Materialien 1987

Denkmal für Deserteure

Eine Verhöhnung der Toten
Zum »Denkmal für Deserteure«, SZ vom 16.11.:
Alle Völker dieser Welt sind sich (ausnahmsweise) einig in der Beurteilung der Strafwürdigkeit und in der Verachtung des Deserteurs. Angesichts dieser Tatsache dem Deserteur ein Denkmal setzen zu wollen, das wäre grotesk. Dieses scheint Herrn Rudi Seibt entgangen zu sein. Ein solches Denk-
mal auch noch in die Nähe eines Denkmals setzen zu wollen, das zu Ehren der Toten eines Krieges errichtet wurde, wäre grotesk und käme einer Verhöhnung der Toten gleich.
Denn auch hierin sind sich die Völker dieser Welt einig, daß diese Toten der Ehrung würdig sind. Dieses »heroisch-grotesk« zu nennen, bleibt allein Herrn Rudi Seibt und seinen Kumpanen über-
lassen. Solche Provokationen liegen jenseits menschlichen Gefühls. Wohlgemerkt: Ein Deserteur ist nicht in einem Atemzug mit einem Kriegsdienstverweigerer zu nennen. Dieser bleibt im Rah-
men seiner staatsbürgerlichen Rechte.
Dietz von dem Knesebeck
Bannzaunweg 15a
8024 Deisenhofen

Stellvertreterkriege werden nicht mehr möglich sein
Zu Ihrem Bericht »Ein Denkmal für Deserteure« vom 10.11.1987:
Ein Denkmal für den Deserteur, das ist Friedensbewegung in großer Konsequenz. Wer den erwar-
tungswidrig langen Waffenstillstand zwischen den Machtblöcken nicht dem Gleichgewicht des Schreckens verdanken zu müssen glaubt, sondern ersten Flugversuchen höherer menschlicher Ver-
nunft, der muß freilich diesem purzelbaumig-launigen Gedanken verfallen.
Zu berücksichtigen ist hier, daß ein Gleichgewicht des Schreckens immer auch das Aufbauen und Aufrechterhalten von Feindbildern sowie andere kollektive Verdummungsstrategien voraussetzt, und zusätzlich, daß hier auf beiden Seiten eine Schar und Organisation herumhängt, die ihr Sein, ihr Tun ständig nur als eine Art Onanie empfinden muß, solange nicht endlich eintritt, was durch sie vermieden werden soll. Auch bewirken die schärfer werdenden Krallen der Völker, daß immer mehr Konfliktbewältigungsspielraum einfriert. In 20 Jahren werden auch keine Stellvertreterkrie-
ge mehr möglich sein, werden auch Irak und Iran keinen Krieg mehr ohne beidseitige Totalver-
nichtung gegeneinander führen können und noch etwas später wird auch jedes Imponiergehabe unter den Staaten wertlos, wird die Kriegsdrohung Luxemburgs für Rußland ebenso gefährlich werden wie die Rußlands für Luxemburg.
Auf der anderen Seite lernt der Mensch kaum oder überhaupt nicht, sich zur Konfliktentschärfung zu zügeln …
Auch mich stört es, daß Waffen zu schmieden sich heute wirtschaftlich immer noch so gut auszahlt und deshalb wünsche ich zwar den Deserteursverehrern, daß sie das Bewußtsein der Bevölkerung umkrempeln; daran zu glauben, fehlt mir aber der Heldenmut. »Es gibt keinen vollkommenen Ruhm ohne den mit Waffen«, schreibt Vauvenargues, der am wenigsten zynische unter den großen französischen Moralisten.
Clemens Friedrich Frhr. von Taube
Goethestraße 68
8000 München 2

In welchem Land der Erde …?
»Deserteur« laut Duden: Fahnenflüchtiger, Überläufer. In welchem Land der Erde, außer der Bun-
desrepublik Deutschland, ist es möglich, daß Deserteuren öffentlich ein Denkmal gesetzt wird?!
Hans Gritsch
Truderinger Straße 128
8000 München 80


Süddeutsche Zeitung vom 21.12.1987

Überraschung

Jahr: 1987
Bereich: Frieden/Abrüstung