Flusslandschaft 1990

Flüchtlinge

Amnesty international möchte gerne in der U-Bahn plakatieren, stößt aber auf Ablehnung.1

Am 17. Mai machen achtzig Roma in der KZ-Gedenkstätte Dachau auf ihre verzweifelte Lage aufmerksam; sie fordern ein Bleiberecht in der Bundesrepublik. Siehe auch „Flüchtlinge“ 1993.

Bayern kürzt die Sozialhilfe für Asylsuchende um 15 Prozent. Zwar erklären Bundesverfassungsge-
richt und bayrisches Verwaltungsgericht diese Entscheidung für rechtswidrig, die Behörden aber bleiben dabei. In einem Vorschlag für ein zu verwendendes Formblatt heißt es: „Herr … (und seine Familie) ist (sind) türkische Staatsangehörige/r (z.B. kurdischer Abstammung). Er (Sie) stammt (en) aus einem Land, von dem allgemein bekannt ist, dass der durchschnittliche Lebensstandard geringer ist als der in der Bundesrepublik Deutschland. Es wird deshalb davon ausgegangen, dass bei Angehörigen dieses Landes manche Bedürfnisse des täglichen Lebens nicht im gleichen Um-
fang vorhanden sind wie bei einem deutschen Hilfeempfänger …“2 – Bürgermeister Klaus Hahnzog schreibt an Sozialminister Gebhard Glück: „,Ich halte die Fortsetzung eines rechtswidrigen Verwal-
tungshandelns entgegen einer eindeutigen Rechtssprechung für einen Skandal.‘ Und: ,Den Hin-
weis auf die Möglichkeit, die unterlassene Ermessensentscheidung im Widerspruchsverfahren nachzuholen, empfinde ich als zynisch.‘ Und: ,So werden von einer überheblichen Verwaltung die Unkenntnis der Betroffenen und ihre bedrängte Lage zur Fortsetzung eines rechtswidrigen Verfah-
rens ausgenutzt. Rechtsstaatlichkeit gebührt aber nicht nur den Starken, sondern auch, wenn nicht viel mehr, den Schwachen.‘ Sozialminister Glück antwortete, man habe sich nun genug zur Proble-
matik geäußert. Und er entschuldigte das Beharren auf die – auch von Bundesverwaltungsgerichts-
hof als rechtswidrig bezeichnete – pauschale Kürzung der Sozialhilfe für Asylbewerber mit dem Satz: ,Die Bundesrepublik ist kein Einwanderungsland.‘“3

Flüchtlinge aus dem Iran, Äthiopien, Eritrea und Sri Lanke sind in München. Einige von ihnen waren in Haft und sind gefoltert worden. Mitarbeiterinnen der seit Mitte der 80er Jahre aktiven Initiative für Flüchtlinge (IfF) in der Ickstattstraße, darunter Renate Rassmann, Dr. Waltraut Wirtgen und Anni Kammerlander engagieren sich intensiv für die Einrichtung eines psychosozia-
len Zentrums für Flüchtlinge in München.

(zuletzt geändert am 29.12.2020)


1 Siehe „Unter anderen Umständen“ von Günter Knoll.

2 Zit. in Infodienst des Bayerischen Flüchtlingsrates 18 vom August 1990, 18.

3 Süddeutsche Zeitung vom 6. August 1990.

Überraschung

Jahr: 1990
Bereich: Flüchtlinge

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