Materialien 2022
Das Völkerrecht gilt für alle Staaten
Alle Angriffskriege, die in den letzten Jahren und Jahrzehnten geführt wurden, verurteilen wir scharf.
Weder fehl geschlagene geostrategische Politik noch ein präemptiver Militäreinsatz gegen einen möglichen Krieg oder eine ukrainische Atombewaffnung sind völkerrechtlich zulässig, weil es keine Verteidigung ist. Das Völkerrecht kennt keine Präemptivkriege, die das Aufkommen möglicher Ge-
fahren bereits im Keim ersticken sollen. Einen solchen „vorbeugenden Militärschlag“ wollte die Bush National Security Strategy ab 2002 neu einführen, was aber international scheiterte. Die derzeitige militärische Aktion Russlands ist als solche Strategie zu werten und muss unverzüglich eingestellt werden. Die Streitpunkte müssen innerhalb einer geeigneten internationalen Organisa-
tion Europas, der OSZE, verhandelt und gelöst werden. Die eingegangenen Verpflichtungen sind auch real und konkret von allen Beteiligten durchzuführen. Das ist die Wahrheit, sie ist immer konkret.
Waffen an Krieg vorbereitende oder Krieg führende Staaten zu liefern, lässt später Menschen lei-
den und verlängert den Krieg. In der Vergangenheit mussten wir oft anhören, dass Kriege mit Millionen Toten gerechtfertigt wurden mit Vorwürfen, die sich kurz danach als erfunden heraus-
gestellt haben.
Es heißt: Das erste Opfer des Krieges ist immer die Wahrheit. Bestürzend ist, dass die Wahrheiten schon vorher geopfert wurden auf dem Altar der Interessen. Im Standort-Kapitalismus spielt das Kapital die Länder und Standorte gegeneinander aus, um daraus Vorteile zu ziehen. Diesem Sys-
tem der Konfrontation, Eskalation und Kriegen keinen Menschen und keinen Groschen!
Es ist ein Hohn, wenn Militärs behaupten, ihre Waffengänge richteten sich nicht gegen Zivilisten, sondern nur gegen militärische Einrichtungen der Kriegsgegner. Granaten und Raketen unter-
scheiden nicht zwischen Soldaten und Zivilisten, auch nicht wenn sie Präzisionswaffen heißen.
Auch die gegenseitig durchgeführten Sanktionen treffen kaum die Staatsoberhäupter oder Multi-
millionäre oder Oligarchen. Sanktionen verschlechtern das Leben einfacher Menschen, nicht nur Russen und Ukrainer, sondern vieler Menschen in anderen Ländern. Wir können hier nicht alle militärischen Einsätze aufzählen, die in den 75 Jahren nach dem letzten Weltkrieg vorgefallen sind. Wir müssen auch unseren eigenen Anteil an der Eskalation beachten. Der Friedensnobelpreisträ-
ger Willy Brandt erläuterte in seiner Rede zur Verleihung des Preises: „Krieg ist nicht mehr die ul-
tima ratio, sondern die ultima irratio. Auch wenn das noch nicht allgemeine Einsicht ist: Ich be-
greife eine Politik für den Frieden als wahre Realpolitik dieser Epoche.“ Der wirkliche Ernstfall ist der Friede.
Die Anerkennung von Donezk und Luhansk als unabhängige Staaten durch Russland und die Ent-
sendung von Militär war ein Bruch des Minsk-II-Abkommens, das durch UN-Sicherheitsratsbe-
schluss Völkerrechtstatus hat. Dies erhöht das Risiko für die Ausweitung zu einem europäischen Krieg.
Russland hat auf die Weigerung der Ukraine reagiert, das Abkommen von Minsk-II durchzuset-
zen. Die Ukraine blockierte mit Duldung des Westens seit acht Jahren das Abkommen. Dieses hätte die Lage der Menschen in der gesamten Ukraine verbessert. Wir fordern die Ukraine auf, dieses Abkommen zu erfüllen, ebenso fordern wir Russland als Mitunterzeichner von Minsk-II auf, die Realisierung zu ermöglichen. Nur auf administrativem Weg in der Ukraine ist eine politische Lösung zu verhandeln, dazu muss die Europäische Union beitragen.
Die Anerkennung der beiden ostukrainischen Gebiete als Staaten durch Russland war eine überzo-
gene Reaktion darauf, dass die USA und in ihrem Gefolge die NATO nicht bereit waren, ernsthaft zu verhandeln über die legitimen Sicherheitsinteressen, die Moskau im Dezember vorschlug. Die europäischen NATO-Verbündeten haben sich leider der US-Politik angeschlossen,
Es gibt nur eine und zwar eine ungeteilte und gemeinsame Sicherheit. Die mehrfache Erweiterung der NATO in Richtung der russischen Grenze hat diese Sicherheit unterhöhlt.
Wir fordern deshalb:
• Sofortige Einstellung aller militärischen Aktivitäten auf allen Seiten;
• konkrete Schritte zur Deeskalation;
• Rückkehr zu und zügige Umsetzung von Minsk-II;
• Verhandlungen mit Russland auf der Grundlage eines klaren Bekenntnisses zu dem Prinzip der gemeinsamen Sicherheit;
• aktives Eintreten für Rüstungskontroll- und Abrüstungsverhandlungen;
• Beginn von Verhandlungen über eine dauerhafte Friedensordnung Europas von Lissabon bis Wladiwostok;
• Schluss mit Kriegsrhetorik, Konfrontationspolitik und Sanktionen.
Wir fordern alle am Frieden in Europa interessierten Menschen auf, sich in öffentlichen Aktionen, Infoständen, Mahnwachen, Demonstrationen und Initiativen für diese Forderungen zu beteiligen.
Werner Schmidt-Koska
25. Februar 2022