Flusslandschaft 1945
AusländerInnen
Anfang Mai: Was ist mit den Toten, die am Straßenrand liegen oder in Häusern, deren Herkunft manchmal nicht zu eruieren ist?1
„Nur wenige Sinti und Roma überleben die Konzentrationslager und kehren heim nach Bayern; dennoch nimmt die Gesamtzahl der Angehörigen der Minderheit durch den Zuzug von Familien aus Pommern, Ostpreußen oder aus der Tschechoslowakei zu; dank den von der sich als wesentlich humaner als die bayerischen Behörden erweisenden amerikanischen Besatzungsadministration erlassenen Richtlinien werden Sinti und Roma »als Verfolgte anerkannt«; jedoch müssen viele von ihnen vorerst wieder in Wohnwagen, alten Omnibussen, Gartenhäusern und Baracken (in Mün-
chen in den Stadtteilen Giesing, Riem-Trudering, Moosach usw.) unterkommen.“2
„Auch nach Ende des »Dritten Reiches« erfährt die Fremdenfeindlichkeit in Bayern keine Mäßi-
gung; eine irrationale Furcht vor »Überfremdung« herrscht vor und wird von offizieller Seite noch geschürt; im November etwa macht in München das Gerücht die Runde eine ganze Armee von Ausländern und KZ-Überlebenden befinde sich im Anmarsch und wolle die Stadt plündern; Be-
wohner fordern daraufhin mehrfach die »Säuberung« ihrer Stadt von »fremdartigen« Einflüssen; selbst gegen eigene deutsche Landsleute, »Vertriebene« aus Schlesien und dem Sudetenland, richtet sich diese Haltung der Einheimischen; wenn es nach dem opportunistischen Oberbürger-
meister Karl Scharnagl geht, sollen bewohnbare Behausungen ausschließlich gebürtigen Münch-
nern zur Verfügung stehen, Flüchtlinge und andere Heimatlose (»Personen, die sich zum Zusam-
menleben mit unserer Bevölkerung nicht eignen«) hingegen in Barackenlager am Stadtrand ab-
gedrängt werden; nur eine Intervention der amerikanischen Besatzungsbehörden kann verhin-
dern, dass Scharnagl seine markig geäußerten Absichten verwirklicht; die Münchner Stadtver-
waltung versucht ebenfalls bei der Besetzung von Stellen »Fremde« nach Möglichkeit nicht zu berücksichtigen, wobei sie sich auf das Gesetz gegen »Zigeuner, Landfahrer und Arbeitsscheue« von 1926 beruft.“3
(zuletzt geändert am 11.9.2025)
1 Siehe „Mai 1945“ von Anna Bauer.
1 Robert Schlickewitz, Sinti, Roma und Bayern. Kleine Chronik Bayerns und seiner „Zigeuner“, 2008, www.sintiromabayern.de/chronik.pdf, 108.
2 A.a.O., 107 f.