Materialien 1948
Ausgerechnet am 1. Mai ...
1948 werden weitere Kürzungen der Lebensmittelrationen über Radio München bekannt gegeben. Jetzt platzt den Arbeitern der Kragen. Das Maß ist voll! Auf die Willkür der Großkopferten gibt es nur eine Antwort: Streik! Schließlich lebt man jetzt in einer Demokratie, und diese garantieren doch die Soldaten aus dem Mutterland von freedom and democracy.
Am Montag, dem 3. Mai, verweigern 18.000 Männer der MAN und der Eisenbahnwerkstätten in Augsburg und anderer Augsburger Betriebe und 12.000 Arbeiter bei der Nürnberger MAN und
in anderen Nürnberger Fabriken die Arbeitsaufnahme; von den Gewerkschaften aber wird trotz größter Erregung unter der Arbeiterschaft kein Streikbeschluss gefasst. Die Funktionäre meinen, die Kollegen sollen ruhig einmal Dampf ablassen, dann beruhigen sie sich schon wieder.
Der Funke springt am 4. Mai auf München über: »RAW Neuaubing … with 2.400 workers went on sit down strike. RAW Freimann is expected to join.«1
Die Eisenbahner sind die Initiatoren des spontanen Streiks. Sie besaßen vor 1945 eine wichtige Rolle im Widerstand gegen das Nazi-Regime; sie besitzen die meisten Informationen über die allgemeinen Arbeits- und Lebensverhältnisse, über sie läuft die Kommunikation zwischen den Betrieben und sie sind nach der Befreiung mit der Selbstorganisation des eigenen Betriebes sehr selbstbewusst geworden. Der entscheidende Grund für ihren Ausstand ist die schlechte Ernäh-
rungslage, der zweite ist die Enttäuschung darüber, dass alles auf eine schrittweise Restauration der Gesellschaft hindeutet: Die Träume von einer gerechteren, sozialen und demokratischen Arbeitswelt sind verflogen.
Der Betriebsrat des Reichsbahnausbesserungswerks Neuaubing (RAW) setzt sich wie folgt zu-
sammen: Vorsitzender August Dollinger, KPD, Karl Reisinger, KPD, Nikolaus Oelbauer, KPD, geb. am 19.4.1903, Karl Gallenberger, KPD, geb. am 5.2.1921, Karl Seifriedt, KPD, geb. am 22.1.1890, Heinrich Eisinger, KPD, geb. am 15.3.1914, Ludwig Jungbauer, KPD, August Wolf, KPD, geb. am 3.6.1907, Josef Ernstberger, SPD, Johann Zauser, SPD, Karl Raisach, SPD, Hans Zwegerl, CSU, Heinrich Albrecht, SPD, Georg Eckhardt, SPD, Georg Eder und Maria Hauser.
Als Streikführer in Neuaubing fungiert Karl Reisinger. Im Streikkomitee aktiv sind Gallenberger, Wolfgang Lindner und Josef Schmidtbauer, geb. am 2.2.1903. »The latter four were vindictive and vitriolic in denouncing the Ministry of Economics, the German Civilian Administration, Bavarian Trade Unions, the Marshall Plan and >western reaction< …«2 Dem Streikbeschluss stimmen 74% der Arbeiter zu. Sie wollen denen da oben einmal so richtig einheizen.
»On the morning of 5 May 1948 … Reisinger . .. and Schmidtbauer . .. appeared at RAW Neu-
aubing, amply provided with propaganda material supplied by Karl Seifriedt, and began to denounce the Marshall Plan and the >Frankfurt Economists<, continuing with the inflamatory statement that RAW Neuaubing was honored to be the first to strike a blow against the political economists of the West …«3
Seit Wiederaufnahme der Arbeiten in den Reichsbahnausbesserungswerken findet jedes Jahr eine Betriebsratswahl statt. Im RAW Freimann vertreten elf Betriebsräte die Arbeiter, sechs die Beam-
ten. Parteipolitisch tendiert knapp die Hälfte der Betriebsräte zur KPD, mehr als ein Drittel zur SPD und etwa 10 Prozent zur CSU. »Für die Betriebsratswahlen im Januar 1948 hat Horlacher ein Din-A4-Hochglanzbladl mit Bildern der SPD- und CSU-Kandidaten seiner Wahl verteilen lassen. Da sind die Kollegen wütend geworden und haben gemeint >schaugt’s her; was die im Gewerkschaftshaus mit unserem Geld machen!< und dann haben sie gerade mit Fleiß nur KPDler gewählt. Auf der KPD-Liste ist der Benno Blieninger ganz unten gestanden, aber die Arbeiter haben ihn ganz hinauf zum Vorsitzenden gewählt.«4
Neben Blieninger sprechen sich alle Freimanner Betriebsräte für den Streik aus: Fritz Feuerer5 , Alois Adelberger, geb. am 2.6.1892, Karl Geist, geb. am 29.12.1891, Karl Schmidt, geb. am 21.1.1903, Franz Erl, geb. am 3.2.1907, Wilhelm Gross, geb. am 3.11.1908, Josef Greis, geb. am 31.7.1906, Rudolf Wildfeuer, geb. am 22.10.1922, Josef Reitz, geb. am 19.3.1916, Franz Haslbeck, geb. am 20.8.1908, Max Schiessl, geb. am 21.3.1894, Johann Maier, geb. am 3.11.1910, Franz Baumgartner, geb. am 8.5.1909, Josef Kistenpfennig, geb. am 18.8.1893, Max Röhrner, geb. am 13.1.1906 und Anton Langschartner, geb. am 21.12.1913. »Chief agitators were Fritz Feuerer, Wilhelm Gross, Karl Geist and Rudolf Wildfeuer …«6
Auch die Betriebsräte der Hauptwerkstätten sind KPD-Mitglieder: Vorsitzender Josef Graswald, geb. am 6.3.1896, Anton Fischer, geb. am 22.3.1918 und Johann Stadler, geb. am 5.1.1894. »Graswald… officially failed to approve the strike. Chief KPD protagonists were Stadler and Fischer… Other important divisions of the Railroad to strike, KPD Work Council Members and chief agitators among them are follows: (1) Station Work-Shops, Munich/East (s) Josef Schlem-
mer; born 8 September 1911. (2) Station Work-Shop, Munich/Thalkirchen (a) Josef Friedl, born 15 December 1900. (b) Otto Wolfseher; born 15 October 1913. © Hans Finsterer; born 27 Sep-
tember 1889. (d) Alfons Finsterer; born 19 February 1890. (3) Station Work-Shops, Munich/Pa-
sing West (a) Theo Graf, born 22 May 1914. (b) Matthias Ebner; born 17 May 1906. (4) Station Work-Shops, Munich/Ludwigsfeld (a) Heinrich Muehlbauer; born 7 December 1908. (5) Miscellaneous Units (a) Josef Hirsch, RR Police. (b) Johann Stahlheber; Communications, Neuaubing. © Michael Obkirchner; born 23 September 1909, Station Master’s Office, Main Station, Munich. (4) Karl Bubel Station Master’s Office, Main Station, Munich …«7
Am 5. Mai legen um 10 Uhr 3.000 Arbeiter bei Krauss-Maffei gegen den Widerstand der neun sozialdemokratischen Betriebsräte die Arbeit nieder. Die sechs KPD-Betriebsräte unterstützen die Streikenden. Am 6. Mai streiken RAW Freimann, Rathgeber in Moosach,BMW in Freimann und AGFA. Tausend Arbeiter der Zentralwerkstätten der Reichsbahn, unterstützt von ihrem nur aus KPD-Mitgliedern bestehenden Betriebsrat, streiken am 7. Mai, ebenso die Belegschaften von Rathgeber, BMW, der Firma Deckel & Co. und der Firma Steinheil & Söhne. Am 8. Mai schließen sich die Münchner Verkehrsbetriebe und am 10. Mai die Belegschaften von AGFA, Siemens und Metzeler dem Streik an.8
Die Militärregierung lädt Betriebsratsvorsitzenden Blieninger vom_RAW Freimann_ vor. In der Belegschaft heißt es: »Wenn’s ihn behalten, dann machen wir was!«9
Die Besatzungsmacht steht in erhöhter Alarmbereitschaft. Allerdings wissen die Amerikaner: Ihr Eingreifen kann nur das letzte Mittel sein. Daher sind beruhigende Meldungen willkommen: »The trade unions and in many instances the works councils have fought hard to prevent outbreak or continuance of works stoppages. They have had some success, and according to Trade Union chairman Hagen expect that the situation will calm down within 48 hours …«10
Am 11. Mai streiken 48.000 Arbeiter11, darunter 2.800 bei Krauss-Maffei, 6.500 bei BMW-Allach, 1.800 bei Siemens-Schuckert, 350 bei Opel-Häusler, 2.000 Arbeiter bei der Münchner Straßen-
reinigung, 7.000 Eisenbahner und 3.200 Straßenbahner. Der Director der Intelligence Division liest besorgt: »… wildcat work stoppages spread further … More railroad workers went on strike but train operation was not affected …«12
Am selben Tag – es ist der Höhepunkt des Ausstandes – ruft der Generalsekretär des Bayrischen Gewerkschafts-Bundes (BGB), Georg Reuter13, über Radio München die Streikenden dazu auf, die Arbeit wieder aufzunehmen: Wer gegen den Gewerkschaftsbeschluss verstoße und weiter streike, verletze die gewerkschaftlichen Prinzipien der Solidarität und vergrößere die allgemeine Not.14
Am 12. Mai streiken in ganz Bayern nahezu 90.000 Arbeiter. Bei Betriebsversammlungen kommt es zu tumultartigen Zusammenstößen zwischen Befürwortern und Gegnern des Ausstandes. Gewerkschaftsfunktionäre werden als Feiglinge, Arbeiterverräter und Knechte der Amerikaner beschimpft. Zugleich verhandeln die Streikleitungen mit den Gewerkschaften, die sich unnach-
giebig zeigen. Die Streikfront bröckelt. Vor den Werkstoren stehen Kriminalbeamte, die Arbeits-
willigen den Zugang zum Betrieb frei machen sollen.
Im Gewerkschaftshaus in der Landwehrstraße wird Ursachenforschung betrieben. Schließlich erhalten alle Funktionäre ein Zirkular, in dem der Bundesvorstand des BGB auf »verantwortungs-
lose Elemente« ablenkt: »Wir haben während der Streikbewegung feststellen müssen, dass Be-
triebsräte unter dem Namen der Gewerkschaften angerufen und aufgefordert wurden, die Arbeit in ihren Betrieben mit den Betriebsbelegschaften auf Weisung der Gewerkschaften niederzulegen. Keine Körperschaft der Landesgewerkschaften hat Weisung nach dieser Richtung erteilt. Damit steht also eindeutig fest, dass gewissenlose Elemente, deren Herkunft wir noch nicht ermitteln konnten, den Unwillen gegen die Ernährungslage benutzt haben, um die Bewegung auszulösen … Unsere Ortsausschüsse und Ortsverwaltungen sollten sich in jedem Fall diejenigen Leute näher ansehen, auch wenn sie Gewerkschaftsmitglieder sind, welche im Anschluss an diese Bewegung aus der Gewerkschaft austreten oder zum Austritt aus der Gewerkschaft offen oder im Stillen aufrufen. Sie werden dann sicherlich in allen Fallen feststellen, dass es sich um Menschen han-
delt, welche die nationalsozialistische Bewegung im Dritten Reich aktiv oder passiv unterstützt haben. Vielfach handelt es sich auch um junge, noch nicht verantwortungsbewusste Elemente, welche glauben, im Überschwang ihrer Jugend so handeln zu müssen und denen es noch an dem genügendem gewerkschaftlichen Geist und an der entsprechenden Verantwortung mangelt …«15
Am 17. Mai kehren die letzten Streikenden zu ihrer Arbeit zurück. Die spontanen Protestaktionen, lokal entstanden, haben sich wie Wellen eines Steins, der ins Wasser geworfen wird, ausgebreitet, jetzt werden sie reguliert, kanalisiert und schließlich beendet.
Die Gewerkschaften verstehen sich eher als Ordnungsfaktor denn als Gegenmacht. Am liebsten wäre es ihnen, wenn man die spontane Streikbewegung vom Winter 1947/Frühjahr 1948 vergessen würde. Weder in den Geschäftsberichten der Gewerkschaften noch in der Historiografie der Arbei-
terbewegung erwähnen sie einen der heftigsten Arbeitskämpfe der unmittelbaren Nachkriegszeit. Was nicht ins eigene Konzept passt, ist so nie passiert! Den seit der Weimarer Republik virulenten Streit mit den Betriebsräten um Einfluss in der Arbeiterbewegung beenden sie zu ihren Gunsten.
Die amerikanischen Besatzer verfügen über ein hocheffizientes Informations- und Auswertungs-
system. Alles und jedes wird registriert und eingeschätzt: »There is little doubt that the strikes represent spontaneous action on the part of the workers. Such action had been anticipated in some quarters should the food situation deteriorate. There is hardly more doubt, however; that the Communists and Exnazis fanned the dissatisfaction of the men. Reports are available indi-
cating that in specified plants Communist works council or Communist party members actively and vigorously advocated work stoppages or their continuance … There is no evidence that the food situation converted any strikers to Communism. The fact that the trade unions were largely instrumental in securing the release of food should go a long way toward dispelling any impres-
sion in the strikers’ minds that extremists of the Right or Left helped to improve the situation …«16
Diese Erkenntnis macht auch in den Belegschaften die Runde. Im Betriebsrat der RAWs Freimann und Neuaubing haben die Kommunisten die Mehrheit. Sie meinen, mit den Gewerkschaften sei es wie mit dem Hund, den man zum Jagen tragen müsse.
Im August 1948 tagt der zweite Bundestag des BGB. Hier wird noch einmal nachtarockt. Josef Graswald, Delegierter der Eisenbahngewerkschaft, verlangt, man solle »auf die Betriebsräte hören, die das Ohr in den Betrieben sind«.17 Die Belegschaft des RAW Freimann fordert in einer Resolution an den Kongress: »Die Belegschaft hat jedes Vertrauen zu den jetzigen Bundespräsi-
denten verloren und ersucht die Delegierten des 2. Bundestages, davon Kenntnis zu nehmen und die notwendige Konsequenz bei den neuen Wahlvorschlagen zu ziehen.« 18 Lorenz Hagen verliest die Resolution und geht zur Tagesordnung über.
Am 31. Januar 1948 vertritt die Eisenbahnergewerkschaft 83.507 Mitglieder aus den Reparatur-
werkstätten, Streckenerhaltung und -überwachung, technischer und nichttechnischer Dienst, Autobahnen, private Bahnen, inländische Wasserwege, Mitropa und Verwaltung.19
Es fällt auf, dass keiner der Funktionäre im Münchner Gewerkschaftshaus in der Landwehrstraße 7/9 der KPD zuneigt. Neben Horlacher (SPD) als Landesvorsitzendem sind im August 1948 tätig als stellvertretender Vorsitzender: Matthäus Herrmann, als Landessekretär: Johann Fletz (SPD), als Schatzmeister: Johann Müller (SPD), als Jugendsekretär: Franz Eichinger (SPD), als Sekretäre: Ambros Tauscher (CSU), Josef Beer (CSU) und Matthäus Fischer (SPD), als Beisitzer: Josef Fellner (SPD), Peter Hofmann (SPD), Johanna Händler (CSU), Max Hergenröder (SPD), Bonifex Frank (SPD) und Erwin Emge (SPD).20 Wie bei fast allen Gewerkschaften entspricht das parteipolitische Spektrum der Funktionäre nicht dem Spektrum in der Mitgliedschaft.
Am 13. und 14. Januar 1948 wählen die bayerischen Eisenbahner rund 4.000 Betriebsräte. Die Bildung von Bezirks- bzw. von Zentralbetriebsräten, wie sie in der Weimarer Republik üblich waren, haben die Besatzungsmächte immer noch verboten. Organisationen und Institutionen der Arbeiterbewegung stoßen bei der Militärregierung immer wieder auf hinhaltenden Widerstand.
Die Verwaltung der Reichsbahn arbeitet bereits bizonal. Die Eisenbahnergewerkschaften der Bizone tagen vom 23. bis 26. März mit dem Plan, sich ebenfalls zu vereinigen. Die neue Orga-
nisation soll »Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands« heißen.
Mit der Währungsreform am 20. Juni kommt alles wieder ins pekuniäre Lot, Besitzer von fixem Kapital, also von Sachwerten wie Immobilien, Maschinenparks oder ganzen Fabriken etc. verlieren nichts, die Arbeiterklasse büßt neun Zehntel ihrer Ersparnisse – soweit überhaupt vorhanden – ein. Ab jetzt ist gutes Geld wieder der Maßstab für Leistung, Preise »reguliert der liberale Markt«. Zugleich etablieren sich die amerikanische, britische und französische Besatzungszone als ein-
heitliches Wirtschaftsgebiet und grenzen sich von der sowjetischen Besatzungszone ab.
Die Finanzlage der Reichsbahn ist verheerend. Durch die Währungsreform verliert sie 1½ Milliarden »wertlose« Reichsmark und erhält ein neues Betriebskapital von 220 Millionen DM. »Dieses Kapital hätte nicht einmal ausgereicht, um nur den 5. Teil der Schäden zu beheben, die durch den Krieg verursacht waren. Hätte man die Reichsbahn auf eine gesunde Basis stellen wollen, hätte man ihr mindestens ein Betriebskapital von einer halben Milliarde DM geben müssen …«21
Reichsmark wurden für Dienstleistungen ausgegeben, da waren Waren Mangelware. Jetzt sieht es aus, als ob ein Magier gezaubert hat: Die Auslagen der Geschäfte haben sich über Nacht mit den verlockendsten Dingen gefüllt, die alle nach dem neuen Geld verlangen. Dienstleistungen sind kaum mehr gefragt. Der Personenverkehr auf der Schiene geht um 90 Prozent zurück, sodass es sich kaum mehr lohnt, Züge fahren zu lassen. Außerdem verlagert sich der Warenverkehr drama-
tisch von der Schiene auf die Straße. Ende 1948 verlieren 45.000 Eisenbahner in Westdeutschland ihren Arbeitsplatz; in Bayern sind es 4.500. Die Gewerkschaft fordert vergeblich die Rücknahme der Entlassungen; stattdessen solle die Reichsbahn ihre Aufträge an die Privatindustrie beschrän-
ken.
Trotzdem: »Die bereits im Dezember 1947 begonnenen Lohnverhandlungen wurden im Jahre 1948 fortgesetzt. Auf Grund der Anerkennung der Eisenbahn als Problem-Industrie war eine Lohnerhöhung von 10 Prozent zu erreichen. Die weiteren Verhandlungen ergaben eine Lohner-
höhung von 15 Prozent, so dass eine allgemeine Lohnerhöhung von 25 Prozent erzielt wurde …«22
Ein Lohntarifvertrag ist erkämpft worden, aber die Verwaltung versucht, wo es nur irgendwie geht, die Vereinbarungen zu unterlaufen. Werkstättenarbeiter werden in den Bahnunterhaltungs- oder Betriebsdienst verlagert, Handwerker in eine niederere Lohnklasse versetzt, Bereitschaftszeiten und Pausen werden von der Arbeitszeit abgezogen und damit der 8-Stundentag wieder verlän-
gert.23
»Schau Dir doch mal diesen >vergesellschafteten Betrieb< Reichsbahn an – eine einzige Kata-
strophe! Euer >Sozialismus< wird nie funktionieren!« Der von seinem Kollegen so angesprochene Betriebsrat hat es nicht leicht: »Erstens herrscht heute Mangelwirtschaft, zweitens ist die Reichs-
bahn nicht vergesellschaftet, sondern Staatsbetrieb, in dem die bestimmen, die den Staat im Griff haben, und drittens entscheiden die Amerikaner. Ein staatlicher Betrieb in den Händen einer kapitalistischen Regierung wird nicht gerade nach sozialistischen Grundsätzen geleitet!«
Infolge der Währungsreform verbessert sich ab Juni die Versorgungslage; nicht so sehr der Mangel an Lebensmitteln als vielmehr der Preisanstieg wird neues Ziel gewerkschaftlicher Aktionen. KPD-
orientierte Betriebsräte der Eisenbahn-Betriebe informieren gemeinsam mit Kollegen aus anderen Metallbetrieben die Führung des BGB, dass sie am Samstag, dem 7. August, beabsichtigen, aus Protest gegen die hohen Preise die Arbeit niederzulegen. SPD-Betriebsräte sprechen sich gegen einen Streik aus, ihr Vorschlag: eine Demonstration auf dem Viktualienmarkt. Die Standpunkte prallen aufeinander.
Die Besatzungsbehörden informieren sich mit Hilfe ihrer Agenten, werden aber auch anderweitig beruhigt: »Manpower Division of this headquarters was informed by leading members of the trade unions that they do not expect strikes or demonstrations until, perhaps after the meeting of all the delegates, which will take place on 11 August in Munich. The feeling seems fairly general that the population is highly incensed over existing high prices but that the workers are not in favor of strike despite KPD efforts to provoke walk-outs …«24
Unmittelbar nach dem Einmarsch der Amerikaner hatten nicht nur Gewerkschafter, sondern auch Exponenten des bürgerlichen Lagers die Vergesellschaftung von privatem Eigentum und eine Plan-
wirtschaft gefordert, die nicht im Widerspruch zur Demokratie stehe, sondern diese absichere. Inzwischen war man von diesen Vorstellungen abgerückt und beschränkte sich auf den Wunsch nach Kontrolle und Lenkung der Distribution, also der Verteilung von Gütern, die eine paritätisch aus Unternehmern und Arbeitervertretern besetzte Institution übernehmen sollte.
Jetzt lockert die Besatzungsmacht Kontrolle und Planung des Marktes und verhindert zugleich, dass paritätisch besetzte Kammern die Lenkung übernehmen. Preis- und Investitionspolitik verschwinden in der Grauzone privater Verfügbarkeit, die Lohnpolitik liegt dagegen offen zu Tage; die Gewerkschaften sind hilflos.
Ihnen bleibt die Aufgabe, den Unwillen der empörten Bevölkerung zu kanalisieren. Am 12. August wird vor der Großmarkthalle demonstriert. Am Samstag, dem 14. August, stürmen Gewerkschafter die Großmarkthalle. Es kommt zu Raufereien. Am 25. August demonstrieren 100.000 auf dem Königsplatz: »… of the Reichsbahn, 20.000 employees look part … About a third of the assembled persons – seemingly disappointed at the moderate demands of the speakers and the quiet course of the meeting – left the square during the meeting in spite of several appeals by the speakers.«25
Am 11. November treffen sich alle Münchner Betriebsräte zur Vorbereitung des Generalstreiks am nächsten Tag. Die Versammlung wird sehr lautstark geführt. Max Wönner26, stellvertretender Generalsekretär des BGB, schlägt vor, dass das Eisenbahn-Fahrpersonal und die Postbeamten arbeiten sollten, worauf deren Vertreter protestieren und fragen, was das denn für ein halbherziger Generalstreik sei. Sie wollen ganz im Gegenteil einen unbefristeten Generalstreik für alle. Dann kommt es nach turbulenten Debatten zur Abstimmung; Wönner kann zwei Drittel der Anwesenden für sein Konzept gewinnen.
Der Streik vom Freitag, dem 12. November 1948, an dem sich in der britischen und amerikani-
schen Besatzungszone insgesamt 9.250.000 Arbeiter, Angestellte und Beamte beteiligen, wird lediglich zu einer »reinen Schaustellung der Macht der Gewerkschaften«.27 In ihrem Flugblatt beschreiben die Arbeitervertreter ihre Rolle so: »Man predigt tauben Ohren Moral, aber es geschieht nichts, was den Lauf der Dinge wirksam ändern könnte …«28
Die Informanten des CIC beobachten nicht nur die Großkundgebungen: »The principle Munich railroad installations, especially the RAW (Railroad Repair Shops) at Munich/Freimann and Munich/Neuaubing. dominated by Communist Works Councilmen, did not join in the Work cessation. At 10.00 hours, 12 November 1948, Benno Blieninger; KPD, 1st Chairman of the Works Council, RAW Freimann, addressed the workers of his industry, denouncing the ineffective methods of the Trade Unions and promising sharper, more effective action in the interest of the workers. A similar speech was delivered by August Dollinger, 1st chairman of the Works Council at RAW Neuaubing. Similar tactics were pursued by the remaining Railroad installations in Munich … The KPD opposition to the Trade Union sponsored work cessation is evidenced by their lack of cooperation, especially in the Railroad industries. KPD members are openly in favor of much more violent measures, completely rejecting the slower steps taken by the Bi-zonal Trade Union Council. KPD action at RAW Freimann und RAW Neuaubing may also be traced to their willingness to embarrass the Trade Unions, an attitude that has become increasingly evident since the Trade Union elections of 26 August 1948 excluded KPD members from high office in the Trade Union Directorate.«29
Die Publikationen der Militärregierung agitieren gegen den Streik: 90 Millionen Arbeitsstunden seien verloren gegangen, 150 Millionen D-Mark und 2 Millionen Dollar für Exporte seien in Not-
zeiten ausgefallen … 30
Mancher Eisenbahner gibt sein Gewerkschafts-Mitgliedsbuch enttäuscht zurück. In der baye-
rischen Eisenbahner-Gewerkschaft sind 83.034 Kollegen und Kolleginnen im Dezember 1947 organisiert, im Dezember 1948 sind es 94.949, ein Jahr später 89.674.
Mit dem Zusammenwachsen der westlichen Besatzungszonen verschmelzen auch die jeweiligen regionalen und zonalen Verbände. Am 23./24. Juni 1949 vereinigen sich die Eisenbahnerorga-
nisationen in Stuttgart-Untertürkheim auf dem Gebiet der Bundesrepublik. Sie vertreten jetzt 480.000 Mitglieder.
In den folgenden Jahren tritt die Gewerkschaft des größten öffentlichen Unternehmens der Bundesrepublik gemäßigt und kooperativ auf. Ihre Führer hoffen, dass die Bundesregierung ihrer Forderung nach Mitbestimmung in öffentlichen Betrieben nachkommt. Doch es soll wieder einmal anders kommen.
Im Sommer 1951 berät der Bundestag das Bundesbahngesetz. Der zuständige Bundestagsaus-
schuss verzögert nach dem 20. Juni die Veröffentlichung seiner Verhandlungen um eine Woche. Hans Jahn, Vorsitzender der Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands, ist über das Verhand-
lungsergebnis entsetzt, eilt am 30. Juni zum Bundeskanzler nach Bonn und bekniet ihn, die 3. Lesung des Gesetzes zu verschieben, damit der DGB noch Stellung beziehen könne. Am 3. Juli sichert der CDU-Fraktionsvorsitzende dem DGB-Vorsitzenden die Verschiebung zu. Die Gewerk-
schafter reisen beruhigt zum Weltkongress des Internationalen Bundes Freier Gewerkschaften nach Mailand und erfahren dort, dass das Bundesbahngesetz noch am 6. Juli beschlossen werden soll. Der DGB-Vorsitzende sendet sofort ein Telegramm an den Bundeskanzler, den Bundestags-
präsidenten und die Fraktionen, in dem er feststellt, dass der Bundestag »eine Mitbestimmungsre-
gelung für den Verwaltungsrat vorgesehen hat, die eine Entrechtung der Gewerkschaften in der Vertretung der Arbeitnehmer bedeutet«.
Theo Pirker: »Die Gewerkschaftsführer waren von diesem taktischen Schachzug der Bundes-
regierung und von dem Ergebnis der 3. Lesung des Bundestagsgesetzes wie vor den Kopf geschlagen.«31
Ein Jahr später wirft die Gewerkschaft unter anderem Benno Blieninger, RAW Freimann, Karl Reisinger, RAW Neuaubing, Matthias Ebner von der Werkstätte am Pasinger Bahnhof und Fritz Feuerer, RAW Freimann, hinaus; der Vorwurf lautet »gewerkschaftsfeindliches Verhalten«. Danach kündigt die Bundesbahn den Betriebsräten, die nun ohne Rechtsschutz dastehen, fristlos. Die Arbeiterklasse und ihre Interessenvertretung sind in der bundesrepublikanischen Wirklichkeit angekommen.
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1 »RAW Neuaubing … streikt mit 2.400 Arbeitern. RAW Freimann wird sich wahrscheinlich anschließen.« Paul E. Moeller, Chief Research Branch an Intelligence Division am 4.3.1948. BayHStA, OMGBY 10/110-2/16. RAW = Reichsbahnausbesserungswerk.
2 »Die vier Letztgenannten denunzierten rachsüchtig und giftig das Wirtschaftsministerium, die deutsche Zivilverwaltung, die bayerischen Gewerkschaften, den Marshall-Plan und die >westliche Reaktion< …« Henry M. Nielsen, CIC-Special Agent an Headquarters CIC Region IV am 20.5.1948. BayHStA, OMGBY 10/84-2/2.
3 »Am Morgen des 5. Mai 1948 … erschienen Reisinger … und Schmidbauer … im RAW Neuaubing mit Propaganda-
material, das Karl Seifriedt lieferte, bestens ausgestattet und begannen, den Marshall-Plan und die >Frankfurter Volkswirtschaftler< zu beschimpfen. Dabei beschworen sie fortwährend in flammender Rede die ehrenhafte Rolle
des RAW Neuaubing als erstes im Streik gegen die politischen Volkswirtschaftler des Westens …« A.a.O.
4 Fritz Feuerer am 12.1.2000 zum Verfasser.
5 Fritz Feuerer, geb. am 1.6.1922 in Schwabing in einer sozialdemokratisch geprägten Arbeiterfamilie, Dreher-Lehre bei der Reichsbahn, Kriegsteilnehmer, Kriegsgefangenschaft, ab Februar 1946 Arbeit im RAW Freimann, KPD-Betriebsrat, 1952 fristlose Entlassung.
6 »Hauptagitatoren waren Fritz Feurer; Wilhelm Gross, Karl Geist und Rudolf Wildfeuer …« Henry M. Nielsen, CIC-Special Agent an Headquarters CIC Region IV am 20.5.1948. BayHStA, OMGBY 10/84-2/2.
7 »Graswald … distanzierte sich offiziell vom Streik. Die wichtigsten KPD-Vertreter waren Stadler und Fischer … Andere wichtige Eisenbahnabteilungen für Streik, KPD-Betriebsrat-Mitglieder und Hauptagitatoren waren folgende: (1) Bahnhof-Betriebsstätte München/Ost (s) Josef Schlemmer, geboren am 8. September 1911. (2) Bahnhof-Betriebsstätte München/
Thalkirchen (a) Josef Friedl, geboren am 15. Dezember 1900. (b) Otto Wolfseher, geboren am 15. Oktober 1913. © Hans Finsterer, geboren am 27. September 1889. (d) Alfons Finsterer, geboren am 19. Februar 1890. (3) Bahnhof-Betriebsstätte München/Pasing West (a) Theo Graf, geboren am 22. Mai 1914. (b) Matthias Ebner, geboren am 17. Mai 1906. (4) Bahnhof-Betriebsstätte München/Ludwigsfeld (a) Heinrich Mühlbauer, geboren am 7. Dezember 1908. (5) Diverse Einheiten (a) Josef Hirsch, Bahnpolizei. (b) Johann Stahlheber, Nachrichtenverbindungen, Neuaubing. © Michael Obkirchner, geboren am 23. September 1909, Büro des Bahnhofvorstands, Hauptbahnhof München. (4) Karl Bubel, Büro des Bahnhofvorstands, Hauptbahnhof München …« A.a.O.
8 Henry M. Nielsen an Headquarters CIC Detachment am 20.5.1948. BayHStA, OMGBY 10/84-2/2.
9 Fritz Feuerer am 12.1.2000 zum Verfasser.
10 »Die Gewerkschaften und viele Vertreter der Betriebsräte haben hart dafür gekämpft, den Ausbruch und die Weiter-
führung der Arbeitsniederlegungen zu verhindern. Sie hatten einigen Erfolg, und dementsprechend erwartet Gewerk-
schaftsführer Hagen, daß sich die Situation in den kommenden 48 Stunden beruhigen wird …« Paul E. Moeller an Director, lntelligence Division am 10.5.1948. BayHStA, OMGBY 10/84-2/2.
11 Paul E. Moeller an Director, Intelligence Division am 12.5.1948. BayHStA, OMGBY 10/84-2/2.
12 »… spontane Arbeitsniederlegungen nehmen weiter zu … Immer mehr Eisenbahnarbeiter beginnen zu streiken, aber
der Bahnbetrieb war nicht beeinträchtigt …« Paul E. Moeller an Director, Intelligence Division am 12.5.1948. OMGBY 10/84-2/2, BayHStA.
13 Georg Reuter (geb. 1902), vor 1933 Vorstandsmitglied des Gesamtverbandes der Arbeitnehmer der öffentlichen Betriebe und Verwaltungen und des Personen- und Warenverkehrs; während der NS-Zeit verfolgt, 1945 Vorsitzender des ADGB in Straubing, ab 1947 Generalsekretär des BGB, ab 1949 stellvertretender Bundesvorsitzender des DGB.
14 Vgl. A Weekly Report of Intelligence Analysis, a.a.O., 5 und Rede Georg Reuters vom 11.5.1948 über Radio München.
In: BayHStA, OMGBY 10/110-2/14.
15 BGB-Informationsdienst. Rundschreiben B/28/48 vom 12.5.1948. In: BayHStA, OMGBY 10/110-2/4.
16 »Ein kleiner Zweifel sei erlaubt, daß die Streiks spontane Aktionen eines Teils der Arbeiter verkörpern. Diese Aktion wurde von einigen Stellen vorbereitet, falls sich die Ernährungslage verschlechtert. Es gibt kaum mehr Zweifel, daß Kommunisten und Ex-Nazis die Unzufriedenheit der Männer entfachten. Verfügbare Meldungen berichten, daß in besonderen Abteilungen kommunistische Betriebsräte oder kommunistische Parteimitglieder aktiv und nachdrücklich
für Arbeitsniederlegungen oder deren Fortführung eintraten … Nicht eindeutig zu belegen ist, daß die Ernährungslage irgendwelche Streikende zum Kommunismus bekehrte. Die Tatsache, daß die Gewerkschaften zum großen Teil bei der Sicherung des Nahrungsnachschubs behilflich waren, sollte nachdrücklich bewirken, jeden Eindruck im Bewußtsein der Streikenden zu zerstreuen, daß Extremismus von Rechts oder Links die Situation zu verbessern hilft …« OMGB, Intelligence Division, Donald T. Shea, Acting Director an Land Director am 26.5.1948. BayHStA, OMGBY 10/84-2/2.
17 Zweiter ordentlicher Bundestag des Bayerischen Gewerkschafts-Bundes, München, 23., 24., 25. und 26. August 1948, Protokoll, 96.
18 A.a.O., 272.
19 Vgl. Office of Military Government for Germany (U.S.), Manpower Division, Visitors Guide to Trade Unions in the U.S.Zone (Germany) IfZ, Dk 113.002.
20 Vgl. CIC-Special Agent Marie T. Clair am 9.8.1948. OMGBY 13/142-3/8, BayHStA, und Headquarters CIC Region IV am 12.8.1948, Subject: Military Government Roster of Bavarian Trade Union Officials. BayHStA, OMGBY 10/84-1/88.
21 Geschäftsbericht 1949. Herausgegeben vom Vorstand des Bayerischen Gewerkschafts-Bundes, München 1950, 135.
22 Geschäftsbericht 1948. Herausgegeben vom Vorstand des Bayerischen Gewerkschafts-Bundes, München 1949, 222.
23 Vgl. Geschäftsbericht 1949, a.a.O., 136 ff.
24 »Die Abteilung für Arbeitsangelegenheiten dieses Hauptquartiers wurde durch führende Gewerkschaftsmitglieder informiert, daß sie vor dem Treffen aller Delegierter am 11. August in München keine Streiks oder Demonstrationen erwarten. Im übrigen scheint es so zu sein, daß die Bevölkerung überaus wütend über die hohen Preise ist, die Arbeiter
aber trotz der Bemühungen der KPD, Ausstände zu provozieren, nicht streikbereit sind …« Paul E. Moeller an Director, Intelligence Division am 7.8.1948, BayHStA, OMGBY 10/84-2/2.
25 »… 20.000 Beschäftigte der Reichsbahn nahmen teil … Ungefähr ein Drittel der Versammelten – über die moderaten Forderungen der Redner und über den ruhigen Ablauf der Versammlung sichtlich enttäuscht – verließ wahrend der Kundgebung den Platz aus Verärgerung über mehrere Forderungen der Redner.« CIC-Special Agent Talitha von Heyden
an MGBI/R am 25.8.1948. BayHStA, OMGBY 10/110-2/14.
26 Max Wönner (gest. 22.11.1960), vor 1933 hauptamtlich tätig im Gesamtverband in Karlsruhe, ab 25.10.1946 Vorsitzender (Nachfolger Schiefers) DGB-Kreis München sowie stellvertretender Vorsitzender im BGB, ab 1955 Vorsitzender des DGB-
Landesbezirks Bayern, SPD-MdB.
27 Pirker, Theo, Die blinde Macht. Die Gewerkschaftsbewegung in Westdeutschland. Teil 1: 1945 -1952. Vom »Ende des Kapitalismus« zur Zähmung der Gewerkschaften, Berlin 1979, 109.
28 Flugblatt für den 12.11.1948. Privatsammlung.
29 »Die zentralen Einrichtungen der Münchner Reichsbahn, insbesondere die RAW (Reichsbahn-Ausbesserung-Werke) in München/Freimann und München/Neuaubing, von kommunistischen Betriebsräten dominiert, nahmen an der Wieder-
aufnahme der Arbeit nicht teil. Am 12. November 1948 sprach um 10.00 Uhr Benno Blieninger, KPD, erster Vorsitzender des Betriebsrats, RAW Freimann, zu den Arbeitern seiner Abteilungen, denunzierte die uneffektiven Methoden der Gewerk-
schaften und versprach schärfere, effektivere Aktionen im Interesse der Arbeiter. Eine ähnliche Rede hielt August Dollinger, erster Vorsitzender des Betriebsrats, RAW Neuaubing. Bei den übrigen Einrichtungen der Reichsbahn in München wurden ähnliche Taktiken verfolgt … Die Opposition der KPD gegen die Gewerkschaften, die Arbeitsniederlegungen unterstützte, wurde durch ihren Mangel an Kooperation besonders in den Eisenbahnindustrien bewiesen, KPD-Mitglieder sind offen für gewaltsamere Maßregeln, sie lehnen die langsameren Schritte des bizonalen Gewerkschaftsrats vollständig ab, Die KPD-Ak-
tivitäten im RAW Freimann und RAW Neuaubing mögen insofern vom Willen beseelt sein, die Gewerkschaften zu behin-
dern, eine Haltung. die offenbar seit den Gewerkschaftswahlen vom 26, August 1948 zunahm, als KPD-Mitglieder von den obersten Posten in der Gewerkschaftsführung ausgeschlossen wurden.« CIC-Special Agent Henry M. Nielsen an Karl G, Anderson, Case Officer: Resume of 24- hour Work Stoppage, 12 November 48 am 16.11.1948. BayHStA, OMGBY 10/84-2/2.
30 Vgl. Heute, Herausgegeben von der Amerikanischen Militärregierung, 73 vom 1.12.1948, 4.
31 Pirker, a.a,O., 219.
Günther Gerstenberg, »Wildcat work stoppages spread further …« Wie Münchner Eisenbahner die Ärmel aufkrempelten, ihnen der Kragen platzte und sie sich ins Unvermeidliche schickten, in: Bernhard Schoßig (Hg.), Unter dem geflügelten Rad . Arbeiten und Leben bei der Eisenbahn in München und im südlichen Bayern, München 2001, 214 ff.