Materialien 2024
Abschiedsbrief von Karl Stankiewitz
Liebe Verwandte, Freunde, Kollegen, gute Bekannte,
wenn diese Mail bei den Empfängern ankommt, habe ich das Leben aus gesundheitlichen und aktuell weltanschaulichen Gründen verlassen. Mit freiem Willen, nach reiflicher Überlegung und mehreren, auch kontroversen Gesprächen. Ohne Angst, ohne Scham, ohne Scheu vor einem Tabu. Im Beisein meiner engsten Verwandten sowie einer Juristin und eines Arztes von der Deutschen Gesellschaft für Humanes Sterben.
Es war ein langes, interessantes, teils abenteuerliches, insgesamt erfolgreiches Leben, auch wenn es am Schluss eher leidvoll war. Dafür habe ich dem Schicksal zu danken. Vor allem danke ich all den guten Menschen, die in letzter Zeit hilfreich zur Seite standen, besonders meiner lieben Le-
bensgefährtin Alwine und meinem rührigen Sohn Thomas. Dank auch an meine Enkelin Tania, der meine Hinterlassenschaft viel Arbeit bereiten wird, und ihrer Mutter Andrea. Dank an meine enge-
ren Freunde Ralph-Jürgen, Max, Gerd und Peter. An meine geduldigen Hausärztinnen Dr.Eckstein und Dr.Witt sowie meinen Augenarzt Dr.Bornhauser, der mich vor dem völligen Erblinden be-
wahrt hat. An die Lektoren und Verleger meiner Bücher. An die städtischen Kulturträger Anton Biebl und Michael Stephan, die meine literarischen Versuche förderten.
Euch und den Nachkommen wünsche ich eine bessere als die gegenwärtige Welt. Eine Welt des Friedens statt der Kriege, der Vernunft statt der Verdummung, Solidarität statt Spaltung, Freund-
lichkeit statt Verrohung, Wahrheit statt Lüge, Naturliebe statt Naturzerstörung. Scheut keinen Einsatz, keine Mühe, keinen Verzicht, tut alles dafür, dass unsere Demokratie erhalten bleibt und diese Welt nicht noch mehr überschattet wird vom Nationalismus, Rassismus und Trumpismus, der widerwärtigen Abart des gewöhnlichen Faschismus.
In einer derart bedrohten Welt fühlte ich mich am Ende nicht mehr daheim. Ich setze vor allem auf die Frauen. Sollten sie in der Politik und anderen wichtige Bereichen das Ruder übernehmen, wäre bestimmt vieles besser.Den Männern empfehle ich den Rückzug auf breiter Front.
Karl Stankiewitz
München, Dezember 2024
PS.: Dass ein Mensch sein Lebensende selbst bestimmt, selbst mitorganisiert und öffentlich macht, mag manchen befremden oder schockieren. Ich bin jedoch der Meinung und habe es so auch in meinem Beruf praktiziert, dass ein klares Bekenntnis bei vollem Verstand allemal besser ist als ein Drumherumreden und das Entstehen von Gerüchten. Zu rechtfertigen habe ich nichts.
1 Karl Stankiewitz 1979 in den Isarauen, Foto: Thomas Stankiewicz
zugeschickt am 14. Dezember 2024