Flusslandschaft 2002

Medien

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Im Tierreich geht es angeblich gesitteter zu. Schließlich hackt eine Krähe einer anderen kein Auge aus. Zu Leo Kirchs Imperium gehören u.a. die Fernsehsender ProSieben und Sat 1. Sein Firmen-
geflecht ist für Außenstehende nicht zu übersehen. An der Axel Springer AG ist er zu 40 Prozent beteiligt. Sein Einfluss auf die öffentliche Meinung ist kaum abzuschätzen. Manche Kritiker ver-
gleichen seine publizistische Machtfülle mit der des Verleger Alfred Hugenberg, der nicht unwe-
sentlich zum Untergang der Weimarer Republik beitrug. Mit Franz Josef Strauß und Helmut Kohl war er Jahrzehnte befreundet. Der Kanzler hat manche Entscheidungen in seinem Interesse getrof-
fen. Konservative Politik setzte auf Privatfernsehen. Aber da wird es neuerdings eng für den Münchner Medienmogul. Der Vorstandssprecher der Deutschen Bank (DB) lässt verlauten, dass Kirch nicht mehr kreditwürdig sei. Da werden Banker aufmerksam. Kirch schuldet der DB 615 Millionen Euro, der Dresdner Bank 460 und der Bayerischen Landesbank 1,9 Milliarden Euro. Witwe Springer und der US-australische Medienmogul Rupert Murdoch „wollen ihre Beteiligun-
gen, so heißt es zumindest drohend, am Kirch-Imperium loswerden: Der Axel Springer Verlag seine Überkreuzbeteiligung von 11,48 Prozent an der ProSieben-Sat.1 Media AG im Wert von exakt 767 Millionen Euro. Möglichst gegen sofortige Barzahlung! Murdoch lässt lancieren, dass er von seinem Rückgaberecht des 22,03-Prozent-Anteils an Kirchs Pay-TV im Oktober 2002 Gebrauch machen könnte. Macht noch einmal 1.7 Milliarden Euro, die Kirch schlicht nicht flüssig hat. Und die Banken spielen, wie gesagt, auch nicht mehr mit. So hat die Dresdner Bank ihren 460 Millio-
nen Euro Kredit zum April 2002 gekündigt und verlangt ebenfalls Rückzahlung. Alle Beteiligten wissen, dass Kirch nie und nimmer, selbst bei Veräußerung von nicht wesentlichen sonstigen Be-
teiligungen, diese Summen aufbringen kann. Es wird also ein ganz großes Rad gedreht. Es geht um Macht und Einfluss über die Medien und damit über die Köpfe der Menschen in diesem Land.“ Natürlich lauern die Geier beim Zerlegen der Beute auf die Filetstücke, so auf ProSieben und Sat 1. Der Medienmogul steht mit dem Rücken zu Wand. Seine Spezln aus Politik und Wirtschaft können ihm nicht mehr helfen. Seilschaften zerfasern. Weggefährten flüchten vom sinkenden Schiff. Kirch gibt auf. Im April stellt er angesichts von über 6,5 Milliarden Euro Schulden und Verbindlichkeiten einen Insolvenzantrag. „Am Fall des Leo Kirch lassen sich wunderbar die Winkelzüge des Kapitals und seiner Figuren auch in der Politik studieren. Freunde von einst werden zu erbitterten Feinden, Allianzen werden immer neu geschmiedet. dem Aufstieg folgt unweigerlich der tiefe Fall und die große Politik, egal ob Stoiber oder Schröder, ist immer fürs Kapital dabei. Aber ‚deutsch‘ sollte es doch sein!“2

„Sport auf bayerisch – Nachdem der Bayerische Rundfunk die Arbeit des Fußballreporters Koch als unvereinbar mit dessen Landtagskandidatur für die SPD feststellte, bieten sich als logische Konsequenz weitere Verhaltensvorschriften an:
: Angriffe von links sind zu ignorieren.
: Dasselbe gilt für Tore gegen bayerische Vereine.
: Nach jedem Tor des FC Bayern hat der Reporter die Bayernhymne und das Kyrie Eleison zu singen.
: Als Schiedsrichter werden nur noch praktizierende Katholiken zugelassen.
Die Liste ist beliebig erweiterbar.“3

Siehe auch „Venezuela“ in „Internationales“.


1 Grafik: Bernd Bücking. In: unsere zeit. Sozialistische Wochenzeitung 17 vom 25. April 2002, Essen, 2.

2 unsere zeit. Sozialistische Wochenzeitung 11 vom 15. März 2002, Essen, 4. Siehe auch Thies Marsen, Guter Rat ist teuer, in Jungle World 20 vom 14. Mai 2003, https://jungle.world/artikel/2003/20/guter-rat-ist-teuer.

3 Freidenkerinfo. DFV Ortsgruppe München für Januar – April 2003, 23.

Überraschung

Jahr: 2002
Bereich: Medien