Flusslandschaft 2021
Stadtviertel
Am 20. Februar fordern 80 Mitglieder der Siedlerschaft Kieferngarten in der Kieferngartenstraße von 14.30 bis 15 Uhr „Keine Tram-Wendeschleife“.
Wahlen werden in der Fläche gewonnen, dort, wo der kleinste gemeinsame Nenner die meisten Köpfe erreicht. Dass dabei Mikrostrukturen keine Rolle mehr spielen können, leuchtet ein. Am Mittwoch, 10. März, stimmt der Planungsausschuss im Stadtrat einem Wohnbauprojekt zu, das 2.000 neue Wohnungen im Eggarten im Münchner Norden konzipiert. Die GRÜNEN, die in der Stadt mitregieren, stimmen dem Vorhaben zu: Es sei nötig, der herrschenden Wohnungsnot zu begegnen. Dafür müssen 820 der knapp 1.000 Bäume, die auf 21 Hektar Grund stehen, gefällt werden. Dafür wird ein Biotop mit über 25 Vogelarten geopfert. Vor der letzten Kommunalwahl haben sich die GRÜNEN noch gegen die Zerstörung des Eggartens ausgesprochen. Wer ihre Ent-
wicklung mitverfolgt, sieht, dass sie als Tiger sprangen und als Bettvorleger enden. Was die GRÜ-
NEN nicht kapiert haben: Der Wachstumstrip stößt an sein natürliches Ende. Das Argument, mit weiterem Wohnungsbau werde der Anstieg der Mietpreise gehemmt, ist kurzsichtig. Das Argu-
ment, mit einer weiteren Ansiedlung großer Unternehmen werde die finanzielle Grundlage der Stadt weiter verbessert, geht ins Leere. Eigentlich müsste radikales Umdenken zu einer radikalen Transformation des Wirtschafts- und Lebensgefüges der Stadt führen. Die heilige Kuh „Wachstum“ sollte geschlachtet werden. Die GRÜNEN gewinnen in der Fläche an Zustimmung, in überschauba-
ren kleinen Zusammenhängen verlieren sie letzte Sympathien. Das ist ihnen egal. Hauptsache, die große Linie stimmt. Ob die allerdings zukunftsfähig ist?
Vom 29. April bis 20. Mai zeigt die Sendlinger Kulturschmiede die Ausstellung des Münchner Forums „Wir alle sind München“. Dazu schreibt Gabriele Duschl-Eckertsperger: „Sendling à posto“, eine stehende Redewendung von Ernst Dill, wenn es darum ging, Sendlinger Planfälle z.B. im Münchner Forum zu vertreten bzw. das Münchner Forum zu gewinnen, sendling first auf die planungs-TO zu setzen, um zu entsprechend stadtweiter Öffentlichkeit zu verhelfen und um den planenden Entscheidungsgremien die kritische Planungsbegleitung anzukündigen oder weit da-
rüber hinaus, dem Forum die aktive Sendlinger Unterstützung für stadtweit relevante Planfälle in Aussicht zu stellen. Diese Redewendung ist am 1. Dezember letzten Jahres plötzlich und unerwar-
tet verstummt. Deshalb ist die Ausstellung Ernst Dill gewidmet. Wir wollen ihn nicht vergessen. – 50 jahre münchner forum – seit 2018 wandert diese Ausstellung von Franz Schiermeier durch die Münchner Stadtteile. Wir sehen 2021 mit der Erinnerung an Ernst Dill den besonderen Anlass zur ausgewählten Präsentation von Planfällen aus dem aufwertungs- und damit bestandgefährdeten INRA (Innenstadtrandgebiet) bzw. gründerzeitlichen Stadterweiterungsgebieten, allwo die Zuzüg-
ler, die altbauverliebten Leistungsträger (SZ – Schubert), den grotesk-überhöhten Miet- oder Kauf-
preisen achselzuckend entsprechen können, womit sie die Geldmaschine Mietspiegel ölen und die Vergleichsmieten in irreale Höhen treiben. Da bleiben keine positiven Entwicklungsperspektiven für angestammte Nachbarschaft, ihre gewerbliche Infrastruktur, die die kleinteilige, wohnnahe Tagesbedarfsversorgung sichert. Da wird „Entwicklung“ zum Schreckgespenst, zum Vertreibungs-
motor. Diese Problemsicht treibt das Münchner Forum an in seiner Plankritik seit 50 Jahren – oft und oft in konstruktiver Mühe und manchmal sogar motivierend erfolgreich gegen die Übermacht des Baurechts. Auch und genau hier ist das Gründungs- und Satzungsziel der Sendlinger Kultur-
schmiede von 1978 berührt, das der Planungsstimmung der 70/80er Jahre, der Stimmung des ersten Stadtentwicklungsplans in der BRD unter dem Vorzeichen der Partizipationsentwicklung (MEHR DEMOKRATIE WAGEN) und der Novellierung des Bundesbaugesetzes mit der Veranke-
rung der Planungsbeteiligung der Eigentümer, Mieter, Pächter und Arbeitnehmer entsprach: … das Bewusstsein zu fördern, einem traditionsreichen Stadtteil zu leben, für dessen Erhaltung und Ent-
wicklung es sich einzusetzen lohnt. So geht die Ausstellung u.a. ein auf
• Großmarkthalle als Ensembleschutzbereich mit der vorgelagerten Sortieranlage
• Sendlinger Berg
• Denkmalschutz Stemmerhof
• Öffentliche Grünfläche Stemmerwiesen
• Ensembleschutz Sendlinger Ortskern mit Sendlinger Kirchplatz
und so vieles mehr – immer war das Münchner Forum ein guter Partner zur kritischen Planbeglei-
tung und immer Ernst Dill dabei, der sendling à posto zu sehen wünschte und sich unermüdlich dafür einsetzte – bester Grund, ihm diese Ausstellung zu widmen. Wir danken Franz Schiermeier, dem Autor der umfangreichen Wanderausstellung für die spezifisch an unsere Präsentationsmög-
lichkeiten angepasste Auswahl. Wir bedanken uns für seine fach- und sachkompetente Recherche, Planausstattung und Gestaltung. Mehr zur Münchner Planungsgeschichte und ihre wachsamen Kritiker in „München – nicht wie geplant“ von Karl Klühspies/Franz Schiermeier Verlag. Zeit-
gleich: Sendling 1997 – 2019. Fotografien von Werner Resch.“1
1 Zugeschickt am 24. April 2021