Materialien 2011
»Protest in München seit 1945«: Eine demonstrative Veranstaltung
Andrea Naica-Loebell und Ruth Oppl widmen sich in Zusammenarbeit mit dem Kulturreferat der Landeshauptstadt München von April bis Ende Juli 2011 einem ungewöhnlichen Thema, das bis-
lang nur wenig Beachtung fand. Es geht um »Protest in München seit 1945«. In ganz München finden dazu an verschiedenen Orten Veranstaltungen statt.
Die Veranstaltungsreihe startet am 7. April 2011 mit einer Pressekonferenz, die um 10.00 Uhr im Münchner Stadtmuseum stattfindet. Das aufwändige Projekt besteht aus insgesamt drei sich er-
gänzenden Teilen. Neben den Veranstaltungen erscheint eine Publikation mit dem Titel »Auf den Barrikaden: Proteste in München seit 1945«, die von Zara Pfeiffer im Auftrag des Kulturreferats der Landeshauptstadt München herausgegeben wird. Die 300 Seiten starke Publikation enthält 163 teils unveröffentlichte Aufnahmen und ist 2011 im »Volk-Verlag« in München erschienen. Sie befasst sich mit sämtlichen bekannten Protestformen wie Demonstrationen und Kundgebungen, Blockaden und Barrikaden, Streiks, Hausbesetzungen, Straßenschlachten, Happenings, künstleri-
schen Performances sowie Piratensendern und behandelt die weite Zeitspanne von 1945 bis heute.
Der Münchner Historiker und Künstler Günther Gerstenberg hat in akribischer Kleinarbeit eine umfangreiche Chronik mit Bildmaterial zusammengestellt, die im Online-Lexikon der bayerischen Subkulturen »Sub-Bavaria« veröffentlicht wird. Die Textsammlung und die dazugehörigen Quellen können ab dem 7. April 2011 unter dem Link www.protest-muenchen.sub-bavaria.de aufgerufen werden und stehen nicht nur Historikern, sondern allen Interessierten offen, die sich mit der Münchner Stadtgeschichte und/oder dem spannenden Thema Protest beschäftigen wollen.
München: Weltstadt mit Herz oder heimliche Hauptstadt des Protests?
Der bayerischen Landeshauptstadt haftet von jeher das touristenträchtige Image der Weltstadt mit Herz an. Dass München nicht nur ein Hort bajuwarischer Gemütlichkeit ist, wird von der Publi-
kation »Auf den Barrikaden« und der Chronik im Internet eindrucksvoll und manchmal überra-
schend unter Beweis gestellt. Zwar kann man München nicht als die heimliche Protesthauptstadt Deutschlands bezeichnen, doch das angeblich so gemütliche Image weist bei näherer Betrachtung zahlreiche Brüche und Widersprüche auf.
Seit 1945 gab es vielfältige Protestaktionen, wie die Ausstellung und das dazugehörige Begleitmate-
rial eindrucksvoll dokumentieren. So kam es in der Möhlstraße im Jahr 1949 zu jüdischen Prote-
sten. 1953/54 gab es massive Unruhen wegen der Ladenschlusszeiten, bei denen der DGB eine füh-
rende Rolle spielte. In den siebziger und achtziger Jahren demonstrierten Frauen und Atomkraft-
gegner auf Münchens Straßen. Dabei kam es immer wieder zu Zusammenstößen mit der Polizei und sonstigen Ordnungskräften. Die Veranstaltungsmacher, zu denen neben dem Kulturreferat auch die Ludwig-Maximilians-Universität, die Münchner Volkshochschule, das Archiv der Münch-
ner Arbeiterbewegung und die Stadtbibliothek gehören, wollen in mehr als hundert Veranstaltun-
gen in ganz München den Protest vergangener und gegenwärtiger Tage zum Stadtgespräch machen und ein weitgehend vergessenes bzw. verdrängtes Kapitel der Stadtgeschichte ins öffentliche Be-
wusstsein rücken.
Mehrere Ausstellungen ergänzen die Veranstaltungsreihe
Bereits seit dem 21. März 2011 ist in der Stadtbibliothek am Gasteig eine Ausstellung mit prakti-
schen Anleitungen aus dem Protesthandbuch von Vera Warter und Sandra Benz sowie eine Vitri-
nenpräsentation mit Büchern und Buttons zum Thema zu sehen. Offiziell beginnt die Veranstal-
tungsreihe »Protest in München seit 1945« am 8. April 2011 im Münchner Stadtmuseum mit einer Ausstellung der Fotografien von Branko Senjor, dem Augenzeugen und Fotografen der Studenten-
unruhen an der Kunstakademie 1968.
Claudia Brunner
Quellen:
www.protest-muenchen.de
www.protest-muenchen.sub-bavaria.de