Materialien 1980
Die Diffamierung hat Methode!
Die amtliche Zeitschrift des Kultusministeriums mißbraucht der CSU-Bundestagsabgeordnete Probst zu einem diffamierenden Angriff auf führende Politiker der SPD, denen er unterstellt, sie seien Steigbügelhalter einer kommunistischen Unterwanderung unseres Bildungswesens. Er kann dies mit der ausdrücklichen Billigung des Kultusministers tun, des Ministers, der die politische Verantwortung für eine schulische Strafaktion gegen eine Schülerin trägt, die es gewagt hatte, mit einer „Stoppt Strauß“-Plakette im Unterricht zu erscheinen. Desselben Ministers, dessen Behörde, natürlich mit seinem vollsten Einverständnis, eine hochnotpeinliche Untersuchung am lckinger Gymnasium anordnete, um angeblichen ,,Straußunfreundlichen Äußerungen“ auf die Spur zu kommen.
Es ist entschieden zurückzuweisen, daß Herr Probst im Stil der Nazis, Sozialdemokraten mit Kom-
munisten gleichsetzt und dieser Rufmord in einer offiziellen Zeitschrift eines Bayerischen Staats-
ministeriums abgedruckt wird.
Skandalös ist es, daß eine derartige Diffamierung vom Kultusminister in aller Öffentlichkeit mit dem Hinweis auf Gelassenheit, Humor und Platzvorteil der CSU in einem Regierungsblatt süffisant gebilligt wird.
Schlicht unerträglich wird dieser Vorgang, wenn eine parlamentarische Debatte zu diesem Sach-
verhalt von CSU-Vertretern benutzt wurde. Andersdenkenden in derart aggressiver Feindseligkeit gegenüberzutreten, die bereits als körperliche Bedrohung empfunden wurde.
Wie würden wohl die Herren Strauß, Stoiber und Probst reagieren, wenn CSU-Politiker als Steig-
bügelhalter des Faschismus in einem Organ der Bundesregierung bezeichnet würden – und an-
schließend der zuständige Minister witzelnd dies billigte!
Die Doppelzüngigkeit der CSU wird an diesem Beispiel offensichtlich: Man wettert gegen angebli-
che Radikale im öffentlichen Dienst und fördert dabei von Amts wegen den Radikalismus durch solche Politikerbeiträge.
Eine Partei, die Andersdenkende als Ratten und Schmeißfliegen bezeichnet, die den demokrati-
schen Sozialismus mit Unfreiheit gleichsetzt, hat die politische Grundübereinstimmung der Demo-
kraten längst verlassen und schürt politische Radikalität.
Wenn Herr Probst beklagt, die Bildungspolitik der SPD/FDP-Koalition ziele auf eine Veränderung des Gesellschaftssystems ab, so hat er recht. Die Koalition will eine Veränderung hin zum Denken mit Toleranz und Reformbereitschaft. Herr Probst will die bestehenden Machtstrukturen durch seine Bildungspolitik abgesichert wissen – hier scheiden sich die Geister!
Die Bundesregierung und wir Sozialdemokraten in Bayern wollen die verstärkte Förderung unserer Kinder, wir wollen die Chancengleichheit im Bildungswesen herstellen. Wer heute noch den Le-
bensweg eines Menschen im 10. Lebensjahr vorbestimmen läßt, der will die soziale Auslese, nicht aber die Förderung aller Kinder ungeachtet ihrer familiären Herkunft.
Herr Probst mag seine reaktionären Bildungsvorstellungen äußern wie und wo immer er will – seine Rufmordkampagne gegen führende Sozialdemokraten aber hat in einer offiziellen Zeitschrift eines Bayerischen Staatsministeriums keinen Platz. Dieser Abdruck war ein klarer Verstoß gegen rechtsstaatliche Grundsätze.
Jürgen Böddrich, SPD
Schulreport. Tatsachen und Meinungen zur aktuellen Bildungspolitik in Bayern 2/1980, München, 34 f.