Materialien 1945
München, wie es anfing
Von Ludwig Koch
Am Tag der Besetzung der Stadt München am 30. April 1945 befand ich mich nicht – oder besser gesagt – noch nicht in München. Infolge meiner Verurteilung „Vorbereitung zum Hochverrat“ im Jahre 1939 wegen illegaler Weiterführung sozialistisch-gewerkschaftlicher Organisation und Arbeit befand ich mich in politischer Haft, zuletzt in einem Außenlager des Zuchthauses Bayreuth, in Creussen. Das Lager wurde wohl schon am 15. April 1945 von einer amerikanischen Truppe befreit, jedoch bot sich erst am 12. Mai 1945 eine Möglichkeit, auf eigene Faust die Heimkehr anzutreten.
Am 15. Mai gegen 13 Uhr traf ich zu Hause in München ein. Der 1. Mai 1945 wurde im offenen La-
ger, zusammen mit vielen tschechischen politischen Häftlingen, bei einer Veranstaltung gewürdigt. Als Inhaftierter wußte ich zwar viel darüber, wie sich das Kriegsgeschehen entwickelte, aber doch zu wenig, was sich politisch in ganz Deutschland abspielte.
Meine ersten zwei bis drei Tage zu Hause dienten dem Ausruhen in der Familie, dem Eingewöh-
nen, der Orientierung.
Die eingeschränkten Ausgehzeiten machten die Umschau nicht gerade leicht. Über meine alten Freunde kam ich in Verbindung zu Leuten, die sich bemühten, die SPD wieder aufzubauen. Dort erfuhr ich von dem Kreis alter Gewerkschafter um den früheren Vorsitzenden des ADGB, Kollegen Gustav Schiefer, die sich in den Räumen des ehemals christlichen Gewerkschafters Franz Fackler in der Sendlinger Straße 53 jeden Mittwochnachmittag trafen.
Wegen der noch bestehenden Ausgangssperren in den ersten Monaten der Besetzung hatten die meisten der Kollegen dieses Gründerkreises Not, zurecht zu kommen, denn es gab keinerlei Ver-
kehrsmittel; selbst zu Rad war dies noch nicht ratsam. Mein einfacher Fußmarsch von der Woh-
nung zum Stadtteil Freimann betrug einundeinehalbe Stunde.
Um wenigstens die Hungerrationen, d.h. die Markenzuteilung, zu erhalten, fing ich bei meinem Arbeitgeber vor der Verhaftung 1938, dem Reichsbahnausbesserungswerk, als Lehrlingsausbilder an und besuchte dabei die Treffpunkte dieser Gründerkreise, wodurch ich am Rande mitbekam, wie sich die Bildung der neuen Gewerkschaftsbewegung abspielte.
Erste Schritte zur Gewerkschaftsgründung
Mein Erscheinen im Kreise – so Anfang Juni 1945 – wurde verständlicherweise vom Kollegen Schiefer gestoppt; er wollte wissen, wer ich sei. Ich erklärte mich, wobei der anwesende frühere Bezirksvorsitzende der Gewerkschaft der Eisenbahner, Kollege Hartl Horlacher, mich bestätigte.
Schiefers Vorbehalte, so meine ich, waren aber erst voll überwunden, als Mitte August Willi Eichler vom ehemaligen ISK und nun stellvertretender Vorsitzender der neuen SPD zu einem Informati-
onsbesuch zum Gründerkreis kam, mich freudvoll begrüßte und ebenfalls bestätigte. Er informier-
te mich dabei auch, daß sich die Sozialisten in der Emigration auf eine neue Sozialdemokratische Partei geeinigt haben, die Platz bietet für alle freiheitlich orientierten Sozialisten. Das war für mich dann Veranlassung, dort aktiv mitzutun.
Auf dem Weg zur Einheitsgewerkschaft
Schon die erste Teilnahme an den Gesprächen der Gewerkschaftsgründer zeigte mir, daß die Ori-
entierung zur Einheitsgewerkschaft schon gelaufen war. Der Kollege Fritz Meyer, der mit mir dann Anfang des Jahres 1946 als Rechtsstellensekretär zur Anstellung bei den Gewerkschaften kam, be-
kundete mir, daß sich Kollege Heinrich Krehle, der frühere Münchner Vorsitzende der „Christli-
chen Gewerkschaften“, bereits am 2. oder 3. Mai mit Kollegen Schiefer getroffen habe zur Grün-
dung der neuen Gewerkschaften als Einheitsgewerkschaften. Dies fand ich ausgiebig bestätigt in den Personen, die sich in diesem Gründerkreis zusammengefunden hatten, und später auch in der personellen Zusammensetzung der Einheitsgewerkschaft.
Einheitsgewerkschaft bedeutet sowohl keine Trennung mehr nach religiösen, politischen und ideo-
logischen Motiven als auch Organisation von Arbeitern, Angestellten und Beamten in einem durch-
gehenden Verband.
Probleme über Probleme
Die ersten Gespräche liefen nach der Erinnerung um die Gliederung der Gewerkschaften , ihre Zahl, um das etwas schwierig werdende Zulassungsverfahren durch die amerikanische Administra-
tion, um eine künftige gemeinsame Unterkunft der neuen Organisation und schon mehr und mehr auch um die beabsichtigten Demontagen durch die Alliierten.
Das alte große Gewerkschaftshaus des ADGB in der Pestalozzistraße 40-42 war bis auf die Grund-
mauern kriegszerstört, das ehemalige christliche Gewerkschaftshaus in der Reisinger Straße 10 war von der wichtigen Behörde „Sozialamt“ benützt. Es gab nichts, was zur Verfügung stand.
Vielleicht ist es sinnvoll, an dieser Stelle darauf zu verweisen, daß neues gewerkschaftliches Leben in der großen Zahl der Städte, den größeren Orten, besonders den Industriezentren, hervortrat; zunächst recht selbständig – meist schon vor München –, wobei die Kollegen dies wußten: Es wird sich im Zuge der Entwicklung des staatlichen Lebens ein Bund der Gewerkschaften in zentraler Zusammenfassung entwickeln.
Diese Entwicklung ist aus der Sicht der Münchner Kollegen zu sehen, allerdings schon mit der Erwartung, daß München der Sitz eines Bayrischen Gewerkschaftsbundes sein wird. So kam es ja auch. Und im Eiltempo fast folgte dann der Deutsche Gewerkschaftsbund.
Bald sprengten die neuen Verbände die Räume
Wieder zurück zur Entwicklungsphase in München: Die Gründergruppe, die einige Male die Formalitäten von Antragstellung und Zustimmungserklärungen von gewerkschaftsfordernden Arbeitnehmern zu erledigen hatte, ging im Herbst – besuchsweise – in die Räume des früheren Geschäftsführers der Büchergilde, Kollege Binderbergers, Schwanthaler Straße 10-12. Von dort ging es wohl durch die Hilfe von Kollegen Anton Weiss (später berufsmäßiger Stadtrat) befristet in das städtische Hochhaus an der Blumenstraße, um dann – so im Februar 1946 – eine Halbruine Ecke Landwehrstraße 7-9/Mathildenstraße als endgültiges künftiges Gewerkschaftshaus zu erhal-
ten. Diese Halbruine wurde dann in den nächsten Jahren neben dem bestehenden Verwaltungsbe-
trieb aufgebaut und stabilisiert.
Aber die Gewerkschaften wuchsen, und vor allem die Sprößlinge Landesorganisationen und Ge-
werkschaftsbund für Bayern sprengten die Räume. Anschließend konnte die Ruine in der Mathil-
denstraße von der jüdischen Gemeinde in Amerika gekauft werden. Der Neubau an dieser Stelle, der ursprünglich der Jugendarbeit zugedacht war (und wo die Jugendgruppen Woche für Woche dafür Schutt schaufelten), wurde von den wachsenden Verwaltungen wiederum aufgebraucht. Denn nach der Bildung der Sitze der Landesleitungen der Einzelgewerkschaften sowie des Bayri-
schen Gewerkschaftsbundes war er bald zu klein, so daß unter dem Vorsitz des Kollegen Max Wönner an der Schwanthaler Straße 64 ein Haus in den Jahren 1956/57 gebaut und 1958 bezogen werden konnte.
So schikanös sich die Lizenzgewährung durch die erste amerikanische Administration abspielte, so kann aber auch vermerkt werden, daß dann die entsprechende neue Abteilung für Arbeitsbezie-
hungen, Manpower, unter Mister Loriaux, eine positiv fördernde Position bezog, was materiell sichtbar wurde durch Förderung von Jugend- und Bildungsprojekten, Jugendzeltlager, Jugend-
heimbau und Bildungsmaterial.
Zehntausende protestieren am 25. August 1948 auf dem Königsplatz in München gegen steigende Preise und Arbeitslosigkeit
Noch keine Tarifpolitik für alle, aber Ansätze
Der spezielle Auftrag für eine Gewerkschaft – Lohn- und Tarifpolitik – war noch lahmgelegt (es gab nur Ausnahmen für Problemindustrien sowie Lockerungen für Lohngruppen unter 50 Pfennig Stundenlohn, später angehoben bis 75 Pfennig) und konnte noch nicht voll angegangen werden. Aber es wurde gekämpft um Einreihung in Schwer- und Schwerstarbeitergruppen, um auf diese Weise mehr Lebensmittelmarken zu bekommen.
Wenngleich die Zusage zu einer Genehmigung die Gründung von Gewerkschaften schon zuließ, so daß am 28. Oktober 1945 eine große Bekenner-Kundgebung für neue freie Gewerkschaften statt-
fand, blieb es ein Gerangel mit der amerikanischen Administration, wie diese Gewerkschaften aussehen sollten. Meines Wissens kam man nie ganz dahinter, was diese amerikanische Admini-
stration in München eigentlich wollte. Schikanieren, weil die Stadt zur „Hauptstadt der National-
sozialisten“ gemacht worden war? Aber wen schikanierten sie dabei? Die von den Nazis Schika-
nierten! Oder war es Angst vor geballter zentraler Kraft?
In dieser Zeit der Verzögerungen hätten die Gewerkschafter und neuen Organisationen Notwendi-
geres tun können, als sich wöchentlich von Zusammenkunft zu Zusammenkunft grenzenlos zu ärgern. Ich weiß mich noch zu erinnern, daß im Dezember 1945 der Eisenbahner Hartl Horlacher uns mit einem kräftigen Ausdruck versicherte, daß er sich für die Eisenbahner nicht mehr an die Anordnungen halte, wenn überall umher seine Gewerkschaft längst zugelassen sei. Und das wußte er, weil er als Eisenbahner über das Diensttelefon Informationen aus den anderen Besatzungsgebieten hatte.
Das große Warten auf München
Es war auch im Dezember 1945, als Kollege Gustav Schiefer den Kollegen Alois Eckl und mich „über Land“ schickte, um die Gewerkschaftsentwicklung zu eruieren. Die meisten Orte waren früher befreit worden als München. Dort waren Genehmigungen zur Bildung von Gewerkschaften eher und ohne Schikanen erteilt worden. Überall Einheitsgewerkschaften! Man wartete dort längst auf die Kontakte aus München, denn es war die Selbstverständlichkeit, daß Gewerkschaften eine überörtliche Organisationsstruktur benötigten und diese in München sein würde.
Das, was die damalige amerikanische Administration verfolgen wollte und wovon sie nur mühselig (bei vielen geheimen Flüchen) abzubringen war, nämlich nur Betriebsgewerkschaften zuzulassen, wäre a) nur für Großbetriebe möglich gewesen und b) eine syndikalistische Struktur geworden. Keine politische Strömung, weder frühere christliche Gewerkschaften noch die früheren freien Gewerkschaften noch die RGO-Gewerkschaften neigten einer solchen Struktur zu. (Die RGO, sprich kommunistisch orientiert und vor 1933 ansässig, war, worauf auch die Amerikaner betont Wert legten, in der Gründungsarbeit mit dabei.)
Die schon genehmigten Betriebsobleute, die natürlich und glücklicherweise zum Nutzen ihrer Belegschaften und Betriebe tätig geworden waren, obwohl ihnen die eben immer noch nicht zuge-
lassenen Gewerkschaften noch nicht voll zur Seite stehen konnten, waren aber voll orientiert auf die Entwicklung der zentralen Gewerkschaft – „ihrer Gewerkschaft“. Sie, die vorläufigen Betriebs-
räte, halfen bei den Sammlungen von Unterschriften der Berufstätigen für Gewerkschaften, was bereits dreimal gefordert worden war, und erwiesen sich in jeder Weise aufgeschlossen gegenüber ihrem Verband und zur Gemeinsamkeit, als die Gewerkschaft als ersten Namen die Bezeichnung „Arbeitsgemeinschaft freier Münchner Gewerkschaften“ erhielt.
Für jede Gewerkschaft ein Tisch
Und dann begann einfach die Arbeit im Dezember 1945 in den Räumen des städtischen Hochhau-
ses Blumenstraße mit zwei Büroräumen und einem größeren Saal, ohne sich noch weiter darum zu kümmern, wann endlich die Lizenz kommen wird.
Die von allen (inzwischen gebildeten Gewerkschaften) anerkannte Spitze dieser Arbeitsgemein-
schaft war der Kollege Gustav Schiefer und der inzwischen aus Straubing dazugekommene Kollege Georg Reuter, der – wie uns gesagt wurde – von den Angestelltenverbänden kam. Im großen Saal wurden dann Tischgruppen aufgestellt, so daß jede der zehn gedachten Gewerkschaften ihre Arbeit aufnehmen konnte.
Während Kollege Schiefer stark gefordert wurde, Kontakte nach außen herzustellen, um für Mün-
chen die gewerkschaftliche Funktionsübernahme beim Arbeitsamt, bei der Ortskrankenkasse, der Arbeiterrentenversicherung und für einen Stadtrat vorzubereiten, wurde Kollege Reuter der starke Organisationsmensch. Die Reutersche Konzeption war mehr auf einen Verbund gerichtet, bei selbstverständlicher Selbständigkeit der Einzelgewerkschaft, so wie man es später auch im Öster-
reichischen Gewerkschaftsbund sehen konnte. Aus dieser Sicht kam es in Bayern zu einer intensi-
veren Förderung der Ortsausschüsse und Kreisstellen in den ehrenamtlich betriebenen DGB-Ne-
benstellen sowie zum Aufbau der Bezirksstellen; für Oberbayern mit Alois Eckl und dem Sekretär Hans Hein in München, für Schwaben Franz Adelhorst und Richard Kohlberger in Augsburg, in Niederbayern/Oberpfalz mit Franz Wolf und Willi Glade in Regensburg, Ober- und Mittelfranken mit Ludwig Kembügler und Willi Klein in Ansbach, und Unterfranken mit Kollegen Otto Huber in Würzburg. Nürnberg und München verblieben ohne Anbindung an einen Bezirksleiter.
Gewerkschafter in großer Verantwortung
Aus dem Personenkreis der Gewerkschaftsgründer wurden eine Reihe von Kollegen ins „öffentliche Leben“ berufen: Heinrich Krehle, Staatssekretär und Arbeitsminister; Thomas Wimmer, Bürger-
meister und Oberbürgermeister; Josef Seifried, Innenminister; Lorenz Sedlmayer, Staatssekretär/ Wirtschaftsministerium; Anton Weiss, Berufsmäßiger Stadtrat; Josef Schilling, Direktor des Ar-
beitsamtes München; Max Peschel, Direktor der LVA Oberbayern – um nur einige zu nennen.
Die Arbeitsgemeinschaft freier Münchner Gewerkschaften stellten dann selbst Mitarbeiter ein – Sekretäre für Arbeits- und Sozialrecht, für Jugend (mit Sonderlizenz der amerikanischen Admini-
stration), für Frauen und Angestellte, für Bildung und den Aufbau eines gemeinsamen Kassen-
wesens und Beitrags-Einzugs-Systems. Kollege Max Wönner, der spätere Vorsitzende, kam Mitte 1946 zur Arbeitsgemeinschaft, da er durch seine Verwundung vorher nicht arbeitsfähig war.
Diese Männer bestimmten den Weg des Bayrischen Gewerkschaftsbundes: Lorenz Hagen, Max Wönner und Gustav Schiefer (v.l.n.r.).
Die Männer an der Spitze
Mitte 1946 war ein Organisationsausschuß zur Vorbereitung der Gründung eines Bayrischen Ge-
werkschaftsbundes gebildet worden. Diese Arbeit teilten sich die Kollegen Georg Reuter und Max Wönner, wobei Georg Reuter als Generalsekretär für den Bayrischen Gewerkschaftsbund und Max Wönner als Nachfolger für Gustav Schiefer in München ins Auge gefaßt wurde, da man aus Alters-
gründen eben an einen Nachfolger denken mußte und Max Wönner als einer der Stellvertreter für den vorgesehenen Landesvorstand galt.
Wirklichkeit geworden: Bayrischer Gewerkschaftsbund
Soweit es die Verbindungen schon zuließen, gab es auch entsprechende Gespräche mit den Nürn-
berger Kollegen und sicher auch andernorts über die Organisationsentwicklung, denn in der zwei-
ten Hälfte von 1946 kam aus Nürnberg Kollege Lorenz Hagen, der als Vorstandsvorsitzender für den DGB-Landesbezirk vorgesehen war und später auch gewählt wurde.
Der Konferenz zur Gründung des Bayrischen Gewerkschaftsbundes (BGB) – vorbereitet durch den Vorbereitungsausschuß – gingen die Gründungen der Einzelgewerkschaften zu Landesgewerk-
schaften voraus, die auf ihren Landesgründungskonferenzen jeweils den Beschluß faßten, einen Bayrischen Gewerkschaftsbund mitzugründen. Ein gleiches „Vorspiel“ entwickelte sich dann auch zur Gründung des Deutschen Gewerkschaftsbundes im Oktober 1949 im Kongreßsaal in München, denn die Beschlüsse waren die Grundlage zur Gründung.
Kollege Georg Reuter wurde bei der Gründung des BGB in München Ende März 1947 zu einem der zwei stellvertretenden Landesvorsitzenden gewählt, zugleich aber auch bestellt als Generalsekretär für die Gründung des Deutschen Gewerkschaftsbundes 1949. Gustav Schiefer war zuvor in Mün-
chen ausgeschieden.
Wir frühen Sekretäre – auch die ab 1947 für die Landesbezirke – hatten Mühe, in diesen schwim-
menden Zuständigkeiten zurechtzukommen. Ähnliches vollzog sich auch innerhalb der Einzelge-
werkschaften. Die Entwicklung rollte oft schneller, als es der Sache gut tat. Nicht nur, daß alte Sekretäre ihre vorgesehenen Arbeitsbereiche mit unzulänglichen Mitteln aufbauen und aktiv entwickeln mußten, sondern es erforderten die Zeitverhältnisse auch außerordentliche Arbeiten – wenn ich hier zum Beispiel nur an die vielen Großaktionen denke. Die Münchner Organisation und ihre Sekretäre wirkten dabei stets über München hinaus – gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen des Landesbezirks, aber auch mit den schon angeführten DGB-Bezirksstellen.
Immer wieder riefen die Gewerkschaften zu Protestkundgebungen gegen den Preiswucher auf. (25. August 1948)
Von Anfang an stark: die Jugendarbeit
Ein besonders typisches Beispiel gab es in der Jugendarbeit. Nach 1946 eröffnete die „Arbeitsge-
meinschaft freier Münchner Gewerkschaften“ auf dem zurückerstatteten Metallarbeiter-Erho-
lungsheim „Raintaler Hof“ in Garmisch eine Jugendschule für die neuen Jugendleiter und Jugend-Betriebsfunktionäre. Diese Jugendschule hatte sich Gustav Schiefer speziell zum70. Geburtstag im Juni 1946 erbeten. Ich meine, daß sich der starke Auftrieb in der Jugendarbeit größtenteils aus diesem Schulungsvorhaben entwickelt hat, ohne die allseitige Förderung durch alle Betriebsräte- und Organisationsstellen der Gewerkschaften und des BGB mindern zu wollen. Es ist dann eine breitgefächerte große Jugendarbeit aufgeblüht. Die Jugend kam vorbehaltlos zur Demokratie. Was gab es damals für große Pfingsttreffen, schon ab 1949! Und ich meine, daß die Gewerkschaften allseits Anerkennung und Ansehen gefunden haben, wobei zu der gewerkschaftlichen Arbeit die aufopfernde Zusammenarbeit mit den betrieblichen Obleuten wie auch den späteren Betriebs- und Personalräten zu zählen ist.
Schon bald aber regt sich der Widerstand gegen Gewerkschaftsrechte
Ich denke, daß der Organisationsaufbau zum Bayrischen Gewerkschaftsbund nicht nur reibungslos lief, sondern sich auch belebend auf die Orts- und Gruppenarbeit auswirkte, die Entwicklungspha-
se Deutscher Gewerkschaftsbund dagegen mindestens zunächst stark irritierte, vor allem die Orga-
nisationsstruktur in den übrigen Zonen des Landes.
Eine größere Bedeutung erfuhren die Gewerkschaften durch die Radiosendung „Die Gewerkschaft ruft“, jede Woche eine Viertelstunde. Außerdem erschien im August die Gewerkschaftszeitung, deren Auflagenhöhe allerdings von der begrenzten Papierzuteilung bestimmt war. Redakteur war der alte Kollege Endrulat.
Als die erste Stabilisierungsarbeit geleistet und die Not einigermaßen überwunden war, zeigte sich der konservative Charakter des Bürgertums im beginnenden Kampf gegen das Recht der Betriebs- und Personalräte.
Das aber ist ein Kapitel, mit dem sich der neugegründete Deutsche Gewerkschaftsbund noch stär-
ker auseinandersetzen mußte. Aber die Arbeit im Bayrischen Gewerkschaftsbund hatte wesentlich dazu beigetragen, dieser Entwicklung entschieden entgegentreten zu können.
werden 85. Jahrbuch für die deutschen Gewerkschaften, Köln 1985, 13 ff.