Flusslandschaft 1988

AusländerInnen

Bei einer Bürgerversammlung am 4. Mai in Freimann kommt es zu xenophoben Äußerungen und Protesten dagegen.1

„Arbeitgeber lehnt Bewerber ab: ‚Falscher’ Name. – Ein Größenwahn besonderer Art scheint den Münchner Niederlassungsleiter der Software-Firma Polydata erfaßt zu haben: Er wollte einem Stellenbewerber zumuten, seinen ausländisch klingenden Namen ändern zu lassen. Als der Kollege nicht mitspielte, bekam er die Absage. – Von seinen Qualifikationen her schien der Diplomkauf-
mann Mehmet Hassanoglu (Name geändert) dem Geschäftsführer Dr. Eduard Späth für die Pro-
grammiererstelle zunächst durchaus geeignet zu sein. Zumal das Münchner Arbeitsamt für den 33jährigen Nürnberger während der Einarbeitszeit gewisse Zuschüsse in Aussicht gestellt hatte. — Dass der Polydata-Geschäftsführer Späth vom Arbeitsamt auch eine Beihilfe zur Lösung der ‚Namensproblematik’ erwartet hatte, erfuhr Mehmet Hassanoglu erst aus dem Absagebrief der Firma, in dem Dr. Späth seine Entscheidung, ‚dass die Zusammenarbeit unterbleibt’, ausdrücklich damit begründete, der junge Deutsche mit dem türkischen Namen habe ‚kein Verständnis für den Namensänderungswechsel’ bekundet. Mehmet Hassanoglu, der eine derartige Diskriminierung ‚nicht einmal auf dem Schulhof in Nürnberg’ erlebt hatte, hat inzwischen eine andere Stelle angetreten. Und die Firma Polydata hat Konkurs beantragt … H.M.“2

Bundesinnenminister Friedrich Zimmermann (CSU) legt Oktober/November den Entwurf für
ein neues Ausländergesetz vor. „Schon Zahl und Verhältnis der Vorschriften setzen die Gewichte deutlich genug: 17 Paragraphen – (das ‚Ausländerintegrationsgesetz’) – beschäftigen sich mit der Eingliederung der einstmals angeworbenen Gastarbeiter. 82 Paragraphen widmen sich der Frage, wie man die Ausländer am besten wieder los wird.“3

Mit der Erosion der Warschauer-Pakt-Staaten kommen immer mehr „Aussiedler“ aus Polen, Ungarn und der Sowjetunion ins Land. Diese gelten als Deutsche, soweit sie „sich in ihrer Heimat zum deutschen Volkstum bekannt haben, sofern dieses Bekenntnis durch bestimmte Merkmale wie Abstammung, Sprache, Erziehung, Kultur bestätigt wird“.4 Bei der Wohnraumversorgung sind die Aussiedler wie Deutsche zu behandeln. Nachdem die Regierung ein Sonderwohnungsbaupro-
gramm (1989/90: 30.000 Wohnungen) aufzulegen plant, kommt es zu Protesten vieler Hiesiger, die darin eine Benachteiligung sehen.

Der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV) lädt für den 10. November zu einer Veranstaltung ein, in denen die Ausländergesetzentwürfe des Innenministeriums diskutiert werden.5

Menschen unterschiedlicher Herkunft gründen das Interkulturelle Forum e.V. Der Verein wendet sich gegen die Ausgrenzung ausländischer MitbürgerInnen und tritt für ihre rechtliche, soziale und kulturelle Gleichstellung ein.


1 Siehe „Ist Volksverhetzung wieder möglich?“ von Herbert Grach.

2 Metall. Zeitung der Industriegewerkschaft Metall 12 vom 10. Juni 1988, 20.

3 Süddeutsche Zeitung vom 11. November 1988, 4.

4 Bundesvertriebenengesetz § 6.

5 Siehe „Veranstaltung gegen Ausländergesetzentwürfe“.