Materialien 1967

Protokoll I: Lenin in München

(kk. – Nachstehend veröffentlichen wir Abschriften von Tonbandaufnahmen, die im Juli 1967 auf Münchner Straßen gemacht wurden, und zwar I) vormittags in einer Wohngegend, II) mittags an der Universität, und III) nach Betriebsschluß vor einer Fabrik. Den Befragten wurde dabei jeweils das in diesem Heft publizierte Bild Lenins gezeigt, falls sie ihn nicht erkannten, gab der Interviewer einen Hinweis auf Lenin. Unsere Auswahl läßt ca. die Hälfte der befragten Personen zu Wort kommen, etwa 10 Prozent der Angesprochenen wußten überhaupt nichts von Lenin und interessierten sich nach eigenen Angaben nicht für Politik. Außer den nachstehend vorkommen-
den Verwechslungen wurde der Dargestellte je einmal für Bischof Dibelius oder Alois Hundham-
mer gehalten, zwei Drittel erkannten ihn nicht. Erwähnung verdient schließlich noch die nahezu Valentin’sche Antwort eines 65 Jahre alten Steinmetzen, der Lenin sofort erkannte und seine Rolle in der Geschichte Rußlands wie folgt beurteilte: „Eher würd ich sagen, daß sie net so guat war, denn dann hätt’ der Bolschewismus net so hoch kumma könn’.“)

I.

A bekannts Gsicht is, der Ulbricht is net, oder in seine jungen Jahr? Der Lenin? Ja, der Lenin ist’s. Von dem halt’ i sehr viel, denn der hat in Rußland drüb’n ganz stark umkrempelt und des war a schöne Portion Arbeit, daß der Feudalismus da drüb’n amal weg kommen is. In der Schweiz emi-
griert war er und hat hier amal in der Clemensstraß’ g’wohnt, da hat er sehr viele schriftstellerische Arbeiten erledigt und dann war er auch in den Kaffeehäusern als Schriftsteller bekannt und ist dann auch mit dem Mühsam zusammen g’wesen.
(Maschinenschlosser, 72 Jahre)

Ähnlichkeit mit Ulbricht hat er, is’ aber nicht! Nein, weiß ich nicht. – Lenin? Ja richtig. Da wär ich aber nicht drauf gekommen! Das war doch ein in Rußland maßgeblicher Politiker, aber doch nicht so kraß wie nachher Stalin. Er hatte eine noch normale Linie verfolgt. Sonst kann ich Ihnen auch nicht viel mehr sagen.
(Bundesbahnoberinspektor)

Der kummt mir so bekannt vor, ist des net der Lenin? Ja, des ist Lenin! Ja mei, für die Kapitalisten is’ er natürlich nix. aber für de Proleten, de wo ihr tägliches Brot verdienen müass’n, net wahr? Ja freili’, da hab i jetzt koa Zeit, letzt’n Ends bin i dann a noch a Kommunist!
(Dieser Passant, vermutlich ein Rentner, lehnte weitere Befragung, auch über seinen Beruf, ab.)

Wenn’s ein Politiker ist, würde ich sagen, Felix von Eckhardt in jungen Jahren. Aber in welchem Zusammenhang ist das, sind sie vielleicht von der Kripo?
(Nein, wir machen eine Umfrage für eine Literaturzeitschrift. Sie wissen aber, wer Lenin war?)
Ah, dat is Lenin, ja, ja, weiß ich schon! Ja, heute, was soll man da sagen, Lenin? Na ja, so politisch hab ich mich nicht so beschäftigt, das kommt auch so plötzlich! Ich meine, ich beschäftige mich schon mit Politik, aber doch mehr im engeren Rahmen, was zum Beispiel die deutschen Fragen betreffen, aber im Bezug zum Kommunismus, also, das ist ja alles etwas fragwürdig. Aber ich glaube, wenn ich mich erinnern kann, war er doch etwas anders, also nicht so radikal, als eben später sich der Kommunismus ausgewirkt hat. Das ist ja auch alles so lange her, außerdem überstürzen sich ja heute die Zeitereignisse!
(Versicherungsangestellter)

Ja des is der Lenin! Der hat die ganze Weltg’schicht umg’stürzt, net war, mit seinem Kommunis-
mus, der hat den Kommunismus auf die Beine gebracht. Und wir hab’n ihn ja aus der Schweiz nach Rußland nüber getan, im Jahr 17, wir Deutschen.
(Rentner)

Lenin? Er war halt der Begründer des Kommunismus und war, ich glaub, der Führer der Revoluti-
on. Er hat die Weltgeschichte verändert! Er wirkt auch heute noch weiter, wenn auch verändert, aber das weiß ich nicht! Ich glaub sicher, dass er von seinen Methoden überzeugt war, aber ich bin es nicht, und er hat immerhin einige Menschenleben gefordert und es war sicher seine feste Überzeugung, daß die Revolution ihre Leichen ausstößt und daß das die einzige Möglichkeit war. Ich bin da anderer Ansicht, aber so hat er sicher konsequent gehandelt.
(Abiturient)

Seine Ideen war’n ja an und für sich nicht schlecht, nur was sie draus gemacht haben, das taugt nichts. Für das russische Volk war er schon gut gewesen, auch für andere Völker wär er auch gut, aber wie man’s nachher anwendet, das ist die zweite Frage.
(Betonierer)

II.

Lenin?! Ich würde ihn auf jeden Fall für einen großen Mann halten!Nicht nur in seinen Ideen sondern auch in der Nachwirkung, denn die ganzen heutigen Verhältnisse und die ganze heutige politische Lage geht ja mehr oder weniger auf diesen Mann zurück. Ich würde ihn selbst schon als integer halten, es ist natürlich die Frage, was man aus seinen Thesen gemacht hat. Ja, das ist mir bekannt, daß Lenin in München war, ich glaub im Zusammenhang mit der Räterepublik, oder doch nicht, aber das eine ist mir bekannt, daß wir es ihm ermöglicht haben, nach Rußland zu kommen.
(Student der klassischen Philologie)

Lenin wahrscheinlich!? Für mich ist das noch ein Idealist gewesen, der war der Anfänger, der hat die Zeit noch erlebt und er ist für mich ein Interpret von Marx für Rußland. Ich würde das Bild Lenins höher als das Stalins bewerten. Seine politische Vergangenheit und seine Träume, die haben sich doch behauptet. Betrachtet man seine Politik, so kann man sagen, sie wird auch heute noch in der Sowjetunion verfolgt. Angewandter Kommunismus ist meiner Meinung nach radikal, genauso wie der Rechtsradikalismus; das haben wir ja erlebt, aber wenn sie sich rein auf ihr Land beschließen, die ganze Theorie und ihre Anwendung, dann kann man das mehr oder weniger als Experiment betrachten. Das Liberale dringt langsam durch. Die Anwendung des reinen Kommu-
nismus verlangt einen idealen Menschen und den gibt es nicht.
(Student der Volkswirtschaft)

l. Ja, das ist der Lenin! Das war ein intelligenter Mann, der den Marxismus ausgebaut hat zum Marxismus-Leninismus und der meiner Ansicht nach gute Einsichten der Gesellschaftsstruktur und in den Geschichtsablauf gewonnen hat.
2. … und der zumindest das theoretische Fundament gelegt hat und der heute durchaus gültig ist!
1. Ich glaube, daß die Politik der SU sich etwas verhärtet hat durch den Stalinismus, daß Lenin viel subtiler und lebendiger war in seiner Geistigkeit und auch vielleicht in seinen Methoden als die spätere Verhärtung durch den Stalinismus und das ist bis heute noch nicht überwunden worden. Ansätze dazu sind da, aber ich glaube, daß diese geistige Lebendigkeit auch durch die Technokra-
tie, die auch in der SU um sich gegriffen hat, verloren gegangen ist. Lenin hat ja gesagt, wenn die Revolution, die Weltrevolution, die soziale Revolution nicht auch in Deutschland stattfindet, dann kann die Revolution niemals an Boden gewinnen. Aber ich weiß nicht genau. Als Gegengewicht zu dem überstarken Amerikaner ist die SU durchaus erwünscht.
2. Und vor allem als zukünftiges Gegengewicht zu China, das glaub ich schon. Es ist irgendwie be-
ruhigend für Deutschland, daß vielleicht in 20 Jahren die SU zwischen China ist. Es ist irgendwie ein beruhigendes Gefühl, das kann sich vielleicht ändern. Der große Kommunistenhaß wird gar nicht mehr da sein. Ich meine, wenn China Atombomben baut, und die letzte wurde ja erfolgreich gezündet, ist es doch irgendwie beruhigend, daß die SU sich mit China befassen muß. Das ist ein völlig neues Moment. Ich glaube nicht, daß die Diktatur des Proletariats von der SU so sehr ver-
fochten wird, ich glaube, daß die SU sich auch mit Ländern arrangieren wird, aber nicht verfolgt, eine dort aufzurichten. Die Idee des Weltkommunismus, der Weltrevolution, was Lenin vertreten hat, wird von der jetzigen Regierung nicht mehr vertreten, obwohl überall infiltriert wird, also ein Kleinkrieg angefangen wird, aber ich glaube nicht, das Endziel ist es nicht.
1. Doch das ist es immer noch. Es gibt ein marxistisches Prinzip, also das Ziel soll feststehen, aber die Mittel sollen flexibel sein. Daran hält sich die SU heute noch.
2. Aber denk doch mal an Länder wie Österreich, das wieder zurückgegeben wurde, warum eigentlich? Woran das lag, das kann ich jetzt im Einzelnen nicht sagen, aber ich glaube, daß das auch taktische Überlegungen waren der SU und meiner Ansicht nach besteht immer noch die Notwendigkeit, daß eine gewisse soziale Veränderung eintreten muß, wenn auch vielleicht nicht in diesen starren Prinzipien, die doch der historische Materialismus aufgestellt hat. Aber bei uns in der Bundesrepublik vor allen Dingen ist eine Veränderung durchaus notwendig, es ist doch eine Verhärtung eingetreten usw. Ich glaube durchaus, daß Lenin bei uns eine Rolle spielen könnte.
(Zwei Anglistik-Studenten)

Nein, irgend so ein ostdeutscher Politiker vielleicht? – Lenin – ? Der hat in Rußland gelebt und war ein Politiker. Sonst weiß ich nichts von ihm. Ich habe da keine Vorstellung. Ob er mal in München war? Weiß ich nicht, nein! Damals hab ich ja noch nicht gelebt!
(Studentin der Anglistik)

Wladimir Iljitsch Uljanow, der hat das zaristische Rußland zu einer Industrienation gemacht. Das ist wahrscheinlich sein größtes Werk, daß Rußland heute gleichberechtigt neben Amerika steht. Er ist maßgeblich daran beteiligt gewesen, daß die marxistische Lehre in Rußland zur Staatsdoktrin erhoben worden ist. Heute müssen natürlich andere Wege beschritten werden, als Lenin beschrei-
ten mußte. Die SU muß heute eine Friedenspolitik betreiben, wenn es auch für den Kommunismus keinen Frieden geben kann, denn er will ja die Weltrevolution herbeiführen, nur unterscheidet man jetzt die Wege, wie diese Revolution herbeizuführen ist. Da gibt es den friedlichen und den kriegerischen Weg und da scheiden sich die Geister in Peking und Moskau. Chruschtschow war hier rnaßgeblich an der Schaffung der friedlichen Koexistenz beteiligt. Ich glaube, daß die SU die Koexistenz, die friedliche, einhalten wird, während Lenin doch meiner Meinung nach mehr kämpferische Natur war und dadurch von den Machthabern und den Genossen in Peking bevor-
zugt wird und gültig bleiben wird. Von Lenin hat man sich meiner Meinung nach in Rußland zu sehr entfernt. Die Revolution hat natürlich eine Menge Gefahren heraufbeschworen. Sie wissen ja, die Grenze läuft durch unser Vaterland und der Weg damals wurde begonnen von Lenin. Lenin wollte ja in Berlin das Zentrum der Weltrevolution schaffen, das ist bekannt, aber das ist nicht gelungen. Die deutschen Arbeiter machten nicht so mit, es gab nur einige Aufstände.
(Student der Slawistik)

Das ist Iljitsch. Ja, aber man kann da nicht mit fünf Worten was darüber sagen. Ich kenn mich in dem Land etwas aus. Ich habe nämlich dort ein unfreiwilliges Gastspiel bis 45 gegeben. Aber jetzt ist es ja ein ganz anderes Land wie zu der Zeit 1917 usw. Schon ein interessantes Land. Ja, das war ein großer Revolutionär, damals, wie die Dinge damals waren, da war es ihm leicht möglich auf einen Umschwung hinzuarbeiten, auf eine Revolution, als wie es vielleicht heute ihm möglich wäre. Denn die Dinge haben sich ja immerhin geändert, womit ich nicht gesagt haben will, daß es für uns das Gegebene wäre. Aber immerhin waren ja zur Zeit des Zarismus recht unerfreuliche Dinge, das muß man schon sagen, die es ihm erleichtert haben.
(Taxifahrer)

III.

Na, der Lenin oder der Chruschtschow? Ja, vor 6 Wochen war ein großer Artikel in der Zeitung, wie sie den durch Deutschland g’schleust haben, 18 oder 19, so in der Hoffnung für Deutschland, was günstiges rauszuholen. Er war der geistige Kopf von der ganzen Revolution drüben. Der Schlechteste war’s auf keinen Fall. Für Rußland war er scho guat, aber man weiß ja nicht, wie die Entwicklung gegangen wäre ohne Lenin. Seine Nachfolger, seine Saat, die ist schlecht, denn diese Staaten die im Osten drüben sind, also den Leuten geht’s schlecht. Der Kommunismus strebt nach wie vor die Weltherrschaft an, gleich mit welchen Mitteln, wenn de friedlichen Mittel recht san, wenn die gegeben sind, dann machen’s sie so. Die kleinen Völker, die in Afrika, die streben den Sozialismus alle an und die anderen, die schon was hab’n, de woll’n vom Sozialismus nichts wissen, weil sie sich sagen, was mir hab’n, dös hab’n wir, und was wir kriegen, dös wissen wir net! Jeden-
falls ist mir die Taube auf dem Dach lieber als der Spatz in der Hand. Aber wenn es so wär, wie es hing’schrieben wär, dann wären die Arbeiter 100 Prozent vielleicht schon alle Kommunisten. Denn wenn heut oder morgen wieder nichts zu verkaufen is, dann kommt irgendein Brandt Willi oder ein Mende oder ein 2. Hitler wieder, der wo die Fahne trägt und wir marschieren im Geiste mit und dann geht der Krampf wieder weiter. Dann heißt’s wieder, unseren Brüdern und Schwestern in der Ostzone müssn wir helfen. Dann geht der Krieg wieder los. Der Arbeiter will keinen Krieg net, nur der Kapitalist!
(Arbeiter, 48 Jahre)

Ja des is der Lenin, der hat in Rußland die Revolution g’macht. Dös habens bei uns versäumt. Ich finde ja, unangebracht wärs nicht, wenn de KPD wieder erlaubt wird. So wia unsere Regierung heut is, sag’n wir mal, de is doch heut wirklich nur noch für’n Unternehmer eingestellt, de nur … Also eine Opposition hab’n wir auch keine, was ist’n de FDP, die 5 Hansl, wo de sand. Da g’hört doch mindestens eine hin, die wo einen Druck ausüben kann, weil die NPD könnens ja auch net, weil des is ja der größte Haufen, wo sie drinn hab’n.
(Arbeiter, 26 Jahre)

Ich möchte mir kein Urteil über den Menschen oder seine Werke, ohne mich jetzt eingehend damit beschäftigt zu haben, erlauben. Lenin mit dem Kommunismus oder mit der kommunistischen Idee zu vereinheitlichen, ist sicher nicht ganz richtig, denn in seiner Zeit hat er ja wohl sehr richtige und in vielen Punkten grundsätzlich richtige Gedanken gehabt, und die auch in seinen Werken geäus-
sert, aber die in die heutige Zeit zu bringen, ist nach meinem Dafürhalten nicht mit einigen Worten getan, sondern da müßte man sich eingehender auseinandersetzen. Meiner Meinung nach würde ich sagen, daß Lenin eine positive Rolle gespielt hat, aber ob das richtig ist, vermag ich gar nicht zu beurteilen, weil ich viel zu wenig davon kenne.
(Maschinenbauingenieur, 33 Jahre)

Ah von der Ostzone, der Pieck oder der Grotewohl. – Der Lenin? Der Lenin ist in der Schweiz g’wesen und ist durch Deutschland nach Rußland, 1917 rum, und dann is de russische Oktoberre-
volution auf seine Initiative zustande gekommen. Ich hab verschiedene Bücher g’lesen g’habt, i war ja 8 Jahr in Rußland in G’fangenschaft. Aber sonst hab ich mich net weiters damit befaßt.
(Schlosser, 50 Jahre)

Der Mann kommt mir unbekannt vor! Ich kann keine Meinung über ihn haben, weil ich nicht weiß, was für eine Funktion er überhaupt ausgeführt hat. Is des der Lenin von Rußland? Ja mei, die Leninpolitik soll ja nicht schlecht sein, soviel ich amal davon g’hört hab, was er durchg’führt hat, aber es wird halt niemals a so durchg’führt, als wie man’s annimmt. Ich meine, wenn der Kommu-
nismus richtig durchg’führt werden tät, dann wär er auch in Ordnung, aber nur führt man ihn nicht a so durch. Aber der kann bald amal kommen, weil wenn Unsere uns a so drücken, wie sie uns jetzt drücken, da ist der Kommunismus näher in der Aussicht als wie alles andere. Ich bin einmal vom Kommunismus davon g’rennt, aber heut nimmer, weil ich seh, wie der eine alles hat und der andere hat gar nichts. Wenn einer ‘s Geld hat, der raffelt alles an, und der andere, wenn’s a so weiter machen, muß doch was kommen. Entweder es kommt Kommunismus oder es kommt was anders. Etwas wird kommen und zuschreiben müssen’s sich die Großen, weil die arbeiten ja selber d’rauf hin.
(Schlosser, 54 Jahre)

Mei, Lenin, Lenin, Lenin, des ist der, der den Umsturz g’macht hat in Rußland. Er war in der Schweiz, in Deutschland und ist dann über die Schweiz nach Rußland kommen und durch den Lenin ist halt der Krieg gar g’worden in Rußland. Für die Bevölkerung ist der Lenin in Rußland einmalig, die verehren ihn ja heut noch im Vergleich zu Stalin.
(Schlosser, 45 Jahre)

Nein, weiß ich nicht! – Lenin? Der war Kommunistenführer, und so viel ich weiß, ist er 1904 zur KP gestoßen oder ist er das erste Mal eing’sperrt worden und hat an anderen Namen, der heißt net Lenin in Wirklichkeit und ist aus Ostsibirien und seine Frau war eine kommunistische Pädagogin, ihr Name fallt mir jetzt net ein. Von der Schweiz aus ist er über Deutschland nach Rußland und hat die Revolution entfacht, 1917, und 2l ist er g’storben, soviel ich weiß. Sein Nachfolger sollte ja Trotzki sein, der hat nämlich de Revolution g’führt, sagen wir militärisch, und Stalin hat ihn da-
nach abservieren lassen. Ich würde von Marx ausgehn, der Kommunismus, also wenns der wahre Kommunismus ist, ja, für jeden, also für die Proleten, also sagen wir z.B. für dich oder für mich, der wahre Kommunismus wäre dasjenige. Der da drinnen (er deutet mit dem Finger auf die Fa-
brik) der interessiert mich ja net, für den geh ja ich in die Arbeit. Rußland hat einen sehr schweren Krieg hinter sich und nach 45 war der Aufschwung kolossal, aber bis 39 war des … In der heutigen SU ist das Idealbild der Lenin und der Ruß hat auch meiner Meinung nach kein Interesse am Krieg, weil er ja wissenschaftlich usw. alles vorwärtskommen und für was braucht er dann einen Krieg, den kann er ja gar nicht brauchen.
(Dreher, 43 Jahre)

Dös is a bissl sehr überraschend, eine Frage aus heiterm Himmel, nach abgespanntem Tag der Arbeit. Was soll überhaupt die Frage? Da reagier ich überhaupt net drauf, der Mann ist für mich tot und damit ist die Sache für mich erledigt. A Mensch, wenn tot ist, dann laßt man ihm seine Ruh’, und wenn er noch so war. Jeder Mensch hat seine guat’n und seine schlechten Seiten.
(Schlosser, 34 Jahre)


kürbiskern. Literatur und Kritik 4/67, München, 4 ff.

Überraschung

Jahr: 1967
Bereich: Kommunismus