Flusslandschaft 1980

AusländerInnen

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Eleonore Romberg und Studenten und Studentinnen der Katholischen Stiftungshochschule in der Preysingstraße 83 gründen in der Metzstraße 37 in Haidhausen den Projektladen Ausländerarbeit innerhalb des Vereins für Internationale Jugendarbeit e.V.2

„In der Absicht die Vernichtung der Landfahrerkartei zu erzwingen, beschließen Sinti auf dem Gelände des bayerischen KZ Dachau einen Hungerstreik, den sie bei einer Pressekonferenz im Februar ankündigen; Widerstand bringt ihnen darauf nicht nur die ‚Schlösser- und Seen-Verwal-
tung’ (die im ehemaligen Konzentrationslager das Hausrecht innehat) als verlängerter Arm des Innenministeriums entgegen, sondern auch das (katholische) Erzbischöfliche Ordinariat, das befürchtet, ein auf dem KZ-Platz vorgesehener ökumenischer Gottesdienst könne als potentielle politische Demonstration angesehen werden; der bayerische Innenminister Gerold Tandler (CSU) verhängt daraufhin ein Verbot und begründet: ‚Das ehemalige KZ Dachau ist eine Gedenkstätte und soll dies auch bleiben. Es ist kein Forum für Demonstrationen zu aktuellen Problemen. An diesem Grundsatz wollen wir festhalten!‘; ausgerechnet an dem Ort in Bayern, an dem zuallererst ‚Zigeuner’ eingeliefert und gequält worden sind, dürfen sie nicht gegen Missstände, die dort ihren Ausgang nahmen und bis in die Gegenwart ihr Leben beeinträchtigen, demonstrieren; am Ende bietet die Evangelische Kirche den Sinti und Roma ihre Kapelle auf dem KZ-Gelände als Ort der Zusammenkunft sowie eines ökumenischen Gottesdienstes an und hier kann auch der Hunger-
streik vom 4. April bis 11. April stattfinden; nach fünf Tagen, inzwischen hatte es Sympathiebe-
kundungen aus der ganzen Welt für die Aktion gegeben, u.a. durch Prominente wie Yul Brynner, Heinrich Böll, Yehudi Menuhin, Willy Brandt, erscheint als Vertreter des Innenministeriums Staatssekretär Franz Neubauer (CSU) um zu verhandeln; mit einem äußerst faulen Kompromiss geht dieses Kapitel bayerischer Sinti- und Roma-Geschichte zu Ende; die Ordensschwestern des auf dem KZ-Gelände angelegten Karmelitinnenklosters unterstützten anscheinend – im Gegensatz zur Bistumsleitung – die Aktionen der Sinti. – 1980/1981: Der Hungerstreik der Sinti auf dem Gelände des ehemaligen KZ Dachau wird zum Anlass für die Gründung eines Dachauer Bürger-
komitees, das sich bemüht aktiv Vorurteile und Hass gegenüber der Minderheit abzubauen; neben Komitee-Sprecherin Birgit Lang engagieren sich Peter Kuhn, Dieter sowie Inga Berger, Gerd Kummet, Tina Kriechbaumer und andere, insgesamt 15 Bewohner des Ortes; ein Kulturtag mit Dokumentation, Fotoausstellung, Sintigästen, die ihre künstlerischen Arbeiten (Geigenbau, Holzschnitzkunst, Ikonenmalerei, Marionettenspiel, Musikdarbietungen) präsentieren, zieht sowohl Sinti aus München als auch Angehörige der Dachauer Mehrheitsbevölkerung an; jedoch sind der Widerstand der konservativen Majorität im Dachauer Stadtrat (CSU, ÜB) bzw. Feindseligkeit (‚Sans no net verreckt, die Krippl’n?’) oder Gleichgültigkeit bei deren Wählern gegenüber den Belangen und Forderungen der Minderheit, etwa nach einem Kulturzentrum, beträchtlich.“3

Dr. Peter Gauweiler (CSU): „Es muss schleunigst die Notbremse gezogen werden, um eine ‚Harlemisierung’ (durch Ausländer) ganzer Stadtviertel zu verhindern.“4

Nicht jeder vermag schnell genug reagieren, wenn er xenophobe Reden vernimmt. Aber dann reagiert er doch.5

Siehe auch „Gewerkschaften/Arbeitswelt“.


1 Blatt. Stadtzeitung für München 165 vom 8. Februar 1980, 3.

2 Vgl. Projektladen Ausländerarbeit wird 15 Jahre alt. In: Haidhauser Nachrichten 9 vom September 1995, 3.

3 Robert Schlickewitz, Sinti, Roma und Bayern. Kleine Chronik Bayerns und seiner „Zigeuner“, 2008, www.sintiromabayern.de/chronik.pdf, 144 ff.

4 Süddeutsche Zeitung vom 5. September 1980.

5 Siehe „Böse Überraschung“ von Martin Taubert.