Flusslandschaft 1992

Religion

Wenn Frauen und katholische Priester eine Verbindung eingehen, dann riskieren sie institutionelle und gesellschaftliche Ausgrenzung. Die Humanistische Union ehrt Gisela Forster mit dem Preis „Aufrechter Gang“.1

Mitglieder der Aktion Lebensqualität2 gehen häufig in öffentlich zugängliche Veranstaltungen und stellen kritische Fragen: „… Und der asketische Franziskaner-Schriftsteller aus dem Priesterse-
minar in Freising, schwarz/rot/grün in der Gesinnung, predigt den Verzicht als Lösung des Fort-
schrittsproblems. Er schwärmt von der Chaosforschung, weil im Chaos eine Struktur sei und das Chaos schöpferisch immer wieder eine Ordnung herstellen würde … Der kapitalistische Experte dagegen, geradeswegs dem Studierzimmer des Dr. Faust entstiegen, erfindet im Saal 131 eine neue Sprache, damit dem vernetzten Denken auf die Sprünge geholfen werde. Er will die Autoindustrie vor dem Kollaps retten und spricht vom Verkehrsinfarkt, als wäre der Straßenverkehr ein biologi-
sches System mit Herz, das mit Gleichschaltungssprache medizinisch vor der Katastrophe gerettet werden muss … In seiner lebensverneinenden Grundauffassung trifft er sich völlig mit jenem eso-
terischen Manager, der in der Neuen Akropolis im Stile eines Staubsaugervertreters Motivations-
schulung betreibt: ‘Jede Änderung ist eine Bewusstseinssache!’ Und: ‘Es ist leicht, zu kritisieren! Aber möchten Sie an der Stelle von Kohl sein?’ … Das Beck-Forum kann an einem Sonntagvormit-
tag, wenn es um ‘Gott und die Welt’ geht, im Alten Rathaussaal gut 400 Personen versammeln, die es sich in den hohen Gobelinsesseln gemütlich machen. Aber gnade Gott denen, die das Ritual durch Kritik stören. Wer sich der Gleichschaltung widersetzt, ruft faschistische Reaktionen hervor … Der Zeitgenosse war auch Zeuge, als das Beck-Forum einen Theologieprofessor aus Tübingen mit einem moslemischen Vertreter der Dritten Welt über islamischen Fundamentalismus disku-
tieren ließ. Die Presse verschwieg in ihrer Berichterstattung die Fakten, die der Mohammedaner über die unrechtmäßige Gründung des Staates Israel vortrug. Das neue Feindbild heißt Fundamen-
talismus. Dagegen ist Israel tabu … So kann auch der Guru, der vor kurzem den Petrarca-Preis für Lyrik zugesprochen bekam, mit seiner verstümmelten Sprache in der Autorenbuchhandlung auf eine treue Gemeinde rechnen. Man kennt sich dort. Und kann Sätze von sich geben wie: ‘Ist Essay etwas, das einfließt in Gott?’ Oder: ‘Ist Nietzsche in Gott ausgeflossen?’ – ‘Für wen schreiben Sie?’ fragte respektlos eine Vertreterin des Zeitgenossen. Das zerstörte die weihevolle Stille. Die Frage allein war Gotteslästerung.“3

„KIRCHENAUSTRITT IN BAYERN. Mann/Frau geht mit gültigem Ausweis zu dem für den gemel-
deten Wohnsitz zuständigen Standesamt und erklärt dort seinen/ihren Kirchenaustritt. Jugendli-
che ab 14 Jahren gelten als religionsmündig und erklären ihren Kirchenaustritt selbst, während für Kinder bis 14 Jahre dies die Erziehungsberechtigten tun müssen. 12 – 14jährige müssen zusammen mit den Eltern (Erziehungsberechtigten) ihren Austritt unterschreiben. Zur Rechtsgrundlage: Auf Grund einer Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vom 27.7.1976 (MABI. S. 689) sind für die beim Kirchenaustritt anfallenden Amtshandlungen Kosten nach dem bayerischen Kostengesetz zu erheben. Nach einem Rundschreiben des Bayerischen Staatsministeriums des Innern vom 9.2.1977 sollten sich die Gesamtgebühren innerhalb des vom Kostenverzeichnis gezogenen Rahmens (bestehend aus Gebühr für die Niederschrift nach Tarif 1./7 KVz 5 – 50 DM und Gebühr für die Bestätigung nach Tarif Nr. 1./3 KVz 2 – 100 DM) im Regelfall auf 30 – 60 DM belaufen. Bei der Landeshauptstadt München werden je nach wirtschaftlicher Lage des Erklärenden Gesamtgebühren von 30 – 50 DM erhoben: 30,- DM für Schüler, Studenten, Arbeitslose (gegen Ausweis), Azubis, Hausfrauen, Rentner 40,- DM bei einem Einkommen bis zu 3.000,- DM brutto, 50,- DM bei einem Einkommen ab 3.000,- DM brutto, 50,- DM für Ehepaare, wenn sie der gleichen Religionsgemeinschaft angehören und ihren Kirchenaustritt erklären. Stan-
desämter der Stadt München: I München 40: Mandlstraße 14, Tel.39 60 96; II München 90: Ma-
riahilfplatz 9, Tel.651 40 25; III München 71: Allescherstraße 14, Tel. 791 10 22; IV München 2: Nymphenburger Straße 45, Tel. 18 90 37; München-Pasing: Landsberger Straße 486, Tel. 89 61 70“4

(zuletzt geändert am 10.9.2025)


1 Siehe „Aufrechter Gang“ von Ruth Paulig.

2 Siehe „Der Kaiser ist ja nackt!“.

3 Kritik ist unerwünscht: 20 Beispiele für die Gegenaufklärung In: der zeitgenosse 3. Kulturprogramm der Aktion Lebensqualität 1992, Flugblattsammlung, Archiv der Münchner Arbeiterbewegung.

4 Freidenker Info September — Dezember 1992, 37.

Überraschung

Jahr: 1992
Bereich: Religion

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