Hupe und Arthur“, „Mannomann“, Danach „Jack im Glück“, ein Stück über Freizeit & das „Clownspiel“ über Außenseiter – beides selbstgeschriebene Stücke. 1975 dann das Aufklärungsstück „Darüber spricht man nicht“ von der Roten Grütze, Berlin, ein Mitspielstück für Kinder ab 6 Jahre, in dem von einer anderen, lustvollen Sexualität, die nicht nur Vögeln ist, erzählt wird. Mit diesem Stück hatte schon die Rote Grütze großen Ärger: Einigen Bezirksstadträten war das Stück ein Dorn im Auge, und sie verboten kurzerhand weitere Auffüh-
rungen in ihren Stadtteilen. Zwei deutsche Mitglieder der österreichischen Gruppe Kukuruz wur-
den nach wenigen Aufführungen des Stücks in Graz in einem Nacht- und Nebeltransport „ausge-
wiesen“. In München schaltete das staatl. Schulamt auf Alarm: Den Lehrern wurde der klassen-
weise Besuch verboten.

Das ist und war ein harter Schlag für Oppodeldok, denn damit ist unser Zielpublikum kaum noch zu erreichen. In München konnten wir unser jetziges Stück nur fünf mal spielen, danach machten wir nur noch Gastspiele in anderen deutschen Städten. Da wir keinen eigenen Saal haben, spielen wir in Jugendzentren, kleineren Theatern, manchmal auf städtischen Veranstaltungen.

Das jetzige Stück heißt „Freitags Geschichte“, kommt aus England; ein Jugendstück, das auf der Robinson-Crusoe-Geschichte basiert, aber aus der Sicht des „Wilden“ Freitag erzählt. Er beschreibt die Erziehungsversuche des Robinson, das Herr/Knecht-Verhältnis zwischen beiden, und das weiße „zivilisierte“ Leben, unter dem Freitag sehr leidet und schließlich daraus ausbricht.

Jetzt arbeiten wir (inzwischen 8 Leute) an einem Stück über/mit Rockmusik, das wir selbst schrei-
ben. Das sieht dann so aus, dass wir zuerst mal alle viel lesen, Musik machen und inhaltliche Sze-
nenideen besprechen und aufschreiben. In der Arbeitswoche machen wir daraus ein gemeinsames Konzept, sozusagen den Rohbau. Damit werden dann zwei Leute das Stück schreiben und dann geht das Proben und Verändern und Verbessern los. Im November soll Premiere sein. Ideal für unsere Arbeit ist, dass wir alle zusammen in einem Haus wohnen.

Ich denke, das wär’s, was es so zu sagen gibt über uns, ach ja, die Gruppe besteht aus 2 Frauen und 6 Männern.

Das wär’s jetzt aber wirklichan diesen Selbstdarstellungen kann man sich die Zähne ausbeißen.

Lotte

Frau Mann und Herr Frau!

Mit einer wunderschön grotesken Puppe, die auf der einen Seite ein Mann und auf der anderen Seite eine Frau ist, werden den Kindern die Unterschiede der Geschlechter klargemacht. Auf der Frauenseite ist die Bauchdecke abnehmbar. Darunter sind zwei große Kugeln sichtbar (Eierstöcke), die aufklappbar sind und in denen sich kleine Zuckereier befinden, die während des Spiels an die Kinder verteilt werden. Dann wird von den Spielern die Wanderung des Eis zur Gebärmutter er-
klärt und am Ende des Spiels dreht sich eine Spielerin mit dem Rücken zum Publikum aus dem Innern der Puppe und macht so die Geburt deutlich. Schließlich wird unter großer Anteilnahme der Kinder das Baby an die Brust der Puppe gelegt und gestreichelt – sinnlicher kann niemand die Vorgänge um Zeugung und Geburt erklären!

Kollektiv Oppodeldok,
Scharnitzer Straße 6, ’
8032 Gräfelfing


Fliegenpilz. Zeitschrift für Politik + Literatur 1 vom Oktober 1977, München, 15 f.

Überraschung

Jahr: 1977
Bereich: Kunst/Kultur