Flusslandschaft 2003

Alternative Szene

Vom 23. bis 25. Mai veranstaltet der AStA der Ludwig-Maximilians-Universität am Geschwister-Scholl-Platz 1 einen Kongress unter dem Motto „Spiel ohne Grenzen“. Es treten in erster Linie „Antideutsche“ auf, deren Statements in einem Reader nachzulesen sind. Problematisiert wird die gegenwärtige Antiglobalisierungsbewegung. „Die zentrale Frage dabei ist, ob und wenn ja, welche progressiven Ansätze in dieser Bewegung stecken und wie gefährlich das reaktionäre Potential da-
rin ist. Andererseits wird die Tragfähigkeit von einigen konkurrierenden theoretischen Modellen überprüft, die das genauer beschreiben wollen, was meist unzureichend mit der Vokabel ‚Globali-
sierung’ bezeichnet wird, den gegenwärtigen Zustand der kapitalistischen Welt. Die möglichst ge-
naue Analyse des von Ausbeutung, Herrschaft und Gewalt geprägten Systems ist eine Vorausset-
zung dafür, dass diese Verhältnisse eines Tages umgewälzt werden können … Für systemopposi-
tionelle Kräfte wird die Antiglobalisierungsbewegung besonders durch ihre Kritik am Weltwirt-
schaftssystem interessant, da sie sich im Unterschied zur Ökologie- oder Friedensbewegung nicht nur einen Teilaspekt, sondern mit der Ökonomie das ‚Betriebssystem’ der Gesellschaft zum Thema macht. Die Kritik gilt in erster Linie der Zirkulationssphäre des Kapitalismus, den Aktien- und Fi-
nanzmärkten. Umstritten bleibt aber, ob sich dies zu einer grundsätzlichen Kritik am kapitalisti-
schen System radikalisieren lässt, oder ob die Bewegung nur als außerparlamentarische Sozialde-
mokratie die Ineffizienz des Kapitalismus bei der Verteilung der Güter kritisiert und durch die Dif-
ferenzierung zwischen raffendem und schaffendem Kapital antisemitischen Vorstellungen Vor-
schub leistet … Der erste Themenbereich dieser Publikation widmet sich daher in erster Linie der Ideologiekritik der ‚Bewegung der Bewegungen’ in all ihren Formen. Die Beiträge von Thomas Schmidinger, Phase 2 Leipzig, Thomas Ebermann, Udo Wolter, Peter Bierl, Uli Sanwald, Stefan Stautner-Bhuruth, Stephan Grigat und Andrea Woeldike thematisieren esoterische, antisemitische und antiamerikanische Tendenzen bei GlobalisierungskritikerInnen und Friedensbewegung, Staatspositivismus, verkürzte Kapitalismuskritik, den Hass auf Israel sowie das Konzept des Mul-
tikulturalismus.“1 Gerhard Hanloser wiederum stellt den Kongress in Frage2 und ein Flugblatt wird verteilt, das für Unmut sorgt.3

„5. Juli – Das diesjährige Breisacherstraßenfest stand unter dem Motto ‚Kampf den Hütten – Palä-
ste für Alle!’. Mit dem Motto wollten wir positiv Bezug auf Luxus nehmen und gleichzeitig die teil-
weise asketische Restlinke kritisieren. Unser zweites Anliegen war, den deutschen Nationalismus und die unreflektierte Solidarität mit den Palästinensern zu kritisieren. Dies schlug sich auf einem großen Transpi mit dem Spruch: ‚Der Hauptfeind ist das eigene Land’ nieder. Das Fest war ein net-
tes Stell-dich-ein, mit Infoständen für die geistige Kost, Essensständen mit erlesenen Speisen (Hot Dogs und Maiskolben), zwei Ausstellungen, eine zu rassistischen und faschistischen Übergriffen seit 1996 und eine zu sozialen Bewegungen in München seit 1968, einer Hüpfburg für die Kleinen, Bier für die Großen und Musik für alle. Es spielten Rancors und DJs legten auf. Am Ende kamen noch die Bullen, weil ein Autofahrer sie angerufen hatte und sich beschwerte, dass sein Auto an-
geblich demoliert wurde. Er versuchte, als noch aufgeräumt wurde, die Putzkolonne zu überfahren. Diese Situation endete mit der Einsicht der Bullen, dass sich die Lage entspannen wird, wenn die Hundertschaft USK mit Polizeihunden wieder abzieht. Unser Ziel etwas Kohle für den Infoladen rein zubekommen hat leider nicht geklappt, wir haben ein wenig Miese gemacht. Aber es war trotz-
dem ein sehr schönes Straßenfest. Die Miesen hat das Netzwerk mit einem Zuschuss von 260 Euro etwas verringert.“4

Im Dezember 2002 besetzten Alternative symbolisch ein Haus in der Landsbergerstraße. Vom 2. bis 5. Oktober 2003 veranstalten sie jetzt die „Münchner Freiraumtage“ unter anderem mit einer Demo vom Kreisverwaltungsreferat über das Oktoberfest hinein ins Westend.5

„Was ist ein Infoladen? Anfang der 80er Jahre entstand innerhalb der autonomen Bewegung das Bedürfnis, sich über politische Ereignisse ohne die übliche Verzerrung der etablierten Presse infor-
mieren zu können. Es entstand ein Netzwerk von Infoläden, deren Aufgabe es war, schnell Infor-
mationen wie z.B. von Hausbesetzungen und Demonstrationen zu gleich gesonnenen Menschen in anderen Städten zu bringen. Des Weiteren dienen Infoläden als Anlaufstelle für politisch engagier-
te Menschen, zur Verbreitung von alternativen Zeitungen, unterdrückten Nachrichten und zum Austausch von politischen Standpunkten. Sie sind in annähernd jeder größeren Stadt zu finden, sie sind untereinander vernetzt und stehen mit ähnlichen Strukturen im Ausland in Kontakt. – Die Geschichte des Infoladen MUC – Der Infoladen München entstand 1984 anlässlich des in Bonn stattfindenden Weltwirtschaftsgipfels. Als Anti-Atombüro war er Teil des breiten Widerstandes gegen die Wiederaufbereitungsanlage (WAA) in Wackersdorf. In der Folgezeit diente er als Anlauf-
punkt bei der Kampagne zum Hungerstreik der politischen Gefangenen 1989, sowie ´92 zum Welt-
wirtschaftsgipfel in München. In den 90ern fungierte er als Zentrum der antifaschistischen Bewe-
gung und des Widerstandes gegen den Forschungsreaktor München II (FRM II). In den letzten Jahren konnte er sozialen Projekten wie dem Punk-Stammtisch und der Volxküche Räumlichkei-
ten bieten. – Zusätzlich stand die Antirepressionsarbeit im Vordergrund. 2002 beteiligte sich der Infoladen trotz Durchsuchung (Beschlagnahme von Computern etc.) als Infopoint an den Aktionen gegen die ‚Sicherheitskonferenz’. – Unser Selbstverständnis – Im Infoladen München gibt es eine große Auswahl an Zeitungen, Broschüren, Stadtzeitungen, Videos etc. zu Themen wie z.B. soziale Bewegungen, Ökologie, Antifaschismus, Antirassismus, Geschlechterrollen, Internationalismus, bewaffneter Kampf und Repression. Zusätzlich bietet er eines der größten zugänglichen Archive der linksradikalen Bewegung in Bayern an. Darüber hinaus stellt er einerseits politischen Gruppen und Einzelpersonen Computer, Fax, und Internetanschluss zur Verfügung und andererseits dient er als Kontaktadresse für zahlreiche zu verschiedenen Themenschwerpunkten arbeitenden Grup-
pen. Das Projekt Infoladen ist für uns ein unkommerzieller, selbstverwalteter, sozialer und politi-
scher Raum, indem es aktuelle Informationen über emanzipatorische und fortschrittliche Bewe-
gungen gibt. Zusätzlich ist das Projekt auch dazu da diese Bewegungen anzustoßen und zu unter-
stützen. Außerdem wollen wir damit auch die Möglichkeit bieten, Aktionen vorzubereiten und Dis-
kussionen über andere Gesellschaftsformen zu führen. Dazu ist uns grundlegend auch die Ausein-
andersetzung mit der eigenen Sozialisation und den damit verbundenen Vorurteilen wichtig.“6


1 AStA der Geschwister-Scholl-Universität München (Hg.), Spiel ohne Grenzen. Zu- und Gegenstand der Antiglobalisierungsbewegung, Berlin 2004, 1 ff.

2 Siehe „‘Soziale Frage’ Welche Fragen, welche Antworten“ von Gerhard Hanloser.

3 Siehe „Kommunismus statt Antikapitalismus“.

4 Netzwerk München, Rundbrief vom Dezember 2003, www.netzwerk-muenchen.de/rundbrief.htm.

5 Siehe „Münchner Freiraumtage“.

6 Netzwerk München, Rundbrief vom Dezember 2003, www.netzwerk-muenchen.de/rundbrief.htm.