Materialien 1992
Nach Mölln
entfalten sie eine geölte Ausländerfreundlichkeit, medienbewußt und kampagnenmäßig, eine Lichterkette jagt die andere und wird ins staunende Ausland gefunkt, damit Deutschland wieder Ansehen und Exportüberschuß zuwachse, die Landsleute haben jetzt ein ausländerfreundliches Fernsehen vorm Kopf, das nicht mehr den Ausländer als das Kernproblem anprangert, sondern als ausgesprochenen Nützling preist, der für uns arbeitet, zu dem man in Urlaub fährt und der einem Pizza und Kebab bereitet in pittoresk belebten Fußgängerzonen. Jedes kleine Licht leuchtet nun betroffen in die Finsternis, doch unsere Prominenten und Prominentenmacher haben die fremden-
freundliche Masche noch nicht perfekt durchgestylt. Auch BILD verteilt Aufkleber gegen Fremden-
feindlichkeit und ruft zur Gelichterkette auf, kann sich aber kleinere Spitzen gegen Asylmißbrauch nicht verkneifen und nährt unverdrossen die Angst: wir könnten doch nicht unbegrenzt die ganze Welt bei uns aufnehmen. Die Plaudertasche Petra Schürmann verplaudert sich beim Fremdenlie-
ben auch ganz enorm, wenn sie anders als die bösen Nazis der Ansicht ist, nur die Guten gehörten in’s Töpfchen: diese Idioten würfen ja alle in einen Topf, vielleicht unberechtige Asylbewerber, wie sie vorsichtig formuliert, und Gastarbeiter, die uns ja jahrelang beim Aufbau geholfen hätten. Jene würfen alle in einen Topf und dann Benzinbomben drauf. Das geht nicht. Man muß differenzieren. Der gute Wille ist wie immer stärker als der schwache Geist, der vorher nicht ausreichte, den bösen Willen der Asylkampagne zu durchschauen. Dagmar Berghoff, die auch manche zweifelhafte Pro-
blemmeldung, Stimmungsmache verbreitet haben dürfte, annonciert gegen Fremdenhaß und will nicht zulassen, daß brutale Gewalt und dumpfer, _un_reflektierter Haß auf alles, was fremdlän-
disch ist, einfach so hingenommen wird. Über gepflegte Gewalt und weniger dumpfen, reflektier-
ten Haß, eine kleine Abneigung, die man widerstrebend hinnimmt, ließe sie einfach so mit sich reden, wie sie auch die Meldungen über den Ausländer als Problem verlas und kalkulierende Idio-
ten einfach so hinnahm, die vom vollen Boot redeten, von Schwemme und Flut. Aber auch die per-
fekte Alibi-Wende aus dem Fremdenhaß werden sie noch hinkriegen zu einem Zeitpunkt, da alles zu spät ist und die Saat schneller aufgeht als den Prominenten ein Licht. Die kleinen Denkfehler muß man dem plastischen Menschenschlag lassen, dessen Versace-Mäntel nun im neuen Wind einer Mega-Fremdenfreundlichkeit wehen, die eine gute Sache sein könnte, würde sie nicht von hinlänglich verdächtigen Inländern betrieben, die nach wie vor das Hauptproblem sind.
Heinz Jacobi
Streitbarer Materialismus 16/1993, München, 7 f.