Materialien 2024
Ricky und Rudi
Gedankenblitz 30
Regelmäßig kommt Ricky zu mir, mit Rucksack und Registrierkarte. Sie bereitet mir ein fleisch-
freies Abendessen zu (auch mal Kaiserschmarrn für Freunde) und drängt mich, mehr zu trinken. Sie wäscht, räumt auf, bügelt, saugt ein paar Teppiche, raucht eine Zigarette auf dem Küchen-
balkon. Nebenbei erzählt sie von ihrem Sohn, den sie bis zur Fachhochschule gebracht hat, nachdem sie 1980 von der Schule weg aus Kosovo hierzulande eingewandert war. Sie gibt Ge-
sundheitstipps. Oder wir plaudern ein wenig über Gott und die Welt.
Manchmal kommt auch Rudi, der mal in der IT-Branche tätig war. Rudi liest lange Texte aus der Zeitung vor und leistet ein paar Handgriffe. Nebenbei erzählt er von seiner aus dem Bayerischen Wald stammenden Familie. Notfalls gibt mir der Rentner Rudi auch Computer- und Smartphone-
tipps. Oder wir plaudern ein wenig über Gott und die Welt.
Ricky und Rudi sind jedoch weder gewöhnliche Haushaltshelfer noch professionelle Pflegekräfte. Sie werden von einer privaten Initiative entsandt, die sich „Alltagsbegleiter München“ nennt. Diese organisiert der erfolgreiche Fußballspieler und -trainer Marco Kurz (1860 München u.a.) zusam-men mit seiner Frau Tammy, einer engagierten Lehrerin. Die Alltagsbegleiter sollen betagten Mit-bürgern, die von Gesundheitsproblemen oder Vereinsamung bedroht sind, stundenweise beiste-hen. Wie in meinem Fall, aber auch bei Einkäufen, Arztbesuchen oder einfach nur beim Spazieren-gehen. Finanziert wird der Service zum Teil durch die Pflegeversicherung.
Ricky, Rudi, Marco und Tammy sind kleine Rädchen im großen, immer wieder kritisierten, aber funktionierenden Sozialsystem, das Staat, Konnunen, Kirchen und private Wohltäter für unser-
einen, für die „Greise Generation“, in Deutschland geschaffen haben. Dafür möchte ich an dieser Stelle mal Dank und Anerkennung sagen.
Ein Wernutstropfen muss dennoch sein: Immer wenn Ricky abends ihren Dienst bei mir beendet hat, eilt sie zu einem nahe gelegenen Altenpflegeheim, wo sie Nachtdienst und nicht nur gute Er-
fahrungen macht. Die alten Leute, berichtet sie mir mit detaillierten Beispielen, würden stramm gegängelt, ja, wie im einstigen Sowjetreich rumkommandiert und nicht selten arg vernachlässigt
Karl Stankiewitz
3. August 2024
zugeschickt am 4. August 2024