Flusslandschaft 2021

Frauen

Der diesjährige 8. März steht im Zeichen globaler (queer-)feministischer Kämpfe: Frauen* kämp-
fen weltweit gegen patriarchale Gewalt und Krieg, Umweltzerstörung, Diskriminierung von Le-
bensweisen, die sich gegen die Einteilung in Frauen* und Männer* und die Kleinfamilie als das höchste Ziel wehren und gegen den kapitalistischen Alltagswahnsinn, in dem meist von Frauen* geleistete Sorge-Arbeit als Motor dieses Systems abgewertet und ausgebeutet wird. Im Zeichen der weltweiten Pandemie sind diese Kämpfe zunehmend unsichtbar geworden – es ist Zeit, an die er-
zielten Errungenschaften nicht nur zu erinnern, sondern gemeinsam Kraft zu schöpfen, um aktiv an diese Kämpfe anzuschließen!

Frauen sind von der Klimakatastrophe oft in besonderer Weise betroffen. Darauf machten XR-Rebellinnen der Münchner Ortsgruppe bei einer kleinen Kundgebung am 8. März, dem Weltfrau-
entag, vor der Staatsoper aufmerksam. Die Rebellinnen solidarisieren sich mit dieser Aktion auch mit den Umweltschützerinnen im globalen Süden, die unter besonders schwierigen Bedingungen arbeiten.1

Die eine Demonstration beginnt mit etwa 1.000 TeilnehmerInnen am 8. März um 17 Uhr auf dem Lenbachplatz.2 Eine zweite Demo mit dem Motto „Destroy the Patriarchy“ beginnt um 17 Uhr auf dem Baldeplatz. Beide Demos treffen sich am Georg-Freundorfer-Platz im Westend. Das Münch-
ner Ökumenische Büro für Frieden und Gerechtigkeit gestaltet zum 8. März eine Serie hinreißen-
der Klangpostkarten unter dem Motto „Mujer escucha, esta es tu lucha – Frau hör zu, das ist dein Kampf“: https://www.facebook.com/oeku.buero/videos

Am 20. März plant der Anti-Abtreibungsverein „Stimme der Stillen“ einen „Marsch für das Leben“ in München. Dagegen mobilisieren Feministinnen und sympathisierende Männer für eine Demon-
stration, die um 12 Uhr mittags auf der Münchner Freiheit startet.3 Fast parallel dazu findet von 13 bis 18 Uhr eine Kundgebung des neu gegründeten Bündnisses für sexuelle Selbstbestimmung am Max-Joseph-Platz statt.4


Am Samstag, 15. Mai, demonstriert ein Bündnis aus Frauen, Parteien, NGOs und anderen Men-
schen gegen den Paragraphen 218 um ca. 16.30 Uhr vom Georg-Freundorfer-Platz im Westend zum Gewerkschaftshaus. Ecke Schwanthaler-/Schießstättstraße wird Pyrotechnik gezündet. Da-
raufhin stoppen Polizisten den Zug. Ein junger Mann wendet sich an einen Beamten und fragt ihn, ob jetzt gekesselt würde, dann nämlich würde er weggehen. Eine Antwort bleibt aus. Nach etwa einer Viertel Stunde kann die Demonstration fortgesetzt werden. Das Bündnis für sexuelle Selbst-
bestimmung
München: „Heute am 15.5. wollten wir zum 150. Jahrestag von § 218 StGB ein bay-
ernweites Statement für die Abschaffung dieser Rechtslage setzen. Denn, dass Frauen und andere gebärfähige Personen, die sich in einer Schwangerschaftskonfliktsituation befinden und sich even-
tuell für die Beendigung einer Schwangerschaft entscheiden, aktuell stigmatisiert, verängstigt und von guter medizinischer Versorgung abgeschnitten werden, ist bayernweit von der Großstadt bis hin zur kleinen Ortschaft ein Problem. Anlässlich des Aktionstag: 150 Jahre § 218 StGB – Es reicht! haben wir heute im Rahmen der von @frauentreffen_muc organisierten Kundgebung an der bay-
ernweiten Aktion von @kritmedwuerzburg und @pia_profamilia_augsburg.bayern teilnehmen dürfen und eine Menschenkette als Ausdruck unseren gemeinschaftlichen Protests gebildet.“5

Eine Kriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen hält Frauen weltweit nicht davon ab abzu-
treiben. Zum „Safe Abortion Day“ veranstaltet deshalb das Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung am 28. September um 18.30 Uhr vom Orleansplatz aus einen Flashmob durch Haidhausen: Für die ersatzlose Streichung von §§ 218 und 219 StGB!

Seit mindestens 2008 findet in München der „1000-Kreuze-Marsch“ in München statt. Waren es zu Beginn noch einige hundert Teilnehmerinnen und Teilnehmer, bewegen sich die Teilnehmen-
denzahlen seit einigen Jahren im niedrigen dreistelligen Bereich. Rund 120 Abtreibungsgegner-
innen und Teilnehmer folgen am Sonntag, 17. Oktober, dem Aufruf des christlich-fundamentalis-
tischen Vereins „EuroProLife e.V.“ zum diesjährigen „1000-Kreuze-Marsch“ in München. Mit weißen Holzkreuzen, Schildern und Transparenten ausgestattet, marschieren die Demonstrantin-
nen und Demonstranten durch die Münchner Innenstadt, um gegen Schwangerschaftsabbrüche zu protestieren. Begleitet wird der Marsch von feministischem Gegenprotest. „Neu waren Schilder, auf denen die antifeministische Ideologie der Szene explizit zum Ausdruck kam. Auf einem ist neben mehreren Föten die Aussage: ‚It’s a mothers duty to respect and accept my will‘ abgebildet. Die Pflicht einer Mutter sei es also, den Willen des Fötus bzw. Embryos zu akzeptieren und zu respektieren. So werden Ungeborene zu Menschen mit eigenem Willen und Rechten gemacht und Frauen vermittelt, dass ihre Wünsche und Vorstellungen bei einer Entscheidung für oder gegen Kinder keine Rolle spielen. – Darüber hinaus griff Wolfgang Hering, Vereinsvorsitzender von ‚EuroProLife‘, dieses Jahr zu drastischen Kundgebungsmitteln. Neben den Holzkreuzen führte der Demonstrationszug einen weißen Kindersarg mit. Diesen öffnete Hering bei der Abschlusskundge-
bung und präsentierte Teilnehmerinnen und Passanten die sich darin befindenden Plastikpuppen, die Embryonen darstellen sollen. Diese Modelle kommen auch bei sogenannten ‚Gehsteigberatun-
gen’ zum Einsatz. Er wolle mit dieser Maßnahme „nicht schockieren“, so Hering und doch kann das Zeigen dieser Puppen Betroffene schwer belasten. Einige Teilnehmerinnen, darunter auch kleine Kinder, gingen im Anschluss an den Sarg, um sich Modelle zu nehmen.— Allgemein regis-
trieren Beobachterinnen und Beobachter eine Radikalisierung der ‚Lebensschutz’-Szene. Ärztin-
nen und Ärzte, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen, werden angezeigt, Schockbilder im Internet und auf der Straße sollen die Gesellschaft beeinflussen. Die Folgen dieser Aktivitäten sind unter anderem, dass die Versorgungslage schlechter wird, da immer weniger Ärztinnen und Ärzte Abbrüche anbieten. Auch 150 Jahre nachdem der Abtreibungsparagraf 218 ins Strafgesetzbuch aufgenommen wurde, bleibt Schwangerschaftsabbruch ein Tabuthema, ungewollt Schwangere, die sich für einen Abbruch entscheiden, werden stigmatisiert. – Die sogenannte ‚Lebensschutzbewe-
gung‘ ist Teil einer antifeministischen Formierung, die mit verschiedenen Mitteln daran arbeitet, ihre teils reaktionären Ziele zu erreichen. Eines davon ist Schwangerschaftsabbruch zu verbieten, jedoch erstreckt sich ihr Kulturkampf mittlerweile auf diverse Themenfelder. Man vertritt eine rigi-
de Sexualmoral, beruft sich auf den christlichen Glauben und ist geeint in der Vorstellung, dass die heutige Gesellschaft einen Werteverfall erlebt, für den unter anderem Feministinnen verantwort-
lich seien. Hinweise auf diesen vermeintlichen Verfall sehen Teile der ‚Pro-Life‘-Szene auch in einer ‚zu niedrigen Geburtenrate‘, die mit ‚nur 1,5 weit unter dem für den Selbsterhalt eines Volkes nötigen Mindestwert von 2,1‘ liege, wie es der Verein ‚EuroProLife’ auf seinem Flugblatt formuliert. Dieses Herbeireden einer vermeintlichen demographischen Krise kennt man sonst von der soge-
nannten ‚Neuen Rechten’. Dieses nicht einfach zu umfassende Netzwerk aus Aktivisten, Medien und Gruppierungen positioniert sich aus völkisch-nationalistischen Gründen ebenfalls gegen Schwangerschaftsabbrüche. Bei der Verbreitung der Verschwörungserzählung, dass sinkende Geburtenraten, eine alternde Gesellschaft und Immigration die Gesellschaft bedrohen würden – auch als ‚Großer Austausch’ bezeichnet – bilden Abtreibungsgegner*innen und die extreme Rechte eine gemeinsame Front gegen Selbstbestimmung und reproduktive Gerechtigkeit. – Angesichts der schlechter werdenden Versorgungslage in Bayern, der schärfer werdenden Rhetorik und aggressiv auftretender Abtreibungsgegnerinnen und -gegner ist es dringend geboten, dass die Politik gesetz-geberisch aktiv wird. Denn insbesondere in Bayern und München haben radikale Abtreibungsge-gner viel Raum für ihre Aktivitäten. Es ist nicht nur der ‚1000-Kreuze-Marsch’ bei dem antifemi-nistische Ideologien in München sichtbar werden. Seit September 2021 stehen christlich-funda-mentalistische Abtreibungsgegner*innen im Zuge einer 40-tägigen Mahnwache direkt vor der Kli-nik von Dr. Stapf in Freiham. Für den 19. März 2022 kündigt der Verein ‚Stimme der Stillen‘ den zweiten ‚Marsch fürs Leben’ an und am 25. Oktober 2021 plant Wolfgang Hering erneut einen Ge-betsmarsch in München. Dem Gegenprotest, zu denen unter anderem die Antisexistische Aktion München (asam) aufgerufen hatte, schlossen sich am Wochenende rund 400 Personen an. In ihrem Aufruf fordert asam unter anderem ‚Räume, die Schutz bieten vor männlicher Gewalt, Femi-niziden und vor den Folgen kapitalistischer Verwertungslogik und alltäglicher Ausbeutung’.“6


Performance CARMEN – Die von der Künstlerin und Tänzerin Isabel Chacón konzipierte Perfor-
mance „Carmen“ wird bei der Solidaritätsaktion am Samstag, 20. November, auf dem Max-Joseph-Platz präsentiert, die frau-kunst-politik.de organisiert. Die Performance von ca. 5.30 Minuten lehnt sich an das Lied Habanera des Musikers Georges Bizet (1838 – 1875) an. Der Klangraum wird auch einige Zahlen zu Feminiziden im Jahr 2020 enthalten, die von den Feminizid-Beobach-
tungsstellen der einzelnen Länder zur Verfügung gestellt werden, sowie einen Text von der Künst-
lerin selbst. Dazu wird die öffentliche Kunstinstallation „Zapatos Rojos“ dargestellt, die mexikani-
sche Künstlerin Elina Chauvet (1959) als kollektive Kunstprojekt im Jahr 2009 in Ciudad Juárez, Mexiko initiierte. Hierzu liegt uns die Genehmigung der Schöpferin vor. Die Idee der Kunstinstal-
lation „Zapatos Rojos“ ist, dass jedes Paar für eine Frau steht, die Opfer eines Frauenmordes/Fe-
mizid wurde oder verschwunden ist. Ihre Abwesenheit durch die Kunstinstallation zielt darauf, dass die Zivilgesellschaft darauf hinarbeiten muss, geschlechtsspezifische Gewalt in der Weit zu beseitigen. In diesem Sinne ist die Kunstinstallation „Zapatos Rojos“ inzwischen ein internatio-
nales Symbol, welches die Gewaltlosigkeit gegenüber Mädchen und Frauen fordert. Die Kunst-
installation „Zapatos Rojos“ wurde bereits in vielen Ländern aufgeführt, wie Italien, Norwegen, Argentinien, Chile, Paraguay, Spanien, Ecuador, den Vereinigten Staaten, Kanada, Brasilien oder Benin-Afrika.7

8

Vom 3. bis 18. Dezember zeigen die Antisexistische Aktion und die Fachinformationsstelle Rechts-
extremismus München, wie in unserer Stadt Widerstand gegen den sogenannten „Abtreibungspa-
ragrafen“ geleistet wurde und wird. Unter dem Motto „Der § 218 StGB. Kollektiver Widerstand – damals und heute“ zeigt die Ausstellung zahlreiche Exponate, mit denen sich die 150-jährige Ge-
schichte des Paragrafen und der Protest dagegen nachzeichnen und greifbar machen lässt. Sie zeigt Erinnerungsstücke, gesammelte Dokumente, Poster und Texte aus den vergangenen Jahrzehnten und ermöglicht durch die Retrospektive eine Auseinandersetzung mit den feministischen Kämpfen damals und heute. Der Raum wird dabei als safe Space kuratiert und lädt zum individuellen Ver-
weilen aber auch kollektiven Austausch ein. Die Ausstellung befindet sich im Farbenladen des Fei-
erwerks
in der Hansastraße 31. Öffnungszeiten: Donnerstag bis Montag jeweils von 16 bis 22 Uhr.


1 Siehe https://www.facebook.com/hashtag/flintas

2 Siehe die Bilder der Demonstration „frauen aller länder — organisiert euch“ vom 8. März von Günther Gerstenberg.

3 Siehe die Bilder der Demonstration „my body — my choice“ vom 20. März von Richy Meyer.

4 Siehe https://www.sexuelle-selbstbestimmung.de/.

5 Siehe die Bilder von der Kundgebung und Demonstration „150 jahre paragraph 218“ von Henriette Blümke. Siehe https://wegmit218.de/aufruf/, https://www.sexuelle-selbstbestimmung.de/ und https://www.sexuelle-selbstbestimmung.de/17159/presseeinladung-pressekonferenz-150-jahre-%c2%a7218-im-strafgesetzbuch/

6 Aus der Informationsbroschüre der Fachinformationsstelle Rechtsextremismus München (FIRM) beim Feierwerk e.V.

7 Siehe die Bilder der Performance „Carmen — Zapatos Rojos“ vom 20. November von Cornelia Blomeyer.

8 Siehe https://frauentreffen.noblogs.org/category/gewalt-gegen-frauen/.

Überraschung

Jahr: 2021
Bereich: Frauen