Materialien 2002
Kindische „Spielereien“
Mit einer Dreistigkeit, die ihresgleichen sucht, verkündete Herr Kujat, hoher Würdenträger der Bundeswehr, während der Trauerfeier für die Opfer, dass die Kommandeure der zuständigen Einheiten in Kabul, keine Schuld hätten, dass alles vorschriftsmäßig durchgeführt worden wäre. Fünf Tote, acht Verletzte, eben ein Unglücksfall, basta …
Zu Kujats Pech wurde die Staatsanwaltschaft eingeschaltet, die sich dann, vollkommen unver-
ständlich, den Eingriff des Bundesverteidigungsministers gefallen lassen musste, der die Unter-
suchenden zur Zurückhaltung mahnte!
Jetzt muss sich Herr Kujat von einer oldenburgischen Bezirkszeitung, die ihre Informationen von der Bundeswehr erhielt, sagen lassen, ,,dass die so genannten ‚Spezialisten‘ versuchten, Teile der Rakete SAB abzumontieren, um sie als ,Trophäe’ mit in die Heimat nehmen zu können“. Als ob alles ein Spielchen wäre – zwei Mann montieren und zehn andere sehen lustig zu, während man in Städten bei ähnlichen Anlässen ganze Häuser evakuiert. Wo ist da der verantwortliche Einsatz der Truppenführung geblieben?
Unter dem Eindruck Scharpingscher Einflussnahme hat die Staatsanwaltschaft vermutliche Spie-
lereien am Raketenzünder als „Meldung der Bildzeitung“ dargestellt und so disqualifiziert. Aber was nun, wo man doch sonst bei Übernahme von Bildzeitungsmeldungen nicht so zurückhaltend ist?
Kann man unter solchen Umständen noch Vertrauen haben zu den Verantwortlichen unserer Ge-
sellschaft, ganz egal, auf welcher Führungsebene sie aktiv sind? Ist da nicht auch die Frage be-
rechtigt, was wir in diesem Land überhaupt zu suchen haben, wenn es letzten Endes doch nur darum geht, strategisch die Lage abzusichern beim Aufbau der neuen Erdgas- und Öl-Linien für die amerikanischen Herrschaftspläne im Rahmen der Globalisierung?
Karl Ziegler, München
unsere zeit. Sozialistische Wochenzeitung 18 vom 3. Mai 2002, 8.