Materialien 1982
Peseta Loca
Stadtteilkultur mit Exilchilenen in München
Zwei Aufnahmen aus dem „peseta loka“ mit der Wandbemalung vor 1978. Im unteren Bild ist rechts der von der Polizei inkriminierte Hakenkreuzschädel zu sehen. Fotos: Siegfried Petzold
Kennern lateinamerikanischer Folklore ist das Sendlinger Musiklokal „peseta loca“ in der Ober-
länderstraße bekannt. Seit 7 Jahren ist es ein Zentrum von Münchner Exilchilenen, in dem ein Stück chilenischer Kultur aufrechterhalten wird. Das kann nur heißen: Nichts darf vergessen werden, was 1973 geschah. Solidarität und Widerstand gegen die Militärjunta in Chile auch im Exil! Den deutschen Besuchern wird über Sprachbarrieren hinweg klar, hier artikuliert sich die sozialistische Opposition Lateinamerikas.
Gemälde und Plakate an den Wänden weisen eindringlich auf die antiimperialistischen Inhalte chilenischer Exilkultur hin. Unter der Wandverkleidung mußte vor vier Jahren ein großes Wand-
gemälde verschwinden, das die Initiatoren in Zusammenarbeit mit Berufskünstlern gemalt hatten. Die Polizei hatte auf diesen Verzicht gedrängt, weil in den Augenhöhlen eines Totenkopfes Haken-
kreuze gemalt waren. Raoul, verantwortlicher Organisator im Lokal, berichtet von der zynischen Beschuldigung: Verbreitung verbotener nationalsozialistischer Symbole.
Jeden Abend treten mehrere Folkloremusiker auf, Musik- und Tanzgruppen gastieren. Wichtig sind die Versuche, dem Publikum die Geschichte und die Inhalte der Lieder zu erklären.
Eine der interessantesten Musikgruppen aus dem „peseta loca“, die „indoamerica“, trat auch bei der Sendlinger Stadtteilwoche vom 10. bis 15. Juli 1982 auf. Der Internationale Ausländer-Ar-
beitskreis in Sendling hatte in Zusammenarbeit mit dem Stadtteilladen „Sendlinger Kulturschmie-
de“ und mit dem Ausländerbeirat der Landeshauptstadt München zu einem Abend mit internatio-
naler Folklore geladen. Die „indoamerica“ stellten sich vor: Jeder Musiker kommt aus einem an-
deren lateinamerikanischen Land, und ein Deutscher ist dabei, Mathias Müller, der lange in Chile gelebt hat. Nicht nur türkische und lateinamerikanische Gruppen standen auf der Bühne, sondern auch die bayrischen „Guglhupfa“.
Ausländische und deutsche Mitbürger aus dem Wohnviertel waren als Publikum freundschaftlich verbunden. Das war ein Schritt in die richtige Richtung: für internationale Solidarität und gegen Ausländerhetze.
Carl Nissen
tendenzen 140 vom Oktober – Dezember 1982, 41.