Flusslandschaft 2010
Flüchtlinge
In der bayrischen Asylverordnung heißt es: „Asylbewerberunterkünfte sollen die Bereitschaft zur Rückkehr der Flüchtlinge in ihre Heimat fördern.“ Sozialministerin Hadertauer fühlt sich bei die-
ser Formulierung unwohl, Innenminister Hermann besteht darauf.
Am 4. Mai demonstriert der Bayrische Flüchtlingsrat am Sendlinger Tor: „In Bayern gilt eine strikte Lagerpflicht für Flüchtlinge. Laut der bayrischen Asyldurchführungsverordnung soll die Unterbringung von Flüchtlingen in Sammellagern ‚die Bereitschaft zur Rückkehr in das Heimat-
land fördern’. Auf dieser rechtlichen Grundlage werden 7.636 Personen in einhundertsiebzehn Flüchtlingslagern durch jahrelange Unterbringung in Mehrbettzimmern in alten Gasthöfen, aus-
gedienten Kasernen und verrotteten Containerunterkünften, mit Gemeinschaftsküchen und Ge-
meinschaftsbädern, Polizeikontrollen zu allen Tages- und Nachtzeiten, Essens- und Hygienepake-
ten, gebrauchter Kleidung oder Gutscheinen, Arbeitsverboten, Residenzpflicht und Anzeigen we-
gen Verstoßes gegen die Passpflicht zermürbt. – Seit Jahren kämpfen Flüchtlinge und ihre Unter-
stützerinnen gegen diese menschenunwürdige Behandlung von Flüchtlingen in Bayern. Allein im letzten Jahr ist viel passiert: Im Bayrischen Landtag fand eine Expertinnenanhörung zur Lagerun-
terbringung von Flüchtlingen in Bayern statt. Die fünfundzwanzig Sachverständigen forderten einstimmig die Abschaffung der rigiden Lagerpflicht. Daraufhin haben sich die Oppositionspartei-
en mit eigenen Gesetzesentwürfen für eine Verbesserung der Unterbringung von Flüchtlingen ein-
gesetzt. Die bayrische Bevölkerung konnte sich in einer Petition sowie bei den Aktionstagen ‚Lager-
schlussverkauf’ für einen gerechteren Umgang mit Flüchtlingen einsetzen. – Trotz alledem hat sich die bayrische Regierungskoalition bis heute nicht einigen können, die Verhandlungen wurden im-
mer wieder verschoben. Am 6. Mai dieses Jahres soll nun endlich der Kompromiss von CSU und FDP zur Neuregelung der Lagerpflicht für Flüchtlinge in den Landtag eingebracht werden. – Aus diesen Gründen gehen Flüchtlinge und ihre Unterstützerinnen auf die Straße und appellieren an die Abgeordneten der CSU und FDP in Bayern, der Ausgrenzung und Diskriminierung ein Ende zu setzen. Unsere Forderungen lauten: – Abschaffung der Zwangsunterbringung in Lagern und das Recht für Flüchtlinge, in Wohnung zu ziehen – Bewegungsfreiheit statt Landkreisbeschränkung durch Residenzpflicht – Bargeld statt Essenspakete – Das Recht zu arbeiten – Respekt der Verant-
wortlichen in Ausländerbehörden, Landratsämtern und Innenministerium gegenüber Flüchtlingen – Gegen Lagerzwang und für Bargeld statt Essenspakete“1
„Lagerschlussverkauf – Bayernweite Demonstration gegen Lagerzwang für Flüchtlinge – 04.06.09 – Das Netzwerk Deutschland Lagerland ruft auf zur bayernweiten Demonstration gegen Flücht-
lingslager. Am Samstag, den 13. Juni 2009 ziehen Flüchtlinge und UnterstützerInnen vom Karls-
platz/Stachus zum Bayrischen Landtag, um die Abschaffung des Lagerzwangs für Flüchtlinge und das Recht auf Auszug in eine eigene Wohnung zu fordern. Die Auftaktkundgebung beginnt am Sta-
chus, die Demonstration zieht über Altstadtring, Fraunhoferstraße und Gärtnerplatzviertel zur Ma-
ximiliansbrücke. Dort werden wir gemeinsam eine Flüchtlingslagermauer einreißen. – Das Timing für die Demonstration ist perfekt, denn am 18.06.2009 beginnt die parlamentarische Debatte im Bayrischen Landtag über die Zukunft der Bayrischen Flüchtlingslager. – Bayernweite Demonstra-
tion gegen Flüchtlingslager, 13.06.2009 in München, 13 Uhr: Auftaktkundgebung Karlsplatz/ Stachus, 14 Uhr: Beginn der Demonstration zum Bayrischen Landtag. Die Demonstration ist Teil der Lagerschlussverkauf-Aktionstage vom 11. – 14.06.09, die vom Netzwerk Deutschland Lager-
land organisiert werden.“2
In der Waldmeisterstraße in der Lerchenau stehen Container, die als Flüchtlingslager benutzt wur-
den, aber nach eine Landtagsbeschluss 2008 geschlossen werden mussten. In der letzten Septem-
berwoche 2010 ordnet die Regierung von Oberbayern an, dass hier einhundertsiebzig Flüchtlinge einzuquartieren sind. Der bayrische und der Münchner Flüchtlingsrat protestieren am 7. Oktober dagegen und die bayrische Sozialministerin, höchst verärgert über den Alleingang der Regierung von Oberbayern, ordnet eine unverzügliche Unterbringung der Flüchtlinge in der Jugendherberge in der Elisabethstraße in Schwabing an.3
1 Flugblattsammlung, Archiv der Münchner Arbeiterbewegung.
2 Vgl. www.deutschland-lagerland.de.
3 Vgl. Süddeutsche Zeitung 235 vom 11. Oktober 2010, R3 und www.fluechtlingsrat-bayern.de.