Flusslandschaft 1955
Internationales
Als Frankreich seine Kolonialarmee aus Indochina zurückholt, um sie anschließend gegen die algerische Befreiungsbewegung einzusetzen, singt Boris Vian in Paris sein Chanson »Der Deser-
teur«: »Verehrter Präsident / Ich sende Euch ein Schreiben / Lest oder laßt es bleiben / Wenn Euch die Zeit sehr brennt. // Man schickt mir da, gebt acht / Die Militärpapiere / Daß ich in den Krieg marschiere / Und das vor Mittwochnacht. // Verehrter Präsident / Das werde ich nicht machen / Das wäre ja zum Lachen / Ich hab kein Kriegstalent. // Sei´s Euch auch zum Verdruß / Ihr könnt mir´s nicht befehlen / Ich will´s Euch nicht verhehlen / Daß ich desertieren muß. // Seit ich auf Erden bin / Sah ich den Vater sterben / Sah meine Brüder sterben / Und weinen nur mein Kind. // Sah Mutters große Not / Nun liegt sie schon im Grabe / Verlacht den Bombenhagel / Und treibt mit Würmern Spott. // Als ich Gefangner war / Ging meine Frau verdienen / Ich sah nur noch Ruinen / Nichts blieb, was mir mal war. // Früh wenn die Hähne krähen / Dann schließ ich meine Türen / Und will die Toten spüren / Und auf die Straße gehen. // Ich nehm den Bettelstab / Auf meiner Tour de France / Durch Bretagne und Province / Und sag den Menschen dies: // Ver-
weigert Krieg, Gewehr / Verweigert Waffentragen / Ihr müßt schon etwas wagen / Verweigert´s Militär. // Ihr predigt, Kompliment / Doch wollt Ihr Blut vergießen / Dann laßt das Eure fließen / Verehrter Präsident. // Sagt Eurer Polizei / Sie würde mich schon schaffen / Denn ich bin ohne Waffen / Zu schießen steht ihr frei. // (Variante zur Schlußstrophe, nur in Notfällen zu singen) // Sagt Eurer Polizei / Sie würde mich nicht schaffen / Denn ich besitze Waffen / Und schieße nicht vorbei.«1 Boris Vians Chansons werden in den folgenden Jahrzehnten unter anderem von Hilde-
gard Knef und Wolf Biermann gesungen. Die Kampagne gegen die Wehrpflicht verwendet das Lied noch 1990.
1 Boris Vian, Der Deserteur – Chansons, Satiren und Erzählungen, Berlin 1992.