Materialien 1949
Sie kamen um 5 Uhr in der Früh'
Geboren wurde ich am 13. Oktober 1923 in Kirchenthumbach in der Oberpfalz als Sohn von Vik-
toria Hösl, Zigarettenarbeiterin, Betriebsrätin und KPD-Landtagsabgeordnete. Meine Mutter wurde mehrmals verhaftet und war auch im Konzentrationslager. Gearbeitet habe ich ab 1950 als Schriftsetzer und Buchdrucker, war KPD-Jugendsekretär und baute die FDJ-Bayern auf.
1949 gab es das große FDJ-Treffen in Nürnberg, an dem ich teilnahm. Wenige Tage nach meiner Rückkehr nach München klingelte es um fünf Uhr in der Früh’. Meine Mutter sagte, es ist klar, wer da um fünf Uhr in der Früh’ klingelt, da gibt es nur eine Möglichkeit. Es waren Polizisten, die mit gezogener Pistole in unsere Wohnung kamen und mich verhafteten. Sie sagten, sie würden mich zur Militärregierung mitnehmen. Ich fragte sie, ob sie, wenn sie mich mitnähmen, einen kleinen Umweg machen könnten. Die Parteizentrale der KPD liege ja auf dem Wege zum Europa-Platz an der Widenmayerstraße 25. Da wurden sie zu mir etwas freundlicher. Sie meinten: „Ah, Sie sind ein Politischer. Wir dachten, Sie haben gestohlen oder geschmuggelt.“
Sie ließen mich, nachdem ich ihnen mein Ehrenwort gegeben hatte, zurückzukommen, in die Par-
teizentrale, wo ich mitteilte, dass ich verhaftet worden sei und wohin ich gebracht werde. Dann ging die Fahrt weiter zu den Amerikanern. Dort wurde ich in das Büro eines Offiziers geführt. Ein zweiter, ein Jude, schrieb das Protokoll. Dieser näherte sich bei einer Gelegenheit, beugte sich zu mir hinunter und meinte: „Das kriegen wir schon!“ Als der vernehmende Offizier sein Verhör mit der Floskel begann, „Wir haben Sie hierher gebeten …“, gab ich sofort zurück: „Sie haben mich nicht in aller Frühe hierher gebeten, sondern verhaften lassen.“ Da meinte er entschuldigend: „Naja, Ihre Polizisten sind nun mal ziemlich grob.“
Mehr als zu berichten, dass ich bei dem FDJ-Treffen war, konnte ich nicht. Schließlich fuhren sie mich wieder nach Hause.
Ab 1950 hatte ich erst mit zwei Kollegen, dann alleine eine Druckerei im Hinterhof hinter der Schwabinger Sieben. Hier druckte ich nicht nur Broschüren und Flugblätter der KPD. Sicher fin-
den sich heute noch viele Druckschriften mit dem Impressum „Hösl-Druck“. Als Jungsozialisten ihre Flugblätter auch bei mir drucken ließen, wurde gegen sie ein Parteiausschlussverfahren er-
öffnet.
Meine Mutter war infolge der Verfolgungen in der NS-Zeit gesundheitlich schwer angeschlagen. Sie bekam zwar eine kleine Haftentschädigung, doch ihr Antrag auf Rente wurde abgelehnt. Ihr schlechter Gesundheitszustand sei anlagebedingt, meinte der gutachtende Professor, ein ehe-
maliges Mitglied der NSDAP. Am 9. Mai 1953 starb meine Mutter mit fünfzig Jahren.
Gespräch G. Gerstenberg mit Herbert Hösl am Mittwoch, 22. April 2009, auf seiner Terrasse, 17 – 18 Uhr.