Materialien 1983
Am Tage – vorher

Gedanken zu einem Friedensfilm
Am Tage danach –
- hast du deinen eigenen Tod miterlebt. Aber es war gar nicht dein eigener Tod. Schauspieler sind für dich gestorben.
- hast du den Untergang deiner Stadt gesehen. Aber es war gar nicht deine eigene Stadt. Es war eine Kulisse.
- warst du Augenzeuge vom Weltende. Aber du bist aus dem Kino herausgegangen wie aus einem Science-fiction-Film.
Gut gemacht das ganze. Glänzende special effects.
Am Tage vorher –
- hattest du die Bundestagsdebatte im Fernsehen verfolgt. Du hattest die Maulhelden der Nation erlebt bei ihren aberwitzigen Raketenrechenkunststückchen. Dazu die überstimmten Warner von Armaggedon. Und die Endzeituhr in Chicago ist auf 3 Minuten vor 12 vorgerückt worden. Und die Gespräche in Genf sind abgebrochen worden. Die in Wien auch. Und die Friedensbewegung ist wie gelähmt. Und du auch.
Da kommen ein paar Kollegen mit einem Friedensfilm. Ohne Tricks: ein paar Bilder vom Oster-
marsch, ein Betriebsrat, der von seinen jahrelangen Anstrengungen erzählt, das Wettrüstcn zu verhindern.
Ein paar jungen Gewerkschafter, die Friedenstauben auf ein Transparent malen. Einige Funktio-
näre, die über den Frieden so reden, als sei er machbar – erreichbar.
Ein bißchen Rüstungswahnsinnspolitik dargestellt im Zeitraffertempo. Kein Trick, kein special effect.
Menschem sprechen über „Gewerkschaften und Friedensbewegung“. So als gehörten die beiden Massenbewegungen zusammen. Ganz selbstverständlich.
„Ohne Frieden ist alles nichts! „ ein Originalzitat. Nicht einmal besonders originell – für einen Filmtitel.
Aber du bist angesprochen. Was „The day after“ nicht erreicht, schafft diese 45 Minuten lange Dokumentation, die Christoph Boekel und ein Dutzend Kolleginnen und Kollegen aus München gemacht haben. Ohne Tricks und blue box. Weil Menschen sprechen. Wie Menschen. Zu Men-
schen.
Du bist einbezogen. Es ist doch noch nicht am Tage danach. Es ist am Tage vorher. Du kannst noch etwas tun!
Der Film macht Mut.
Jürgen Schröder-Jahn
Anmerkung: Der Dokumentarfilm „Ohne Frieden ist alles nichts – Gewerkschaften und Friedens-
bewegung“ von Christoph Boeckel und anderen ist als 16 mm-Film und als Video-Cassette (zur Ansicht) bei der Hauptgeschäftsstelle abrufbar: RFFU, Klarastraße 19, 8000 München 19, Tel. 089 – 18 20 61
HFF. Hörfunk, Fernsehen, Film. Zeitschrift der Rundfunk-Fernseh-Film-Union (RFFU) in der Gewerkschaft Kunst (GK) im DGB 1 vom Januar 1984, 21.