Materialien 1945
Froyleins, Amiflitscherln, Schokoladenhuren
Trümmerfrauen und Besatzer
Bayerischer Rundfunk, „Bayern – Land und Leute“, 12.5.1996 (Wh. 7.9.1997)
„Der Krieg ist aus!“ Vorwiegend erleichtert reagierte die bayerische Bevölkerung im Frühling 1945 zunächst auf den Einmarsch amerikanischer Truppen, nachdem es zuvor in den Städten fast täglich Bombenalarm gegeben hatte. Allerdings zeigte sich bald, dass das Problem der Existenzsi-
cherung dadurch nicht behoben wurde, denn die Versorgung mit Lebensmitteln verschlechterte sich gravierend. Während die Bevölkerung große Not litt und hungerte, verfügten die Besatzer über Lebensmittel und Konsumgüter in Hülle und Fülle. Und wer sich mit ihnen gut stellte, konnte davon auch profitieren. Da erwies es sich manchmal als regelrecht lebensrettend, wenn sich freundschaftliche Beziehungen zu den GIs ergaben. Für Frauen, vor allem für junge Frauen, war es oft einfach, Kontakte zu knüpfen. Solche Kontakte reichten von oberflächlichen Bekanntschaften über Freundschaften und echten Liebesverhältnissen bis hin zur heimlichen und offenen Prostitu-
tion.
Die Mehrzahl der bayerischen Bevölkerung behandelte Frauen, die sich mit Amerikanern abgaben, durchweg mit Verachtung, ganz besonders, wenn sie sich mit farbigen Soldaten einließen. Dabei haben manche Familien und Nachbarn damals nur mit Hilfe dieser Frauen überleben können. Ebenso wenig Verständnis gab es für diejenigen, die sich nach den langen, entbehrungsreichen Kriegsjahren in den männerarmen Nachkriegszeiten auch ein bisschen Spaß und Lebensfreude gönnen wollten. Bei den Militärbehörden gingen jedenfalls reihenweise Beschwerden über den Verfall der Sitten ein und Briefe voller Haß, für die die Amerikaner die Bezeichnung „hate-sheets“ einführten. Oft wurde sogar mit Selbstjustiz gedroht, also den „Amiflitscherln“ die Haare abzu-
schneiden oder ihnen noch Schlimmeres anzutun.
Obwohl nicht einmal wenige der deutsch-amerikanischen Beziehungen durch Heirat gesellschafts-
fähig wurden, ist das Thema im übrigen bis heute ein Tabu. Trotz zahlreicher Untersuchungen und Zeitzeugen-Befragungen, die es anlässlich des Kriegsendes vor 50 Jahren mittlerweile gibt, finden sich kaum Aussagen betroffener Frauen zu diesem Bereich.
Karin Sommer