Materialien 1966
Äxte & Eichen: Einer unter vielen
„Nicht zuletzt an Amt und Person des Bundespräsidenten müssen die Ansätze einer neuen Staatsgesinnung anknüpfen, die das deutsche Volk notwendig braucht.“
(Aus einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes [16/388])
„Ehrenerklärung. Wir distanzieren uns ganz entschieden von den Anschuldigungen des Ostens gegen den Präsidenten der Bundesrepublik Deutschland. Wenn der heutige Bundespräsident 1944 zur Verlagerung der Heinkel AG in die Schächte VI und VII des Bergwerkes Neu-Staßfurt ein KZ-Lager errichtet hat, so ist das nur durch die Notlage des vorletzten Kriegsjahres zu erklären. Die-
jenigen, die damals in Moskau oder London saßen, sollten sich einmal in die Lage eines verant-
wortlichen Leiters der Verlagerung kriegswichtigster Rüstungsindustrien versetzen. Heinrich Lüb-
ke hat absolut nichts getan, was von den damaligen Normen abgewichen wäre. Die Initiatoren der Verleumdungskampagne haben nichts von staatlicher Kontinuität begriffen.“
(Das Münchner Rationaltheater in seinem Programm ,Was Recht ist, muß rechts bleiben’. [Pre-
mière 4.7.66])
„Wahrheit oder Lüge? Sollte wahr sein, was die Kabarettisten vortragen, so wäre das schlicht ge-
sagt bestürzend. Sollten sie im Unrecht sein, so wäre ihr Tun ungeheuerlich.“
(Abendzeitung vom 11.7.66)
„Alles Quatsch.“
(Lübke durch sein Präsidialamt auf telefonische Anfrage vom 10.7.66)_
„So schlicht wie Lübke spricht und schaut,
genauso hat er auch gebaut.“
(Aus der Ausstellung des Rationaltheaters ab 24.8.66 mit Dokumenten über die Tätigkeit Lübkes während des Dritten Reiches.)
„Wo bleibt der Staatsanwalt?“
(Abendzeitung vom 25.8.66)
„Rede Gerstenmaiers beim Ablauf der 2. Amtszeit Lübkes:
Der scheidende Bundespräsident hat durch seine lückenhaften biografischen Angaben wie ,ab 1937 im Bau- und Siedlungswesen’ dem deutschen Volk jahrelang das Gefühl vermittelt, einen Präsiden-
ten zu besitzen, der mit den Nazis nichts zu tun hatte. Dafür schulden wir ihm Dank. Daß er sich darüber hinaus noch zum politisch Verfolgten ernannte, ist ein Akt edler Selbstverleugnung im Dienste unserer jungen Demokratie. Heinrich Lübke hat sein Teil dazu beigetragen, daß uns die Vergangenheit bewältigt hat.“
(Münchner Rationaltheater)
„Nach einer Besprechung am 30. August 1966, an der der Herr Bundespräsident, Herr Staatsmi-
nister Dr. Dr. Hundhammer als Vertreter des z.Zt. auf Urlaub befindlichen bayerischen Minister-
präsidenten und Herr Staatssekretär Hartinger vom bayerischen Staatsministerium der Justiz teilnahmen, gibt das Bundespräsidialamt bekannt:
In München sind Photokopien von angeblichen Dokumenten sowjetzonaler Herkunft, durch die der Bundespräsident belastet werden soll, ausgestellt worden. Die Unterschrift des Bundespräsi-
denten auf dem dort gezeigten ,geheimen Vorentwurf zur Erstellung eines KZ-Lagers’ ist eine Fälschung. Der Bundespräsident hat zu keiner Zeit an der Planung und am Bau von Konzentra-
tionslagern mitgewirkt …“
(Süddeutsche Zeitung vom 1.9.66)
„Kriminalbeamte beschlagnahmten gestern die im Schaufenster des ,Münchner Rationaltheaters’ aushängenden Photokopien von Bildern und Dokumenten, die den Bundespräsidenten Lübke belasten sollen. Die seit Wochen unbeanstandete Ausstellung konnte erst jetzt von der Münchner Staatsanwaltschaft beschlagnahmt werden, nachdem das Bundespräsidialamt erklärt hatte, es bestehe ,der Verdacht, daß diese Tatsachenbehauptung unwahr ist’.“
(Abendzeitung vom 6.9.66)
„Schon mehr als merkwürdig sind die Vorgänge im Münchner Rationaltheater. Generalstaatsan-
walt Bader läßt Zonenmaterial gegen Heinrich Lübke beschlagnahmen und eine Hausdurchsu-
chung im Kabarett durchführen, ohne eine Genehmigung vom Bundespräsidenten zu haben. Das aber ist, wie er wissen mußte, nicht statthaft. Schwer verständlich ist aber auch das Verhalten des Bundespräsidenten. Obwohl schon seit Wochen im Rationaltheater das ihn belastende Material ausgestellt wird, wehrt sich Lübke lediglich mit der etwas kläglichen Erklärung, diese angeblichen Dokumente seien gefälscht, unternimmt aber nichts, um die Ausstellung verbieten zu lassen.“
(Münchner Merkur vom 10./11.9.66)
„Ist ,Lübke’ falsch?“
(Titel des 1. Rationaltheater-Flugblattes mit den beschlagnahmten Dokumenten)
„Sollte sich aber der Bundespräsident zur Genehmigung der strafrechtlichen Verfolgung doch noch entschließen, dann wird Heinrich Lübke der bittere Umstand nicht erspart werden können, daß sein Lebenslauf Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens wird.“
(Süddeutsche Zeitung vom 14.9.66)
„Bislang hat Lübke beide Wege gemieden, die er gehen könnte, um die Geschäftigkeit der Thea-
terleute zu stoppen:
über das Strafrecht – indem er seine Ermächtigung zur Verfolgung der Kabarettisten gibt; die Staatsanwaltschaft müßte dem Gericht dann nachweisen, daß die ausgehängten Dokumente ge-
fälscht sind;
über das Zivilrecht – indem er eine einstweilige Verfügung erwirkt; in diesem Falle müßte der Bundespräsident selber dem Gericht glaubhaft machen, daß ihm Dokumente angelastet werden, die gefälscht sind.“
(Spiegel Nr. 40/1966)
„Pfeift Lübke auf seine Würde? – Bundespräsident Lübke will sich nicht gegen die Angriffe zur Wehr setzen, die ihn mit dem Bau des Konzentrationslagers Neustaßfurt in Verbindung bringen. Wie Staatssekretär Hase gestern in Bonn erklärte, habe sich Lübke auf Drängen der Bundesre-
gierung dazu entschlossen, obwohl er vorher gerichtliche Schritte erwogen habe … Die Bundes-
regierung habe Lübke aber davon mit dem Hinweis abgeraten, daß es ,unter der Würde eines Staatsoberhauptes ist’, sich mit solchen offensichtlich vom Osten gesteuerten Verdächtigungen auseinanderzusetzen. Hase: ,Damit können die in München und Karlsruhe beschlagnahmten angeblich belastenden Dokumente wieder freigegeben werden.‘“
(Abendzeitung vom 30.9.66)
„Ein Vorgehen gegen die Kolporteure der Verleumdungsaktion in der Bundesrepublik Deutschland würde nur dem erklärten Propagandaziel der SED-Drahtzieher entgegenkommen.“
(Aus der Erklärung des Bundeskabinetts vom 29.9.66) (SZ v. 30.9.)
„Man muß bezweifeln, daß der Rat der Regierung ein guter Rat war. Denn das ist doch wohl unbe-
stritten, daß ein Mann, der tatsächlich beim Bau eines Zwangsarbeitslagers Bauführer gewesen wäre, heute nicht unser Staatsoberhaupt sein dürfte. Wenn die Bundesregierung die Bevölkerung davon überzeugen will, daß dem Präsidenten hier Unrecht getan wird, dann hat sie die Pflicht, die Beweise dafür herbeizuschaffen, und das wäre am wirksamsten dadurch geschehen, daß der Präsi-
dent Antrag auf Strafverfolgung gestellt hätte.“
(Voluntas in der Abendzeitung vom 1./2.10.66)
„Die Bundesregierung weist mit Zustimmung der im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien mit Nachdruck den kommunistischen Versuch zurück, mit diesen üblen Methoden die Integrität des deutschen Staatsoberhauptes in Zweifel zu ziehen und damit der Bundesrepublik Deutschland Abbruch zu tun. Sie und diese Parteien wissen sich darin mit der deutschen Öffentlichkeit einig.“
(Aus der Erklärung des Bundeskabinetts vom 29.9.66) (SZ 30.9.66)
„Die Kolporteure der Verleumdungsaktion in München seien Mitglieder eines bis dahin ganz unbekannten Kabaretts, von denen einige führend in einer radikalen Studentenorganisation tätig gewesen seien, die der revolutionären chinesischen Richtung des Weltkommunismus nahestehe!“
(Aus der Dokumentation des Innenministeriums vom 28.10.66 zur Widerlegung der Vorwürfe gegen Heinrich Lübke) (nach UPI)
„Sehr einleuchtend bewies das Bundeskriminalamt, daß diese Unterschrift Lübkes unter dem Bauplan einer KZ-Wachstube gefälscht sein muß.“
(Abendzeitung vom 29./30.10.66)
„Außer einem Zeugen, der sich an nichts Nachteiliges erinnert und dem Bundeskriminalamt, das die Originale bis heute nicht gesehen hat, benützt das Werk zwischen schätzungsweise einigen 100.000 und 2 Millionen Mark Steuergelder, obwohl ein Prozeß nur ca. 3.000 Mark gekostet hätte, die im Falle der Unwahrheit der Behauptungen vom Rationaltheater gerne gezahlt worden wären. Dieser Etat ist nach Persil 65 der höchste Werbeetat, der je für eine weiße Weste ausgegeben wurde. Im Gegensatz zur Dokumentation des Innenministeriums ist Persil 65 schaumreguliert.“
(Aus dem Programm des Münchner Rationaltheaters, seit 29.10.66)
„Wenn in den Sitzungen in Peenemünde, wo jeweils etwa zehn, fünfzehn Leute dabei waren, im Hintergrund einer mit dem Schild gesessen hätte ,Ich werde 1959 Bundespräsident’, wäre ich auf ihn aufmerksam geworden. Aber so blieb er eben dort einer unter vielen.“
(Albert Speer im „Spiegel“ Nr. 46 vom 7. November 65, Seite 61)
kürbiskern. Literatur und Kritik 1/67, München, 145 ff.