Flusslandschaft 1945
Religion
Der konservativ-antisozialistische Kardinal Faulhaber übergibt am 23. Mai Oberst Keegan eine Liste geeigneter Personen für die Verwaltung Bayerns. Die amerikanische Militärregierung ernennt auf diese Empfehlung hin am 28. Mai den früheren Vorsitzenden der Bayrischen Volkspartei (BVP) Fritz Schäffer zum „Temporary Ministerpresident“ Bayerns.1 Der bayrische Militärgou-
verneur Patton sieht in den ehemaligen Repräsentanten der BVP und in Kardinal Faulhaber die einzigen Kräfte, die einer „Bolschewisierung“ des Landes Einhalt gebieten können. Schäffer steht unter der Kontrolle der Militärregierung, wird aber, nachdem die politische Vergangenheit drei seiner Minister fragwürdig erscheint und er sich weigert, Beamte zu entlassen, die einflussreiche NSDAP-Mitglieder waren, am 28. September von der amerikanischen Militärregierung entlassen. Auch Patton wird nach heftigen Angriffen aus den USA — unter anderem wird er beschuldigt, „das Spiel des Vatikans zu spielen“2 — entlassen, Wilhelm Hoegner (SPD) als Nachfolger Schäffers zum Ministerpräsidenten ernannt. Die Militärregierung verhängt am 24. April 1946 ein zweijähriges politisches Betätigungsverbot über Fritz Schäffer.
„Kardinal Faulhaber verfasst am 10. Juli gemeinsam mit Landesbischof Meiser eine Eingabe an die amerikanische Militärregierung, in der beide fordern ehemalige Parteigenossen und SS-Leute nicht pauschal zu verurteilen und inhaftierte Kriegsprofiteure wie Bankiers und Industrielle freizulassen … Weder im Schuldbekenntnis der Katholischen Bischöfe vom 23. August, noch in der Stuttgarter Schulderklärung des Rats der Evangelischen Kirche vom 18./19. Oktober werden Sinti und Roma erwähnt.“3
„An Landesbischof Meiser übergab die Militärregierung eine Liste von 170 Pfarrern, die als NSDAP-Mitglied Berufsverbot erhalten sollten; er verteidigte jedoch NS-Idealisten und entließ
nur fünf.“4
Siehe auch „Gewerkschaften/Arbeitswelt“.
1 Vgl. Wolfgang Zorn, Bayerns Geschichte im 20. Jahrhundert. Von der Monarchie zum Bundesland, München 1986, 549.
2 A.a.O., 562.
3 Robert Schlickewitz, Sinti, Roma und Bayern. Kleine Chronik Bayerns und seiner „Zigeuner“, 2008, www.sintiromabayern.de/chronik.pdf, 107.
4 Wolfgang Zorn, Bayerns Geschichte im 20. Jahrhundert. Von der Monarchie zum Bundesland, München 1986, 566.